Fotos: Shai Levy (Recondite)

Zuerst erschienen in Groove 171 (März/April 2018).

Mit seinem neuen, fünften Album Daemmerlicht verlässt Lorenz Brunner alias Recondite vertrautes Terrain. Statt melodischer Clubtracks sind auf dem Album Soundscapes, Downbeats und Ambient mit teils klassischer Instrumentierung zu hören. Im Interview spricht der Musiker über die Entstehung des Albums in einer Zeit der Orientierungslosigkeit, die Bedeutung des Live-Spielens und seine musikalische Weiterentwicklung.

 


 

Dein neues Album unterscheidet sich deutlich von deinen bisherigen Platten, du verabschiedest dich darauf vom 4-to-the-floor-Beat. Wie kam es zu der Idee für Daemmerlicht?
Die Idee zu dem Album bestand schon länger. Ich wollte gerne etwas filmischere Musik machen, quasi ein Querschnitt aus meinen Lieblings-Musiken: Ambient, Instrumental-Hip Hop, atmosphärische Streicher-Klänge und Electronica. Ich wollte einfach testen, wie es ist diese Musik zu machen und das hat mir auch gleich viel Spaß gemacht. Das Album entstand dann in drei Blöcken: 2014/15 in Berlin, 2015/16 in Bayern und dann 2016/17 wieder in Berlin. Das ist das Album mit dem ich mir mit Abstand am meisten Zeit gelassen habe, weil es mir wichtig war, dass das ein stimmiges Ganzes ergibt – von der Musik über den Titel bis zum Artwork. Und manchmal ergab sich das erst dadurch, dass ich abgewartet habe bis ich einen Einfall hatte.

Bislang hatten fast alle deine Stücke einen durchgehenden 4-to-the-floor-Beat. Warum?
Ich denke ich brauchte dieses Beat-Gerüst, vor allem am Anfang, ein stückweit auch als Sicherheit, weil ich mich dann vergewissern konnte: Ach, das ist Techno. Bei Techno findet ja fast alles zwischen den Bassdrums statt, das ist ein großer Vorteil, das man da diese vorgegebenen Zwischenräume hat, in denen man arbeitet. Mit Kreativität und vor allem Leidenschaft kann man da schnell ein Ergebnis erzielen, das man dann zum Beispiel auch als DJ auflegen kann. Wenn man dieses 4-to-the-floor-Raster verlässt muss man diese Räume erstmal selbst kreieren. Wobei mich Daemmerlicht interessanter Weise auch an meine Anfänge zurückführt. Das erste Stück, das ich überhaupt veröffentlich hab, das Intro der Plangent 001, hat ja auch auf das Beat-Raster verzichtet. Rückblickend war das für mich der erste Schritt hin zu dem, was ich jetzt auf Daemmerlicht gemacht habe.

Wie hat dein Booker reagiert, als er die neue Musik zum ersten Mal gehört hat?
Der hat mich natürlich gefragt, wie ich die Musik denn live umsetzen will? Der ist fest davon ausgegangen, dass ich die Musik auch aufführen möchte. Aber das war gar kein Gedanke, der mich beschäftigt hat. Als ich ihm dann gesagt hab, das ich das gar nicht vorhab, erwiderte er: „Ja, warum machst du das dann überhaupt?“ Aber so denke ich gar nicht. Bei mir entstehen Dinge eher aus einem Impuls heraus. Und jetzt habe ich mich ja auch dazu entschlossen, das Album zumindest bei zwei Konzerten im Rahmen des CTM Festivals in Berlin aufzuführen, aber das war bei der Entstehung der Musik gar nicht absehbar. Das ist für mich kein bewusster Karriere-Schritt.

Auch die Sounds unterscheiden sich auf dem neuen Album, sie klingen viel organischer.
Das stimmt. Wobei meine Arbeitsweise grundsätzlich die gleiche geblieben ist. Ich arbeite in Ableton Live und ich würde sagen, dass etwa 70 Prozent der Sounds, die ich verwende in dem Ableton-Synthesizer Operator entstehen und 30 Prozent aus Samples, etwa von Field Recordings, die ich mache oder von anderen Platten. Ich wollte diesmal eher eine klassischere, weniger synthetisch klingende Ästhetik. Viele der Samples sind zum Beispiel Fragmente von Klassik-Platten. Und man hört auch einzelne Instrumente wie Oboen, Streicher oder Pauke. Ich wollte dafür aber weder mit Instrumentalisten zusammenarbeiten noch auf Sounds von teuren Libraries zurückgreifen. Das hätte mir zu glatt geklungen. Ich wollte, dass man hören kann, wenn ich ein Streich-Sample loope. Dieser kleine Knack ist mir wichtig, das mag ich gerne.

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