Nach dem tollen Bildband R Is For Roland wird nun eine weitere Lobeshymne auf den japanischen Hardware-Produzenten veröffentlicht: ein ganzer Film über einen einzigen Drumcomputer, eine 90-minütige Liebeserklärung an die 808. Der endgültige Gear-Porn? Mit Sicherheit, aber 808: The Movie macht schnell klar, wieso gerade die Roland TR-808 eine so massive Ikone ist und ein dokumentarisches Denkmal verdient hat.

Seit den frühen Achtzigern hat die schwarze Analogschönheit die moderne Musik geprägt wie kaum ein anderes Instrument. Da war auf einmal eine Maschine, die mehr Wumms und Funk als jeder Drummer hatte und gerade richtig kam für die Epoche, in der das klassische Bandformat abgeschafft wurde. Die 808 war, wie der Untertitel dieses Films schon sagt, der Taktgeber einer musikalischen Revolution.

Eine Drum Machine regiert die Welt

Die Doku von Regisseur Alex Dunn schafft, was alle guten Musikfilme auszeichnet. Von einer vermeintlichen Randnotiz der Musikgeschichte aus wird groß ausgeholt und alles nacherzählt, was sich in denn vergangenen drei, vier Jahrzehnten aufgrund dieser neuen Technik entwickelt hat: Labelgründungen (Tommy Boy), Produzentenkarrieren (Rick Rubin), Genre-Genesen (HipHop, Electro, House usw.) und viele Künstlergeschichten – alles das hängt mehr oder weniger mit der Einführung dieser Drum Machine zusammen. Von Afrika Bambaataa und „Planet Rock“ an reiht der Film so viele Stränge der Musikkultur aneinander und folgt der Evolution so rasend schnell um den Erdball – Miami, Italien, Chicago, Indien, England, Atlanta –, dass einem fast schwindelig wird.


Video: Phil CollinsAnother Day In Paradise

Ja, die Doku ist überfrachtet. Keine Episode wollte man auslassen, jeden der vielen hochkarätigen Talking Heads seine Liebe zur 808 beschreiben lassen. Unter anderem sind das Goldie, die Beastie Boys, Felix Da Housecat, Richie Hawtin, David Guetta, Phil Collins. Tatsächlich zählt „In The Air Tonight“ zu den ersten 808-basierten Pop-Hits. Trotz allgemeinem Informations-Overload bleibt allen Protagonisten noch genug Zeit, um ihr jahrelanges Knöpfchendrehen an der 808 in Worte zu fassen, die das Ausmaß dieses neuen Sounds dann doch nicht ganz beschreiben können. Aber dafür gibt es ja den Soundtrack mit Beiträgen von Public Enemy, 808 State, Jamie XX und vielen anderen.

Message mit Wumms

808: The Movie ist so etwas wie eine geniale thematische YouTube-Party. Zusammen mit der historischen Erzählung hangelt sich der Film an unzähligen legendären Tracks durch die Dekaden, Kommentare inklusive: Man Parrish erklärt seinen „Hip Hop Be Bop“, Strafe performt „Set It Off“ live, ein Sound-Engineer berichtet, wie Marvin Gaye „Sexual Healing“ in seinem Studio aufnahm, und Lil Jon kommt zu dem Schluss, dass „Yeah“ von Usher sein größter 808-Track ist. Meilensteine prallen aneinander. HipHop und die formativen Jahre von House und Techno sind natürlich der Schwerpunkt der Doku, die vor allem deutlich macht, wie die 808 die übrige Popmusik verändert hat. Ohne sie hätten sowohl Public Enemy als auch viele R’n’B-Produktionen der Neunziger komplett
anders geklungen, ganze Genres wären wohl gar nicht erst entstanden.

Obwohl diese Doku technisch am Ende wohl kein Meisterwerk ihrer Gattung ist, bringt sie ihre Message mit ganz viel liebevollem Wumms auf den Punkt. Genau hinhören muss man auch, um die etwas differenzierte Message dieses Films zwischen all der Lobhudelei auf die Technik nicht zu verpassen: Ohne all die Visionäre und Genies wäre diese Maschine niemals das, was sie heute ist. Eine fette Bassdrum macht noch lange keinen revolutionären Track.


Video: 808: The Movie (Official Trailer)

808: The Movie ist ab dem 09. Dezember exklusiv auf Apple Music zu sehen. Der dazugehörige Soundtrack mit Tracks von u.a. 808 State und Felix Da Housecat ist am 25. November erschienen.

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