Die bereits seit einem Vierteljahrhundert bestehende Band Tortoise aus Chicago gehört zur Postrock-Bewegung der Neunziger. Die Rockwelle der Nullerjahre mit den Strokes oder Interpol lag noch in ferner Zukunft, als das Kollektiv aus Chicago seine einflussreichste Zeit hatte. Die Band gehört zu einer Generation von Musikern, die von Rock in allen seinen Ausprägungen genug hatte und den sägenden Gitarren und der menschlichen Stimme einen reichen, organischen, komplexen, freundlichen Sound entgegensetzte. Von Krautrock, Artrock, Dub, Minimal und Jazz inspiriert entwickelten Tortoise komplexe Pattern und überraschende Sequenzwechsel. Den Schritt, die akustischen Instrumente wegzustellen und mit elektronischen Klängen zu arbeiten, machte die Band aber nicht. Noch wichtiger als die klassischen Rockinstrumente Gitarre und Bass war für sie das gemeinsame Musizieren. So wollten sie die Interaktion in der Gruppe nicht durch eine Sequenzer Software ersetzen. The Catastrophist ist ihr erstes Album in sieben Jahren. Die Stücke strahlen eine aufmerksame, konzentrierte Beschaulichkeit aus. Einst wurde das Dahingrooven immer wieder von unwahrscheinlichen Arrangements aufgebrochen. Eine solche Nicht-Antizipierbarkeit interessiert sie heute weniger. Die Komplexitäten und Vertracktheiten entwickeln sich jetzt eher aus dem Fließen des Zusammenspiels und nicht mehr gegen es. Das Vierteljahrhundert, das die Band auf dem Buckel hat, schlägt sich in Form einer angenehmen Weichheit und Gelassenheit nieder. Sogar gesungen wird auf The Catastrophist – zweimal.