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Die Platten der Woche mit Cousin, Das Ende der Liebe x su dance110, DJ ojo, Double O und François K

Cousin – HomeSoon (Mood Hut)

Die Kanadier von Mood Hut haben seit gut einer Dekade einen ziemlich fehlerlosen Lauf hingelegt. Ihre Veröffentlichungen lassen Dance Music immer frisch und neu wirken, ohne dabei gleich experimentell-abstrakt werden zu müssen. Dorthin passt auch die neue EP von Jackson Fester alias Cousin, der bislang mit eigenen Veröffentlichungen auf seinem Label Moonshoe Records für Aufsehen gesorgt hat.

Auf seiner bereits dritten EP in diesem Jahr, HomeSoon, kombiniert er ambiente Texturen, Dub-Techno-Motive und organisch gesamplete Drums. Auf einem Titel wie „Overpass” könnte man glatt meinen, DJ Sports kollaborierte mit Chaos in the CBD. Dann aber steppt auf „3 x a charm” wieder solch ein Sub, dass man sich eher nach Croydon versetzt fühlt. Auf „Muster” scheint schließlich doch der psychedelisch pulsierende Bush-Doof aus Festers Heimat Sydney durch. Der Closer „Citta” stülpt dem sogar noch ein Garage-eskes IDM-Gewand über, um Ideenarmut oder Abwechslung braucht man sich bei Cousin also keine Sorgen machen. Leopold Hutter

Das Ende der Liebe x su dance110 – Mint / Violetta (Anunaki Tabla)

Retro oder Future? Die Kölner-Berliner Band Das Ende der Liebe und der Künstler su dance 110 haben zum Jahresende eine Kassette mit den Tracks „Violetta” und „Mint” veröffentlicht – also retro. „Violetta” startet mit hyperschnellem Drumlauf und reduziert sich nach und nach auf das Wesentliche mit elfengleichen Vocals, verwobenen Percussions und reduzierter Bassline, um dann nach und nach wieder durchzustarten. Zuhörer:innen müssen sich für diese Form ausufernder Musik Zeit nehmen, schneller Konsum ist nicht möglich.

Mint überzeugt mit roughem Brasil-Electro-Wave-Touch, alles „Favela”. Ziemlich future! Beide Stück sind über 15 Minuten lang, komplett in einer Session eingespielt, ohne Probe. Auch auf eine Nachbearbeitung haben Andreas Völkl Das Ende der Liebe und su dance 110 verzichtet. So verschieden die Stücke sind, so eint sie ein roher, ungeschliffener, experimentierfreudiger Sound. Die Herangehensweise der Musiker erinnert an Krautrock. Schon Can, Neu oder Amon Düül spielten live, ließen sich von ihrer Experimentierlust treiben. Liron Klangwart

DJ ojo – oneirec 001 (oneirec)

Mit nur einer bisherigen Veröffentlichung auf Blank Mind ist DJ ojo zwar noch ein recht unbeschriebenes Blatt. Coiled Up, besagte Veröffentlichung, hatte es aber bereits in sich: Düster schwingende Bass- und Techno-Hybride, die beim Hören weitgefächerte Dioramen im Kopf ausklappten.Seine zweite Platte, diesmal auf dem eigenen, oneirec – also traumhaft – genannten Label, steht dem in nichts nach. Sechs in Weite produzierte, tribalistisch swingende Bass-Tunes, die weniger auf die Peaktime denn in die Tiefe des Dancefloors schielen. Die sich dabei dermaßen tief in die subsonischen Bassfrequenzen eingraben, dass Noise-Sprenkel links und rechts emporwirbeln. Experimentalität in hypnotische Rituale gewebt, umhüllt von Schwaden mysteriöser Atmosphäre in einem tiefdunklen Traum. Basser geht’s nicht. Tim Lorenz

Double O – The Love Of Jah (Hidden Hawaii) [Reissue]

Dass diese EP ursprünglich vor zwölf Jahren erschien, könnte insbesondere beim Titeltrack überraschen. Klingt der Produzent David Henry alias Double O doch wie frisch aus den Neunzigern. Was insofern passt, als er damals unter dem Namen 007 auch schon bei Jungle und Drum’n’Bass dabei war. Die Erfahrung nutzt er für eine nostalgische Nummer mit ganz allmählich anrollendem Aufbau und einem Gefühl von Weite, bei dem man sich an die guten alten Zeiten von Goldies Timeless erinnert fühlen mag. Mit „ZZZZZ” verlegt er sich mehr auf Breakbeat ohne allzu große Beschleunigung, dafür mit schön hallend gehauchten Synthesizerakkorden drumherum. Runde Sache. Tim Caspar Boehme

François K. – FK EP (Wave Music)

Als François Kevorkian vor 28 Jahren die FK-EP, seine erste Platte unter eigenem Namen, veröffentlichte, schien die große Karriere eigentlich schon hinter ihm zu liegen. Der gebürtige Franzose kam aus der Disco-Ära und prägte auch noch die New Yorker Clubmusik der Achtzigerjahre. 1975 kam Kevorkian nach New York. Desillusioniert von der französischen Szene wollte der 21-Jährige sich dort als Jazz-Schlagzeuger weiterentwickeln und durchsetzen. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Immerhin bekam er in einem Club namens Galaxy 21 einen Job als Schlagzeuger. Seine Aufgabe: Er sollte Walter Gibbons, der dort als DJ arbeitete, mit den Drums unterstützen. Bald ergab es sich, dass der heute 69-Jährige selbst zu einem gefragten DJ wurde. Geholfen hat ihm dabei sein Talent, das er beim Anfertigen von Tape-Edits zeigte. Einige Zeit später ergatterte Kevorkian den A&R-Posten bei Prelude, einem der erfolgreichsten und prägendsten Clubmusik-Labels der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre. Nachdem Remixe von Kevorkian in der Clubmusikszene vielfach zum Erfolgsgaranten wurden, buchten mehr und mehr Labels aus der Popwelt seine Arbeit. Es begann mit einem Remix für Yazoos „Situation”. In den nächsten Jahren arbeitete er als Mixing Engineer für Kraftwerk, Depeche Mode oder Mick Jagger.

Fast forward in die Neunziger: François Kevorkian ist noch immer Betreiber eines geräumigen und gut ausgestatteten Axis-Studio-Komplexes, der sich in dem Gebäude befindet, wo einst das Studio 54 war. An den Wänden hängen inzwischen jede Menge goldene Schallplatten. Noch hat er lukrative Aufträge wie zum Beispiel von Erasure, aber diese sind rarer geworden. Das New York, für das der Name Kevorkian stand, existiert nicht mehr. Doch dann gründet er mit Wave Music ein House-Label, eine der allerersten Platte ist die FK-EP. Die vier gemeinsam mit Alan Friedman produzierten Tracks machten damals einen ziemlich klassischen New Yorker House-Vibe frisch für die mittleren Neunziger. Insbesondere „Hypnodelic” mit seinen exaltiert in einen Trance-Zustand hinein klagenden Diva-Vocals war ein Hit. Heute funktioniert vermutlich „Mindspeak” am besten. Der Track zitiert so ein bisschen Jamie Principles Achtziger-House-Klassiker „Baby Wants to Ride”. Auf die FK-EP folgte François Kevorkians zweite Karriere, die speziell mit seiner Residency bei Body & Soul verbunden war. Holger Klein

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