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Anti-A100-Aktivist Tobias Trommer: „Es wird Zeit, dass Clubs Verantwortung übernehmen”

Anfang September fand der Demorave „A100 Wegbassen” gegen den Ausbau der Autobahn A100 statt. Die Atmosphäre pendelte zwischen Party und Aktivismus, wie in unserer Reportage zur Protestaktion zu lesen war.

Aber wie stehen die Prostestveteran:innen, die sich zum Teil schon seit einem Jahrzehnt gegen den Autobahnbau einsetzen, zu ihren neuen Unterstützer:innen aus der Clubszene? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat GROOVE-Autorin Charlotte Elsen Tobias Trommer vom Aktionsbündnis A100 stoppen! getroffen

Treffpunkt ist Berlin-Friedrichshain, direkt vor der Renate, einem der fünf Clubs, die vom Bau der A100 gefährdet sind. Tobias Trommer, ein wohl Mitte vierzigjähriger Mann mit Piercings und bunten Haaren, trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug „A100 stoppen”. Im Schatten eines Gebäudes in der Alt-Stralauer Straße beginnt der Musiker und Aktivist über seine Initiative, die den Weiterbau der A100 stoppen will, zu erzählen. Es ist ein heißer Tag, und anstatt durch die Umgebung, die von den Bauplänen betroffen ist, zu spazieren, zeigt Trommer eine Broschüre mit genauem Stadtplan.

Tobias Trommer (Foto: Facebook)
A100-Aktivist Tobias Trommer (Foto: Privat)

Ein Teil der Autobahn wurde bereits gebaut, wie der Plan zeigt. Jenseits der Spree endet die Autobahnbaustelle in Treptow. Trommer und seine Initiative setzen sich zum Ziel, den Weiterbau des 16. Abschnitts zwischen Treptower Park und der Frankfurter Allee in Friedrichshain zu stoppen.

„Wenn es uns als Aktive nicht gegeben hätte, wäre hier schon eine Autobahn”, sagt Trommer und zeigt auf den Markgrafendamm, der vor uns zu sehen ist. Eine Straße am alten Mietshauskomplex, der die Renate beherbergt, vereinzelte Bäume und ein enger Radweg entlang des Bürgersteigs. „Das wäre ein trostloses Zeugnis des Städtebaus”, fügte er hinzu. In diesem Zusammenhang zeigt er auf dem Flyer ein Bild der Autobahn in Schöneberg. Als der A100-Abschnitt dort gebaut wurde, verschwanden ganze Straßenzüge. Heute ist es schwer vorstellbar, dass eine solche Autobahn mitten durch die Stadt gebaut wird und Häuser, Geschäfte, kulturelle Institutionen und Schulen ersetzt.

Trommer deutet auf die alten besprayten Außenmauern des Gebäudes, in dem sich der Club Salon Zur Wilden Renate befindet. „Die Clubs sind nur eine Zwischenlösung”, betont er. Die Gebäude, in denen sich die meisten Clubs befinden, würden aufgrund der Baupläne nicht saniert. Für den Bau der Autobahn würden die meisten abgerissen werden. Andere Orte, wie das ://aboutblank, müssten umdenken, weil sie direkt neben einer Autobahn stehen würden. Beim Stopp des Baus sei aufgrund notwendiger Sanierungen auch von einer Betriebsaufgabe auszugehen.

Trommer ist wichtig, dass die Clubs sich deshalb umso mehr um das solidarische Zusammenleben bemühen müssen und im Einklang mit den Bürger:innen agieren sollen. Damit weist er auf immer wiederkehrende Probleme am Wochenende hin: Lärmbeschwerden, Taxis auf Radwegen, Glasscherben auf Straßen und Spielplätzen und Schmutz vor den Clubs. Trommer sei keinesfalls gegen den Erhalt der Clubs, aber es sei wichtig, dass gemeinsam agiert wird.

Der Berliner Club Salon Zur Wilden Renate gibt es bereits seit 2007.

In diesem Zusammenhang fügt Trommer hinzu, dass die Clubs aktiver werden sollten. Er finde es toll, dass die Clubcommission sich nun auch eigenständig gegen den Weiterbau der Autobahn einsetzt. Vor einigen Jahren lag diese Aufgabe nur bei Trommer und seiner Gruppe, bestehend aus Berliner Aktivist:innen, die sich für eine nachhaltige, menschengerechte und ökologische Stadtentwicklung und Verkehrspolitik einsetzen. „Clubs sollen Verantwortung übernehmen”, unterstreicht Trommer. Es ginge nicht nur darum, am Wochenende Partys zu organisieren. Es brauche auch Putzaktionen und Spendenaufrufe, eine veränderte Mobilitätspolitik sei ohnehin notwendig.

Zur Demo im September hat er ebenso eine gespaltene Meinung. Er betont einerseits, dass seine Initiative mit allen Akteur:innen zusammenarbeitet, die gegen den Bau sind und dabei friedlich und gewaltfrei handeln. So sehe er auch den Protestrave als positiv. Die Demo sorgte für eine überwiegend affirmative Medienpräsenz. Ferner seien Leute, die eher zum Feiern gekommen sind, mit dem Thema in Berührung gekommen. Einen Wermutstropfen gibt es dennoch.

Renate (Foto: Charlotte Elsen)
Das graffitibemalte Gebäude der Renate.

In der Nachbarschaft, die die negativen Auswirkungen durch die Clubs für gewöhnlich toleriert, habe die Demo möglicherweise das Fass zum Überlaufen gebracht. So haben die Anwohner:innen des Berliner Laskerkiezes in einem offenen Brief als Reaktion auf die jüngste Protestaktion „A100 wegbassen” ihre Enttäuschung und Frustration ausgedrückt. Lärm, Dreck, betrunkene Menschen und Urin auf Wegen und an Hauswänden – die Anwohner:innen fragen sich, ob der Protest wirklich dem Umweltschutz und dem Erhalt der Kultur galt.

Renate (Foto: Charlotte Elsen)
Die Renate von außen.

Trommer zeigt auf die Brücke der Eisenbahnüberführung Alt-Stralau. Dort seien die Radwege in einem schlechten Zustand. Vor zehn Jahren wurde der Fußgänger-und Radwegtunnel entfernt, um die Straße für die Autos breiter zu machen. Das ist an dem von Rissen durchzogenen Boden zu erkennen, auf dem der Radweg verläuft. Nun gibt es statt ausreichend Platz für Fußgänger:innen nur noch einen ganz schmalen Weg im Tunnel. Damit unterstreicht er, wie wichtig Verkehrsalternativen im Zusammenhang mit der A100 sind.

Elsenbrücke (Foto: Charlotte Elsen)
Hier gibt es kaum Platz für Fußgänger:innen, wie Trommer betont.

Doch es sollte nicht nur das Dagegen im Vordergrund stehen, sondern vor allem Lösungsvorschläge und Positives. Trommer ist sich nämlich bewusst, dass viele auch auf ein Auto angewiesen sind, weshalb die Debatte nicht nur von einer Seite geführt werden sollte. Als Lösungsmaßnahmen nennt er eine Erweiterung der öffentlichen Verkehrsmittel, verbesserte Fahrradwege und allgemein eine besser durchdachte städtische Infrastruktur.

Bewundernswert ist dabei, wie optimistisch Trommer bis heute ist. Seit über zehn Jahren setzt er sich gegen den Weiterbau der A100 ein, schon 2012 hat er der taz ein Interview zum Thema gegeben. Als Vater von drei Kindern legt er auch zu Hause viel Wert auf Nachhaltigkeit. Seien es sechs Kilometer mit dem Fahrrad zur Schule fahren oder Mülltrennung, eigene Maßnahmen gehören zum Alltag der Familie dazu.

Elsenbrücke (Foto: Charlotte Elsen)
Eine Autobahn mitten in der Stadt ist für Aktivist:innen wie Trommer unvorstellbar.

Es handel sich beim Stopp um einen langwierigen Prozess, jedoch betont Trommer, dass die Verzögerung des Baus zum Teil durch die Gegenbewegungen erklärbar ist, dass seine Arbeit Früchte trägt, auch wenn sie ihr finales Ziel noch nicht erreicht hat. So ist der Protest groß geworden. Es gründen sich immer mehr Initiativen.

Früher mussten Trommer und seine Leute selbst auf die Clubs zugehen, jetzt setzen diese sich eigenständig gegen den Bau ein, wie auch die Demo belegt. Trommers positives Mindset ist auch Resultat von Veränderungen und Meinungsänderungen in der Politik. Auch den Stimmungswechsel in der breiten Gesellschaft gegenüber dem Autobahnbau sieht er als Bestätigung seines Engagements. Also bleibt er überzeugt von seinem Vorhaben und dem Ziel, den Bau der A100 ein für alle Mal zu stoppen. „Es wird wahrscheinlich länger dauern als gedacht, aber ich werde positiv bleiben. Ich werde alles, was ich an Zeit habe, weiter in dieses Projekt investieren.”

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