Edge Slayer – Crack Mix 470 (Crack Magazine)
„I envisioned listening to this in a field right before it gets cold as summer ends with fall’s kiss, (…) Parts of this are a mushroom trip, some parts are a candy flip, and equal parts joy!” – Sommerendstimmung, ein mehr als nahender Herbst und bewusstseinserweiternde Drogencocktails haben Edge Slayers Mix fürs Crack Magazine inspiriert. Hierzulande fragt man sich zwar, wann genau man derzeit noch irgendwo im Gras liegen sollte, die 54 Minuten und 21 Sekunden machen aber dennoch Spaß.
Das hat zwei Gründe: Die Künstlerin aus New Orleans nähert sich dem Set nicht wie eine klassische DJ und beschäftigt sich mit profanen Dingen wie Spannungsaufbau, -kurve oder eleganten Übergängen, sondern mixt auf ziemlich rohe Weise Clubtracks mit Pophits, ohne musikalischen Einheitsbrei anzurühren – rigide ist hier nichts, wirkliche Richtlinien existieren nicht. Den zweiten Grund offenbart ein Blick auf die in der Reihenfolge nicht ganz exakte Tracklist: Egal ob im elektronischen oder im Pop-Bereich, Edge Slayer entscheidet sich ausnahmslos für Nummern, die Spaß machen.
Frankie Knuckles, Kylie Minogue, Opus III, die gecastete 2000er-Girlband Danity Kane und viele weitere sorgen für eingängige Fokuspunkte, Tracks wie Kasper Marotts „Megatu”, das, obwohl in der Tracklist als viertes Stück aufgeführt, erst um Minute 35 läuft, unterfüttern diese mit Tiefgang. Messy geht es zu im „Crack Mix 470”, und obwohl er in Hälfte zwei plötzlich blechern klingt – woran mag das wohl liegen? – hört man anderswo wenig Vergleichbares. Maximilian Fritz
Mojo – songs I would play at panorama bar, afterhour special (Self-Released)
Der neueste Mix von Mojo greift den Vibe einer gelungenen Afterhour auf, es ist ein Set mit dreamy Songs, das dank grooviger Elemente nie an Fahrt verliert. Mojo ist seit geraumer Zeit Teil von Hyperrave, einem Label, das den Sound der Neunziger und Zweitausender zurückbringen möchte. In seinen Mixen versteift sich der Wahlkölner auf kein fixes Genre, sondern lässt neben Acid und House auch Breakbeat, Detroit Techno und Ghettotech mit einfließen – so auch in „songs I would play at panorama bar”.
Den Anfang macht „Earth Plan” von Kribs, ein Track, der durch herzerwärmende Vokals und spacige Synths sofort in den Bann zieht. Es folgen Songs mit funky House-Elementen, die durch ihre verträumte Art eine melancholische Stimmung verbreiten. Gegen Mitte des anderthalbstündigen Sets nimmt Mojo mit einem Gorillaz-Remix von Franco Rossi Fahrt auf. Hypnotisierende Vocals und Drums, die an ein galoppierendes Pferd erinnern, lassen das Herz schneller schlagen. Trotz dieser Temposteigerung verliert das Set nie seine Grundstimmung. Songs von Regent und Kribs halten die hohe Geschwindigkeit am Laufen, bis sich der Mix am Ende mit housigen Tracks vom Trubel erholt und in die entspannte Afterhour schickt. Felix Messmer
Soela – Solitude in the crowded room (Oleeva)
Behutsam fädelt Soela minimalistische Klänge zusammen, um sie ihren Zuhörer:innen entgegenzuhauchen. In ihrem Set findet sich Musik, die sich von jeglichen Mustern zu lösen scheint und genau deshalb für beseelte Seufzer sorgt. Bevor die aus Russland stammende Wahlberlinerin mit 19 zum DJing und Produzieren kam, nahm sie Gesangs- und Klavierunterricht. Später legte sie in Cafés und Restaurants auf – heute steht sie hinter den Decks europäischer Clubs und ziert mit ihrem Namen etliche Festival-Line-ups.
Von diesem Trubel ist auf ihrem Mix für die Podcastreihe Oleeva wenig zu hören. „Solitude in the crowded room” lautet sein treffender Titel. Melancholische Melodien und dynamische Drums taumeln ineinander und heimlich kullern Tränen, die niemand zu bemerken scheint. Dennoch bleibt nicht viel Zeit, um sich in Schwermut zu verlieren. Soela zieht von Track zu Track und sorgt bald für schwungvollen Ambient-House und bezaubernde Trance-Melodik. Kullerten eben noch Tränen über Wangen, sind sie also schnell vergessen. Wencke Riede
Soft Crash – October 11 / 2022 (HÖR)
Während jeden Tag ein perfekt gestylter DJ das grelle Licht des weißen Kachelraums erblickt, kann es zuweilen guttun, sich auf Altbewährtes zu besinnen. Oder noch besser: funktionierende Konzepte zusammenzubringen, um etwas Neues zu erschaffen. So fusionieren Berghain-Resident Phase Fatale und der Disco-beeinflusste DJ und Produzent Pablo Bozzi zum Duo Soft Crash. EBM-Einflüsse, Dark Disco und schaurig-schöne Vocals prallen aufeinander. Die geneigten Hörer:innen werden dazu eingeladen, mit blank polierten Stiefeln und offenem Hemd der blutroten Sonne entgegenzurasen.
Nachdem zur Eröffnung ein Sample aus LDCs gleichnamigem Klassiker in der schwarzen Zone willkommen heißt, lässt die Begrüßung Taten folgen. Remixe von Front-242-, und Tobias-Bernstrup-Tracks folgen auf Schwefelgelb-Produktionen und erinnern an Zeiten, in denen man nietenbesetzte Platform-Boots höchstens beim WGT oder beim M’era Luna sah. Parallel nimmt der Mix unaufhaltsam an Fahrt auf, schwankt zwischen dunkler Ästhetik und sonnigen Disco-Vibes und kulminiert mit „Your Last Everything” in einer Eigenproduktion des Duos, inklusive prominenter Unterstützung von Marie Davidson am Mikrofon. So gut klang Italo Body Music selten! Till Kanis
Telephones – New Massage 021 (Refuge Worldwide)
Für die Neuköllner Plattform Refuge Worldwide begibt sich Telephones ins herbstliche Unterholz der Berliner Wälder. Drei sphärische Ambient-Stücke japanischer Künstler:innen bilden den Auftakt des einstündigen Mixes und beamen uns unmittelbar ins Geäst. Dabei kramt Telephones tief in seiner Plattenkiste: Hajime Mizoguchis „Panorama” und Akira Itos „Essence of Beauty” datieren zum Beispiel auf das Jahr 1986.
Sublim arrangiert folgt ein housiger Part, der sich bis zum Ende durchzieht. Auffallend ist hier Telephones’ zeitlicher Fokus: Abgesehen von Fit Siegels Geniestreich „Carmine” von 2015 und Ajukaja & Andrevskis „Looking For Something That’s Not There” von 2005 stammen fast alle Tracks aus den frühen Neunzigern – wie Aphex Twins erster Release „Analogue Bubblebath” von 1991 oder Sashas „Key To Heaven For A Heavenly Trance (Night Dubbing Mix)” von 1992.
Telephones’ Mix ist zeitlos-schwerelos. Der Norweger kreiert eine Stimmung, in der das Set trotz seines Schwenks hin zum House nie seine beruhigende Sanftheit verliert. Gleichzeitig knistert es angenehm bis zum Ende. Unüberhörbar ist hier ein Kenner am Werk. Ihm bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen und an seinem Knowhow teilzuhaben, ist eine große Freude. Nathanael Stute