Soundwalk am Seanaps 2019 (Foto: Leon Seidel)
Vom 15. bis 18. Oktober verbindet das Seanaps Klangkunst, Installationen und Konzerte mit körperlicher Ertüchtigung in Form von Hörspaziergängen. Das ist natürlich längst nicht alles, was das interdisziplinäre Festival in Leipzig zu leisten vermag. Interessierte, die kein Ticket erworben haben oder nicht vor Ort sein können, haben beispielsweise die Möglichkeit, den mannigfaltigen Programmpunkten mittels Radiolab zu lauschen. Welche Schwierigkeiten die Organisator*innen bei der Planung hatten, ob das üppige Programm des Festivals Besucher*innen eventuell überfordert und wie sich der Sound des Seanaps am besten beschreiben lässt, verriet uns mit Jonas Petry einer der Mitorganisatoren des Festivals im Kurzinterview. Daran angeschlossen findet ihr einen Mix des Mitkurators Maximilian Glass, der ebendiesen Sound abzubilden versucht.
Wie schwer war es für euch als relativ junges Festival, mit der Coronakrise umzugehen? Stand eine Absage im Raum?
Zu Beginn der Coronakrise hatten wir eigentlich schon weite Teile des Festivalformates geplant und bereits erste wichtige Förderzusagen erhalten. Relativ schnell haben wir uns dafür entschieden, das geplante zweitägige Nachtprogramm abzusagen und die Leere der Nachtpielstätte als Freiraum für Soundinstallationen neu zu interpretieren. Uns war bewusst, dass wir bei der Umsetzung dieser Edition unangenehme Kompromisse machen werden, wie etwa unsere Entscheidung, die Live-Performances im Westflügel aufgrund der Hygienevorschriften ohne Besucher*innen zu veranstalten, also nur für die 50 geladenen Gäste, Künstler*innen, Team und Presse zu öffnen. Andererseits hat es uns motiviert, mit der Reduktion zu arbeiten und dem unmittelbaren Wegfallen der typischen Festivalsituation einen kreativen Ideenraum gegenüberzustellen. Eine Absage stand also nie so richtig zur Debatte.
Das Seanaps geht über vier Tage, beginnt jeweils schon mittags und beendet die jeweiligen Tage mit Konzerten. Seht ihr die Gefahr einer Überforderung der Besucher*innen?
Das Programm ist als Impuls gedacht, der sucht, ausprobiert, konzipiert, diskutiert, provoziert und träumt. Das kann für Hörgewohnheiten herausfordernd sein. Die Spielstätten sind alle im Leipziger Westen und fußläufig voneinander entfernt. Ich empfehle einen Festivalspaziergang; mittags zu den Soundinstallationen, nachmittags zur Radiohörstation unter freiem Himmel und Abends entweder dort am Lagerfeuer oder sich Zuhause die Radiokonzerte im Westflügel anhören, die von Nina Guo auf poetische Weise moderiert werden. Am Ende ist es wie bei jedem anderen Festival auch: man kann selbst entscheiden, wie tief man sich in den Festivalrhytmus hineinbegeben möchte.
Ihr verfolgt mit Installationen, Performances, Hörspaziergängen und Panels einen interdisziplinären Ansatz. Empfindet ihr diesen in der aktuellen Zeit als besonders wichtig?
Interdisziplinäre Ansätze sind immer wichtig. Das Festival soll nicht nur eine globale Experimentalmusikszene repräsentieren, sondern sie auch in ihren Zusammenhängen reflektieren und einen nachhaltigen Austausch zwischen allen Beteiligten ermöglichen. Formate wie Klanginstallationen, Hörspaziergänge und radiofone Arbeiten mit in das Programm zu integrieren, erlaubt uns zudem, die Livemusik-Erfahrung außerhalb einer üblichen Konzertsituationen zu denken. Die aktuelle Lage bringt uns natürlich an die Grenzen dessen, was ein Live-Festival in Zeiten einer Pandemie sein kann. Das Interesse an interdisziplinären Verknüpfungen von Formaten macht das Festival bis jetzt aber noch beweglich genug.
Nach der Premiere 2019 geht das Radiolab in diesem Jahr in seine zweite Runde. Was macht das Medium Radio für euch so besonders und welche Möglichkeiten bietet es euch?
Das digitale und analoge Radio schafft einen akusmatischen Freiraum für die Ideen und Interaktionen im Rahmen des Festivals. Während wir uns vor Ort nur begrenzt begegnen können, verleiht das Radio dem Festival eine alternative imaginäre Öffentlichkeit. Dieses Jahr haben wir für unseren Radio-Livestream über acht verschiedene Kooperationen mit Radios aus Polen (Kapitał), Barcelona (TeslaFM), Brüssel (Panik), Halle (Corax), Helsinki und Tallinn (IDA), Berlin (Cashmere) und Leipzig (Sphere, Blau). Ohne Festivalradio hätte es dieses Jahr wohl kein Seanaps gegeben.
Der Festival-Mix, den Maximilian Glass [Mitinitiator und -kurator des Festivals, d.Red.] aufgenommen hat, bildet ein großes musikalisches Spektrum ab. Wie würdet ihr das künstlerische Programm des Seanaps am besten auf einen Nenner bringen?
Die künstlerischen Positionen bilden zusammen einen fluiden Kreis, den wir gerne als neugierig beschreiben. Jede Position verknüpft sich mit einer Dynamik, die nach den ungehörten Rändern vergangener, bestehender und zukünftiger musikalischer Landschaften sucht.
Stream: Seanaps Festival 2020 Mix by Maximilian Glass