Naturklang – Das Team (Foto: Cyrill Matter)

Partys mit bis zu 1000 Gästen, bei denen keine Maskenpflicht auf der Tanzfläche herrscht. Was in Deutschland bisher noch schwer vorstellbar ist, ist in der Schweiz seit einigen Monaten möglich. Der Zürcher Veranstalter Naturklang, der seit 2012 Partys in der gesamten Schweiz organisiert, hat sich bisher durch außergewöhnliche Orte, ein nachhaltiges Konzept und große Bookings wie Dixon, Palms Trax und DJ Tennis einen Namen gemacht. Dieses Jahr erregte er besonders durch seine Open Airs im Corona-Kontext Aufsehen. Seit dem landesweiten Lockdown im März fanden unter Naturklang-Regie neun Open Airs in der Schweiz statt, bei denen sich niemand mit dem Coronavirus infiziert hat.

Gründer und Geschäftsführer Felix Maximilian Ruoff erklärt unserem Autor Philipp Thull im Interview die Unterschiede zur deutschen Clublandschaft, was die Partys von Naturklang so besonders macht und wie es das Kollektiv geschafft hat, trotz hoher Teilnehmerzahl alle Gäste ohne Covid-19 nach Hause zu entlassen.


Eure Veranstaltungen sind bisher von Infektionen verschont geblieben. Was ist bei euch anders? 

Ich denke, es kommt dabei vor allem auf ein gesundes Mittelmaß an. Unsere Events sind weder zu groß noch zu klein und finden quer über die gesamte Schweiz verteilt statt. Mal tanzen wir barfuß am Zürichsee. Ein anderes Mal tanzen wir unbeschwert auf 2800 Höhenmetern in Davos. Daneben achten wir ziemlich genau auf die Einhaltung der Schutzmaßnahmen. Bisher war unser größter Feind immer das Wetter. Durch
die Covid-19 Situation ist das Ganze natürlich viel komplexer geworden. Nicht mal im Entferntesten hätten wir gedacht, den Sommer so entspannt ausklingen lassen zu können. Wir sind da mehr als froh, die Herausforderungen nicht nur angenommen, sondern sie auch bestanden zu haben.

Naturklang - The Lagoon
Naturklang – The Lagoon (Foto: Rafael dos Santos)

In Berlin ist es Pflicht, auf der Tanzfläche eine Maske zu tragen. Wie sehen eure Schutzmaßnahmen aus? 

Bei einer Teilnehmerzahl von 1000 Leuten müssen wir das Publikum in vier Zonen aufteilen. Innerhalb dieser Zonen dürfen die Gäste dann ohne Masken tanzen. Außerhalb der Tanzfläche gilt das Maskengebot, dessen Einhaltung von unserer Security ziemlich genau überprüft wird. Es kommt aber eher selten vor, dass wir unsere Community darauf aufmerksam machen müssen. Man ist sich der Eigenverantwortung bewusst, was vielleicht aber auch am Alter liegt.

Das Mindestalter für eure Veranstaltungen liegt bei 23. Ist das üblich in der Schweiz oder etwas, was euch wichtig ist?

Die Schweizer Policy ist der Deutschen ziemlich ähnlich, mit Beginn der Volljährigkeit darf also jeder in jeden Club. Uns geht’s vor allem darum, den Austausch mit unserer Community zu wahren. Bei uns läuft kein EDM, wir verkaufen keine günstigen Energy Drinks mit Ecstasy und es gibt auch kein Rumgrölen auf dem Dancefloor. Und es gibt da draußen einige Leute, die das erst mit weit über 20 Jahren verstehen. Wir sind mit unserer Feiergemeinde nicht nur über die Jahre hinweg zusammengewachsen, sondern auch gemeinsam älter geworden. Man teilt eine ganz ähnliche Lebenseinstellung und Leidenschaft für Natur und Musik. Ruhigere Sets sind bei uns keine Seltenheit. Raven für Erwachsene eben.

Die Infektionszahlen steigen auch in der Schweiz zurzeit stetig und sind nicht vergleichbar mit den Infektionen während eurer bisherigen Veranstaltungen. Wie bereitet ihr euch darauf vor? Befürchtet ihr, dass eure Veranstaltungen davon betroffen sein werden?

Naturklang - Im Park by Hamid Reza Khoshmanzar
Naturklang – Im Park (Foto: Hamid Reza Khoshmanzar)

Es stimmt, dass wir hier in der Schweiz einen Anstieg der Infektionen hatten. Bisher war nur eines von insgesamt zehn Großevents mit 1000 Personen von einer Absage betroffen. Wir haben alle erforderlichen Schutzmaßnahmen wie Sektoren, Abstandsmarkierungen und getrennte Laufwege getroffen und haben uns den strengen Regeln gebeugt. Das ist alles andere als einfach und hat richtig Nerven und Geld gekostet. Aber wir haben uns einfach gesagt: „Koste es, was es wolle, auch wenn wir mal nichts verdienen.” Das sind wir unserer Community schuldig.

Gesellschaften treiben irgendwie immer mehr auseinander. Umso wichtiger ist es, Gemeinsamkeiten zu entdecken und die Zeit irgendwie zusammen zu überstehen. Verantwortliches Handeln in Zeiten von Corona muss da aber klar an oberster Stelle stehen. Nach dem hemmungslosen Rave sollte ich nicht als allererstes meinen Großeltern in die Arme fallen.

Was passiert mit den gekauften Tickets, wenn doch mal eine Veranstaltung abgesagt wird?

Bisher haben wir nur eines von zehn Events absagen müssen, da uns in letzter Sekunde der Stecker gezogen wurde. Dieses wird nun auf nächsten Sommer verschoben und hinsichtlich der Kapazität verdoppelt. Wir heben auch nochmal die Qualität des Line-ups an, und alle Tickets behalten ihre Gültigkeit. Wir werden hier in der Schweiz sehr unterstützt. Von unseren Gästen, Fans und von unserer Community.

Felix Maximilian Ruoff (Foto: Hamid Reza Khoshmanzar)

Wie ist Naturklang eigentlich entstanden?

2012 haben wir mit einer kleinen Soundanlage unter einer Autobahnbrücke unseren ersten Rave veranstaltet. Danach war uns klar, dass ein Open Air in freier Wildbahn eine Indoor-Sause hoffnungslos in den Schatten stellt, und wir fingen an, uns erst einmal in einfacherer Form zu beweisen. Später machten wir uns mit Shows in Europa oder in der Wüste Nevadas einen Namen. Inzwischen hat die schnöde Soundanlage ausgedient und ist einer schicken Lambda-Labs-PA gewichen. 

Was unterscheidet eure Veranstaltungen von anderen? Was macht sie besonders?

Bei uns wird, wenn möglich, kein Plastik verwendet. Wir geben auch keine Unsummen für hässliche Deko aus, die anschließend wieder entsorgt werden kann. Naturklang spiegelt zu hundert Prozent unsere Ansichten und Werte wider. Von großen Sponsoren sehen wir generell ab, aus einem ziemlich einfachen Grund. Wir wollen die natürliche Kulisse nicht stören und uns schon gar nicht reinreden lassen. Ich glaube bis heute, dass diese Unabhängigkeit uns so stark gemacht hat. Eine Partnerschaft entwickelt sich vollkommen natürlich und immer aus der Überzeugung heraus. Besonders glücklich macht uns aktuell die Partnerschaft mit dem Hive Club, die bestens zu unserem kunterbunten Label passt. In letzter Zeit gehen wir aber auch einige Kooperationen mit der Zukunfts-Crew ein, die wohl derzeit mit die qualitativ hochwertigsten Bookings der Schweiz macht. Club-Partnerschaften sind aber nicht unser Hauptthema. Das bleiben nach wie vor unsere OFF-Locations. Wir freuen uns zum Beispiel auf die Jatzhütte, die sich auf dem 2530 Meter gelegenen Jakobshorn befindet, und deren Bergbahnen, wo in den nächsten Jahren einiges entstehen wird.

Naturklang - The Mountain by Rafael dos Santos
Naturklang – The Mountain (Foto: Rafael dos Santos)

Ich habe gelesen, dass ihr auch in den Wintermonaten Veranstaltungen plant. Was habt ihr euch für den Winter überlegt? 

Wir arbeiten derzeit mit einigen coolen OFF-Locations zusammen. Letztes Jahr gab es bereits im Siler Landesmuseum unter anderem mit Monolink und Kerala Dust eine Veranstaltung. Daneben startet die Hive-Session im Oktober. Wir blicken somit relativ entspannt und zuversichtlich in die Zukunft. Indoor-Events sind derzeit weit schwieriger durchzuführen. Ich denke eher, wir werden nochmal das Matterhorn erklimmen, ein paar hidden Events mit der Crew anpeilen und uns voll auf den Frühsommer 2021 fokussieren.

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