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Rekpop

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Matt Edwards muss ein Wahnsinniger sein. Der Mann hat fast so viele Pseudonyme, wie es Werktage gibt: Matthew E, Radio Slave, Quiet Village, Sea Devils und Rekpop. Anders scheint er seine Produktivität wohl kaum in geregelte Bahnen lenken zu können. Das bekannteste davon ist wohl Radio Slave, das der Edit- und Mash-Up-Kultur huldigt. Sea Devils ist sein Pop-Projekt, Matthew E der Stoff, aus dem die Samstagnächte sind, und zusammen mit Joel Martin alias DJ Zeus ist er Quiet Village. Das ist der neueste und feuchteste balearische Disco-not-Disco-Hipstertraum auf dem Label der künstlichen Verknappung, Whatever We Want Records. Dessen Lorbeeren teilt er sich mit Map Of Africa von DJ Harvey. Und dann gibt es eben noch sein Pseudonym Rekpop. Das hat auf eine gewisse Art und Weise von all seinen Aktivitäten am meisten mit Quiet Village gemeinsam.
War sein Debüt unter diesem Namen für Classic noch recht konventioneller, aber schon hypnotisierender Zeitlupen-House, bei dem sich eingefleischte Fans des Labels sehr über das Tempo wundern mussten, wies die Nachfolge-Maxi auf dem Londoner Label Soul Jazz, das sonst nun eher für seine archäologischen Tätigkeiten in den Bereichen Funk, Soul, New Wave und Reggae bekannt ist, schon in die eigentlich angepeilte Richtung.
House ist für sein aktuelles Rekpop-Album, das nun ebendort erscheint, eigentlich ein viel zu enger und unzureichender Begriff. Viel eher geht es hier um die weitere Abstraktion des Gefühls oder der popee von House, wie sie in den letzten Jahren von Leuten wie Herbert, Thomas Melchior oder Swayzak betrieben wurde. Mit Rekpop wird sich das wohl ändern. Die 14 Stücke taumeln zwischen Ambient-Landschaften, Balearic-Goth (falls so etwas existieren sollte), dem daraus resultierenden, viel dunkleren Quiet-Village-Gefühl und eben diesem abgebremsten, fast schon paralysierten 110-BPM-Housetakt hin und her. Gäbe es den Begriff Ketamin-House nicht schon an anderer Stelle, hier wäre er angebracht. Stücke wie „Retro Active“ oder „Klaws“ speisen sich aus einer gewissen Kälte, die man vielleicht noch am ehesten bei Autechre, manchen Bluetrain- oder Mosaic-Platten findet. Dazu gibt es gewandt deponierte Gegensätze. Die bestehen aber keinesfalls aus fröhlichen Melodien, sondern eher aus Sounds und Stimmungen, die auch bei Adrian Sherwood und seinem On-U-Imperium Verwendung gefunden hätten.
Selbst nach mehrmaligem Hören fällt es schwer, Rekpop in seiner Ganzheit zu ermessen. Ist der letzte Ton verklungen, wird man das Gefühl nicht los, gerade aus einem Rauschzustand erwacht zu sein. Hab ich schon das Wort Klaustrophobie verwendet? Vielleicht ist Rekpop für House-Musik heute das, was Motorbass vor zehn Jahren mit „Pansoul“ ausgelöst haben. Eine Zeitenwende.

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