Am letzten Mittwoch wurde in einem Industriegelände in Nauen ein Labor zur Herstellung synthetischer Drogen in bisher unbekanntem Ausmaß ausgehoben, in dem unter anderem die neuen Partydrogen 3-CMC und 4-CMC, die als synthetische Cathinone mit Mephedron verwandt sind.
Im Interview mit der Groove äußern sich zwei Mitarbeiter des Berlin-Brandenburger Zollfahndungsamts zum aktuellen Stand der Ermittlungen. Wir konnten Einsatzleiter Henner Grote und Pressesprecher Christian Lanninger in den Dienststelle in Berlin-Tempelhof besuchen.
Wie ist die klassische Vorgehensweise bei der Identifizierung eines solchen Drogenlabors?
Grote: Wir erhielten im Mai diesen Jahres einen Hinweis auf ein Drogenlabor in Brandenburg. Seinen Standort kannten wir aber noch nicht. So haben wir uns langsam ans Drogenlabor rangerobbt. Beweise haben sich verdichtet, am letzten Wochenende waren wir uns sicher, dass sich dort in Nauen ein Labor befindet.
Also lag etwa ein halbes Jahr zwischen dem ersten Hinweis und der schlussendlichen Entdeckung. Ist das normal, dass das so lange dauert?
Grote: Das ist ein normaler Zeitraum, aber kein besonders langer Zeitraum, es gibt durchaus Verfahren, die deutlich länger gehen und solche, die kürzer dauern. Ein halbes Jahr ist relativ häufig bei uns.
Was haben sie vor Ort vorgefunden, waren noch Menschen im Labor oder in der Nähe?
Grote: Die Menschen, die dort arbeiteten, waren in der Nähe des Labors untergebracht. Das sind die beiden Festnahmen. Das Labor selbst war kein wissenschaftliches Labor, sondern ein illegal betriebenes Labor mit den entsprechenden Vorrichtungen. Und natürlich ist bei solchen Laboren die Müllentsorgung immer ein Problem. Da werden keine Standards eingehalten, wie man das zum Beispiel an der Uni sieht, mit Reagenzgläsern und so weiter.
Waren Anwohner:innen gefährdet, etwa durch austretende Stoffe?
Grote: Nach unserem Kenntnisstand gab es kein Risiko für die Anwohner. Für unsere Einsatzkräfte war das Labor aber sehr gefährlich. Wir sind mittlerweile seit einer Woche damit beschäftigt, alles abzubauen. Wir haben schon etwa zehn Container mit Abfallchemikalien befüllt.
Die Dimension des Fundes deutet ja darauf hin, dass dahinter eine größere Struktur steckt. Das ist ja kein Projekt, was zwei Freunde mal aushecken, nach dem Motto: „Komm, lass uns mal ein paar Drogen kochen.”
Grote: Schwer vorstellbar, schwer vorstellbar. (lacht) Nein, da wird es eine Täterstruktur dahinter geben, das ist jetzt Aufgabe der Staatsanwaltschaft Frankfurt/ Oder das zu ermitteln.
Denken Sie, dass der Standort Nauen mit seiner unmittelbaren Nähe zu Berlin eine Rolle spielen könnte?
Grote: Das glaub ich schon, Berlin ist ein Hotspot für Partydrogen, da ist die Nähe logistisch günstig und der Standort in Nauen aus Tätersicht womöglich auch. Und die Mieten sind günstiger.
Viele chemische Drogen auf dem deutschen Markt stammen aus Osteuropa. Ist das ausgehobene Labor ein Hinweis auf eine Verlagerung der Produktion ins Inland?
Grote: An so eine Verschiebung glaube ich im Moment nicht. Von Tschechien in die Niederlande vielleicht, das mag im Crystal-Bereich so sein. Aber die Drogen, die wir sichergestellt haben, sind ja noch relativ neu auf dem Markt. Da gibt es überall Labore. Zweifellos ist es aber das erste Labor in dieser Größenordnung, das wir entdeckt haben. Zumindest in unserem Zuständigkeitsbereich.
Und wie sieht die Distribution von so einem Standort aus, wie gelangen die Drogen an den:die Endkonsument:in?
Grote: Das wird dann meistens Kiloweise verschickt, da geht jetzt keiner zum Labor und kauft sich ein Gramm.
Schließlich gehe ich ja auch nicht ins DHL-Verteilerzentrum und hole da mein Paket ab.
Grote: Genau, das geht dann von dort zu den Dealern und landet dann beim Endkonsumenten.
Lässt sich über die Herstellungsbedingungen etwas sagen?
Grote: Das wird jetzt alles chemisch untersucht. Die Stoffe werden zerlegt, dann kann man sagen, was da alles drin ist. Aber da sind wir noch ganz am Anfang, wir haben noch nicht mal den Tatort geräumt.
Lanninger: Allein wie der Tatort aussah, da herrschten katastrophale hygienische Bedingungen, da wird nicht antiseptisch gearbeitet. Die Wannen standen offen herum, ob da jetzt Tiere drüber gelaufen oder ob die Chemikalien mit Staub und Dreck in Kontakt gekommen sind – das ist alles denkbar.
Ist das ein Unterschied zu anderen, kleineren Laboren oder werden sie tagtäglich mit solchen Bedingungen konfrontiert?
Grote: Ja, das ist der Alltag bei solchen Laboren, in denen 3-CMC und 4-CMC hergestellt werden.
Wie Sie ja schon gesagt haben, handelt es sich dabei um eine relativ neue Partydroge. Würden Sie pauschal sagen, dass die Herstellung dieser neuartigen Drogen zunimmt?
Grote: Ich kann das nur bundesweit beurteilen, aber da hat es in den letzten Jahren stark zugenommen.
Zum Schluss: wie stehen sie grundsätzlichen Präventivmaßnahmen oder Entkriminalisierung gegenüber?
Grote: Das ist gar nicht unsere Spielwiese. Es ist gut, dass es Prävention gibt, überhaupt keine Frage, aber das ist eine andere Baustelle.
Aber stellt man sich als unmittelbar Beteiligter nicht schonmal die Frage, gerade wenn man mitbekommt, dass scheinbar, wenn man der Hydra einen Kopf abschlägt, drei nachwachsen. Wäre es da nicht besser, durch Entkriminalisierung den Konsum sicherer zu gestalten?
Grote: Wir als Strafverfolgungsbehörde müssen Neutralität wahren, wir haben unsere privaten Meinungen dazu, aber die besprechen wir lieber, wenn das Handy aus ist.