Die ACE Hotels richten sich mit ihrem Fokus auf Design, Kunst und Musik an ein urbanes, kulturaffines Publikum. Das im Sommer 2024 eröffnete ACE Athen nimmt mit seinen monatlichen Eventreihen in Kollaboration mit den Plisskën – und EDEN-Veranstalter:innen mit Gästen wie Avalon Emerson oder Midland diesen Faden auf.
Da passte es nur gut, dass das Plisskën-Festival am selben Wochenende stattfand wie unser Besuch. Seit nunmehr 15 Jahren ist es ein Fixpunkt für alle, die sich auf dem Spektrum zwischen Indie und ruchloser Clubmusik bewegen. Die monatliche Odyssey-Reihe im ACE markierte die Afterparty des Festivals.
GROOVE-Autorin Lea Jessen war vor Ort, hat Leder- mit Leinenhosen und karge Industriemauern mit makellosen Poolfliesen verglichen und sich gefragt, wie das housige Nachtleben im Hotelzusammenhang funkioniert.
Ich befinde mich nur noch wenige Meter über der gleißenden Landebahn des Flughafens von Athen. Der Flugbegleiter, der mich netterweise durch meine Kater-Misere begleitet, die ich aus Berlin mitgeschleppt habe, schwärmt vom an diesem Wochenende stattfindenden Plisskën-Festival, als ich ihm von meinem Job als Musikjournalistin erzähle. Ich verspreche ihm daraufhin, das Festival nüchtern zu besuchen, bevor ich mich verabschiede und aus dem Flugzeug steige.
Am Terminal angekommen, versuche ich mir einen Weg durch eine kreischende Mittvierziger-Reisegruppe à la Sekt-Gabis mit scheinbar nie leer werdenden Hartplastik-Gläsern sowie endlose Reihen von Anzugträgern mit wichtigen Terminen an den Ohrmuscheln zu bahnen, bis ich meinen Namen auf einem der vielen Handy-Bildschirme sehe und mir der halbstündige Weg ins Hotel gewiss ist.
ACE Hotel
Strahlend weiß ragt das brutalistische ACE inmitten der Hotellandschaft an der griechischen Riviera empor. Mit schief gelegtem Kopf schaue ich mir die bepflanzten Balkone an. Das hier hat wenig mit Berliner Brutalismus zu tun. Weniger Berghain, weniger Kraftwerk, weniger Schwere. Stattdessen eine Inneneinrichtung, die eher den Hochglanzseiten von Architekturzeitschriften entspringt. Die Lobby glänzt, die dekorativen Bücher auf den Tischen scheinen unberührt – genauso wie die DJ Booth auf der noch geschlossenen Dachterrasse. Die Räumlichkeiten feiern in diesem Sommer ihr fast einjähriges Bestehen.

Nachdem ich mir, natürlich mit verschränkten Händen hinter dem Rücken, Kunst und Architektur des ACE wie bei einem bedächtigen Museumsrundgang angesehen habe, folgt der obligatorische Bus-Trip ins 30 Minuten entfernte Zentrum von Athen. Das Plisskën-Festival-Ticket löst sich schließlich nicht von selbst ein.
Plisskën-Festival
In der mit Graffiti übersäten Bahn bewegen sich streng geschnittene Sonnenbrillen, schwarzledrige Röcke und geflochtene Zöpfe gemeinsam mit mir in ein Industriegebiet unweit des Zentrums. An der Haltestelle verliere ich sie allerdings aus den Augen und muss mir meinen Weg zum Gelände mühsam ergooglen. Die Location des Peiraios 260, ein ehemaliges Industriegebäude, erinnert an das Good2U-Festival in Görlitz.

Ich halte mich brav an das mir selbst auferlegte Alkoholverbot und teile mir die Sitzecke schließlich mit zwei schweigenden Boomer-Pärchen, damit ich das Geschehen erst einmal aus sicherer Entfernung beobachten kann. Die Mainstage befindet sich im großen Innenhof zwischen den hohen Industriemauern der umliegenden Gebäude. Es herrscht noch zehn Minuten Ruhe und dann, pünktlich um 19.45 Uhr, eröffnet Selofan die Mainstage. Vor ihr tummeln sich schon etwa 100 Gäst:innen, manche bringen ihr Bier in umklammerten Bechern die ersten Takte unsicher zum Wackeln.

Ich habe bei Selofan sofort den Drang, einer Freundin zu schreiben, wie punkig, traurig, rockig und schön zugleich diese Performance doch ist und dass sie diese sehr abgespacete Lady Gaga, die griechische und deutsche Songtexte im Achtziger-Jahre-Stil zum Besten gibt, einfach nur lieben würde. Die erfrischende Extravaganz endet viel zu schnell, und als das Festival-Logo auf der Bühne das Zeichen zum Pausieren gibt, breche ich lieber auf, um den soeben eröffneten Indoor-Floor zu erkunden.
Mit Sci-Fi und breaky Tech-House von RNO und IMVLSIV lässt es sich hier gut aushalten, in den vorderen Teil des kleineren Raumes traut sich aufgrund der geringen Besucher:innenanzahl allerdings noch niemand. Ich bin auf eine angenehme Art überrascht, wie jung und alternativ mir das Publikum und die Szene erscheinen. Die Augen muss ich nur kurz wegen der übermäßig engagierten Foto- und Videograf:innen und dem parallel dazu laufenden Livestream verdrehen.

Um 21 Uhr eröffnet der sogenannte Tunnel. Wobei der Name etwas irreführend ist, denn ich stehe in einer riesigen, quadratischen Halle im Mainstage-Charakter. Der Boden vibriert unter der noch in Maßen dosierten Techno-Kick von Chloe Robinson. An der Lichttechnik wurde an diesem frühen Abend jedoch wenig gespart. Die Stimmung wirkt wie ein Warm-up für heute Nacht, wenn KI/KI, Daria Kolosova und Brutalismus 3000 die großen Bühnen bespielen. Ich muss mich jedoch meiner Müdigkeit und den Strapazen der Reise beugen und mache mich gen Hotel auf.
Odyssey im ACE
Offiziell wird die monatlich stattfindende Odyssey als Afterparty des Plisskën beworben. Das Programm entsteht dabei in Zusammenarbeit und wechselnder Organisation zwischen den Teams von Plisskën und Eden. Die Veranstaltungsreihen des Eden sind in Athen bekannt für sonntägliche Events im Konservatorium oder an Outdoor-Locations wie dem Lycabettus Hill. Das Line-up ist international, zu den Künstler:innen gehören Héctor Oaks, Avalon Emerson oder Modeselektor.
Sofia Theiakouli ist die Kulturprogrammplanerin des Hotels und erzählt mir am Mittag bei griechischem Salat, dass sie in ihrer Londoner Zeit regelmäßig Partys im dortigen ACE besucht hat. Neben den Partys möchte das Hotel hier auch andere Formate wie Wellness in die Veranstaltungen inkludieren, den Raum also für weitaus mehr nutzen als das, was er momentan noch ist. Ein Hotel könnte eben auch ein internationaler Treffpunkt sein; eine Möglichkeit, Community zu schaffen. Wie Wellness, Pools und Sets namhafter DJs ein ganzheitliches Konzept ergeben sollen, kann ich mir noch nicht ganz vorstellen – umso gespannter blicke ich aber dem Abend entgegen.
Um 18 Uhr dringen die ersten House-Töne durch meine Fensterscheiben im zweiten Stock. Ich sehe Enrica Falqui unter dem Sonnensegel am Pool in ihrem Plattenkoffer wühlen und mache mich auf den Weg Richtung Pooplparty. Es sind hauptsächlich Millenial-Frauengruppen, die sich noch gediegen auf den Liegen entspannen und noch nicht zum Tanzen durchringen können. Die Liegen leeren sich zwar, die Tanzfläche füllt sich jedoch nicht, obwohl ich einige der Track-IDs in meiner Shazam Liste speichere und, wichtig, wie eine Kennerin mit dem Kopf zum beständigen Viervierteltakt nicke.

Dem All-Inclusive-Bild, das mir die Stimmung vermittelt, tun auch die externen Besuchenden keinen Abbruch, die langsam in den Außenbereich eintrudeln. Erwähnenswert finde ich ein rotes Abendkleid, etliche High Heels und einige Hawaii- und andere spaßig bedruckte Urlaubshosen. Ich persönlich bevorzuge das klassische schwarze One-Shoulder-Top zur schwarzen Dreiviertelhose. Den Urlaubs-Kick lasse ich mir allerdings nicht nehmen: Schwarze Flip-Flops müssen es heute sein.
Es wird sich vorerst an der Bar vergnügt, die griechische Sonne bereitet den Leuten wohl Angst, sich die Füße zu verbrennen, sollten sie sich als erste auf die Tanzfläche wagen. Aber irgendjemand muss schließlich den Anfang machen. Der heutige Main-Act ist der britische Producer & DJ Midland, der 2017 mit „Final Credits” seinen Durchbruch hatte und sich noch mit ein paar Leuten nahe der Szenerie unterhält, während er auf seinen Einsatz wartet.
Bei einbrechender Dunkelheit und rotierenden Clubleuchten beginnt Midland sein Set. Nun lockern sich einige steife Kniescheiben, und der ein oder andere Drink und vorsichtige Tanzschritte wärmen die Beine an. Den Outfit-Triumph feiert für mich persönlich ein Mann mit einem T-Shirt, auf dem „Let Yourself Go” steht. Auch die wenigen älteren Leute nehmen das Zitat wörtlich. Zwei Seniorinnen stecken das imaginäre Viereck um den Rand des Pools mit seitlichen Sprüngen ab. Das hier ist gewiss keine klassische Clubnacht mit ihrem ewig an der Nacht heftenden, schwarz gekleideten Feierschwarm. Der große Pool und die edel geschwungenen Bars lassen sich nicht in schmierige Clubwände oder eine Outdoor-Location im Wald verwandeln. Die elegante Szenerie und die House-Harmonien sorgen trotzdem für eine ausgelassene Stimmung, die die Feiernden wie intergenerationaler Kleber verbindet.

Gegen Ende dieses Unterhaltungsprogramms haben sich die meisten wohl schon wieder in ihre Zimmer aufgemacht, in der Crowd klaffen Lücken. Um 23 Uhr ist die Sause schon vorbei, man muss schließlich seinen Schlaf finden, um Hotelrituale wie das Buffett am Morgen vollständig ausreizen zu können. Den Closing-Track „These Boots Are Made for Walking” in der Supremes-Version spielt Midland zu Ehren einer Gästin und ihrer 81-Jährigen Mutter und deren Freundin – nach fünf durchtanzten Stunden; wohl ebenjene Frauen, die zuvor um den Pool gehüpft waren.

Berlin begrüßt mich am nächsten Tag hämisch mit einem regennassen Rollfeld, das meine Flip-Flop-Erinnerungen sofort gnadenlos ausradiert. Vielleicht liegt in diesem Sinnbild nun die eigentliche Pointe: dass Kontraste in Athen nicht störend, sondern verbindend gewirkt haben – und dass sie genau deshalb so gut funktionieren.