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Motherboard: März 2025

Das Albumdebüt Après coup (Tonal Union, 21. Februar) der kanadischen Pianistin Laurie Torres findet einen verwandten Ausdruck wie Moriokas und Kokubos, obwohl es aus gänzlich anderen Zusammenhängen gestartet ist. Für Torres sind Postrock, Jazz und R’n’B die Impulsgeber, die mit Field Recordings unterfüttert sowie einer zurückhaltenden Begleitung in klassischer Jazz-Trio-Besetzung zu einer modernen Form von Ambient finden. Starker Ausdruck, in Stille hinein sublimiert. Eine extrem verfeinerte analog-akustische Klangwelt, die nichts beweisen muss und kraftprotzende Virtuosität so wenig nötig hat wie oberflächliche Emotionalität. In der Tiefe liegt hier die Kraft.

Was ein Piano alles kann. Zum Beispiel die komplexen bis harschen digitalen Soundscapes der in Großbritannien lebenden türkischen Produzentin Elif Yalvaç in sonisch wärmere Gefilde zu transportieren, ohne deren Stringenz zu kompromittieren. In diesem Fall gelingt das dem Londoner Pianisten und Labelbetreiber Çağrı Tozluoğlu alias Philamelian. Die knappe, aber intensive EP Sediments (Timbreworks Records, 31. Januar) nimmt Philamelians Improvisationen am Klavier als Basis für die digitale Live-Prozessierung von Yalvaç. Ein einfaches Konzept, ein minimales Setup, das doch maximal inspirierte Ergebnisse liefert.

Die Schweizer Elektronikerin Noémi Büchi beeindruckte bisher vor allem durch plattentektonisch kollidierende, knarzende Klangkonstruktionen von petrifizierter Dichte in geophysikalischer Massivität. Die erstaunliche EP Liquid Bones (-OUS 14. Februar) öffnet die Langsamkeit und Schwere zumindest graduell, mit perlendem Piano, polternden Beats und gehauchten Vocals von Joséphine de Weck. Die neue Leichtigkeit der Dinge ist das noch nicht ganz, aber doch ein deutlicher Schritt weg von der steinernen Welt abweisender Erhabenheit hin zu etwas Organischem, körperlich Nahem, Fleisch und Knochen.

„Herts”, das ist der Kriegertanz der Kosaken, ein trotzig-höhnischer Todestanz im Angesicht der Übermacht des Feindes. Eine leider zu gut passende Metapher für die Verzweiflung, aber auch den Willen zum Widerstand ukrainischer Künstler:innen angesichts ihrer Ohnmacht gegenüber Gewalt und Zerstörung. Dass Musik dennoch etwas bewirken kann, dafür stehen Cluster Lizard, das nach Berlin exilierte Duo aus Dmytro Fedorenko und Kateryna Zavoloka, dafür steht das Album Herts (Prostir, 28. Januar), in dem Field Recordings der umkämpften Schauplätze in der Ukraine nahtlos in Dark Ambient, Post-Industrial und düsteren Techno-Sounds aufgehen. Ein dringlicher, aber keineswegs aggressiver Appell an die Menschlichkeit. Kunst ist nie vergeblich.

Des Winters noch nicht überdrüssig? Jacob Kirkegaard hilft mit Ambient, wenn eisig der Polarwind pfeift. Als psychoakustischer Quasi-Soundtrack zu einer gescheiterten Nordpol-Expedition führt Snowblind (The Helen Scarsdale Agency, 24. Januar) auf einen gnadenlos existenziellen Trip in die unwirtliche Kälte und Leere arktischer Dunkelheit. Doch ganz ist die Hoffnung nicht verloren, es finden sich Reste harmonischer Humanität, Reste von Schönheit in der harschen Schneewelt. Kirkegaard wurde mit Feldaufnahmen außergewöhnlicher Orte bekannt, etwa isländischer Geysire, leerer Räume in der verbotenen Zone von Tschernobyl oder der otoakustischen Klänge des Innenohrs. Diese ernste Klangforschung informiert auch Snowblind, endet aber nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst eines erzählenden Dark-Ambient-Albums.

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