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Luca Musto: Eine Pause von der digitalen Welt

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Groovige Downtempo-Musik und markante, minimalistische Akzente, die zum Tanzen animieren. Mit einer Affinität zu langsamen rhythmischen Klangoasen hat sich Luca Musto in der elektronischen Musikszene Berlins etabliert. In seiner Musik und bei Auftritten in Clubs wie dem KaterBlau oder dem Bahnwärter Thiel in München vereint Luca Musto seine Hip-Hop- und Soul-Wurzeln mit elektronischer Musik – stets getragen von der emotionalen Tiefe des Blues.

Im Interview spricht GROOVE-Autorin Yeliz Demirel mit Luca Musto über sein neues Album Old Habits Die Hard, seine Erfahrungen in Berlin und die Herausforderungen, Musik in einer sich ständig weiterentwickelnden Szene zu machen.

Erst mal Gratulation zum neuen Album! Wie fühlst du dich?

Gut. Vor allem, weil es über mein eigenes Label Rare Affair selbst vertrieben und gepresst wurde. Es war das erste Mal, dass ich alles von Anfang bis Ende komplett organisieren und managen musste – vom Artwork über die Konzeption bis hin zu den Druckdaten, keine Abhängigkeiten. Früher war ich bei anderen Labels unter Vertrag, aber das war mir immer etwas zu fremdbestimmt. Es ist mir wichtiger geworden, die PR und alles andere selbst in der Hand zu haben.

Warum, glaubst du, ist dir das wichtiger geworden?

Ich denke, dass ich dadurch einen authentischeren Zugang zu Hörer:innen ermöglichen kann. Wenn zu viele andere Leute mitmischen, verwässert das manchmal die Vision. Dann entstehen Dinge, die du vielleicht gar nicht fühlst, aber machen musst, weil das Label das so will. Ich mag es, selbst die Kontrolle zu haben und den Überblick zu behalten. Es war zwar ziemlich viel Aufwand, aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht! 

Der Titel deines neuen Albums ist Old Habits Die Hard. Wie kamst du darauf ?

Das Album ist eine Art Fortsetzung meines Debüts Nice Place Bad Intentions, das von meinem Umzug nach Berlin handelte. Ich habe diesen Umbruch in meinem Leben damals verarbeitet. Old Habits Die Hard reflektiert, dass ich gewisse alte Gewohnheiten nicht ablegen kann, besonders auf den Sound bezogen. Ursprünglich komme ich aus dem Hip-Hop, und obwohl ich heute eher elektronische Musik mache, prägt dieser Einfluss immer wieder meine Tracks, ohne dass ich es bewusst steuere. Ebenso bei Downtempo – ich fühle mich noch immer in dieser Downtempo-Welt wohler, obwohl die heutige Musikszene oft schneller, technoider, Trance- und Uptempo-lastig ist. Früher habe ich auch mal schneller produziert, da habe ich Tech-House gemacht, aber das fühlt sich für mich nicht mehr richtig an. Der Satz des Titels stammt aus einer Filmszene, in der jemand mit dem Rauchen aufhören wollte. Das passt perfekt.

Was hat es mit dem Artwork des Covers deines neuen Albums auf sich?

Das Cover entstand in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Elena Schädel. Ihr Entwurf hat mich sofort durch seine Dualität beeindruckt. Es handelt sich um eine handgemachte Collage, die anschließend eingescannt wurde – Das spiegelt auch den handgemachten Stil meiner Musik wider, die Fehler haben darf – Perfektion ist für mich nicht so wichtig.

Wie hat sich deine Arbeitsweise verändert? Gab es neue musikalische Inspirationen – auch in Bezug auf die Vocalsamples?

Bei diesem Album habe ich die Vocals reduziert und prägnanter gestaltet, im Gegensatz zum ersten Album, wo längere Rap-ähnliche Parts häufiger vorkamen. Das hat auf dem Dancefloor manchmal zu fragenden Gesichtern geführt. Eine weitere Veränderung ist, dass ich diesmal mit Demos angefangen habe, die ich im Winter 2022 geschrieben habe. Anschließend bin ich ins Studio gegangen und habe die Stücke mit vier oder fünf Musiker:innen, die gute Freunde von mir sind, neu aufgenommen. Diese Originalaufnahmen habe ich dann als Samples verwendet, sie bearbeitet und etwas Neues daraus entstehen lassen. Das war anders als beim ersten Album, bei dem ich oft eher einen Groove hatte und den Gitarristen spielen ließ, ohne vorher eine genaue Vorstellung davon zu haben, wo es hingehen soll. Dieses Mal hatte ich von Anfang an eine klare Idee und habe sie dann mit den Musiker:innen umgesetzt. Eine weitere Inspiration für das Album war die musikalische Weiterentwicklung. Statt des klassischen 4/4-Takts arbeite ich nun mit längeren Loops und spiele mehr mit den Strukturen. Besonders bei Tracks wie „Chasing Chelsea” oder dem Titeltrack merkt man das: Weniger Vocals, dafür habe ich beispielsweise viel mit Harmonien gearbeitet, die sich entwickeln, anstatt mit Vocals, die sich auf einem Loop wiederholen. Mit diesem Ansatz experimentiere ich jetzt mehr.

Luca Musto (Foto: Presse)
Luca Musto (Foto: Presse)

In welcher thematischen Beziehung steht das neue Album zu deinen früheren Werken? Du meintest, dein erstes Album bezieht sich stark auf Berlin. Welche Lebensphase stellt dein aktuelles Album dar?

Auf dem neuen Album bin ich weniger verspielt und vielleicht auch weniger wertend gegenüber bestimmten Lebensweisen, die ich hier in der Stadt beobachte. Ich nehme keine synthetischen Drogen, und manchmal fühlt man sich als DJ in den frühen Morgenstunden in den Clubs etwas fehl am Platz, wenn man sieht, was dort abgeht. Auf meinem ersten Album habe ich das Thema eher verspielt und humorvoll behandelt. Auf dem neuen Album gehe ich möglicherweise etwas erwachsener mit solchen Themen um, wie etwa bei dem Track „Being Blue”. Da spreche ich über den Drogenkonsum in der Stadt, aber anstatt verurteilend zu wirken, versuche ich eher, subtilere Denkanstöße zu geben. Nach zehn Jahren in Berlin habe ich gelernt, mich mit den Dingen abzufinden, die mich früher irritiert haben. Mir ist es mittlerweile wichtiger, zu versuchen, die Menschen zu verstehen und zu akzeptieren.

Wie gehst du beim Storytelling in deinen Kompositionen vor? Siehst du deine Tracks in einem Album als Kapitel einer größeren Geschichte, oder stehen die Tracks eher für sich?

Beim neuen Album habe ich versucht, den Tracks mehr Eigenständigkeit zu geben. Es gibt keinen roten Faden, der sich wie beim ersten Album durch die Tracks zieht. Trotzdem gibt es im Album eine gewisse Struktur, wenn man es von Anfang bis Ende hört. Es beginnt mit einem Hip-Hop-Track, der meine Wurzeln widerspiegelt, und entwickelt sich dann zu elektronischen, langsameren Tracks, deren BPM-Zahl kontinuierlich ansteigt und am Ende wieder abnimmt. Diese Struktur ähnelt meinen DJ-Sets, die sich oft langsam aufbauen und dann wieder abklingen.

Abgesehen vom Hip-Hop habe ich auch von deinen Wurzeln im Blues und Jazz gelesen. Wie beeinflussen diese Genres den emotionalen Ton deiner elektronischen Musik? Was fasziniert dich an den Genres?

Beim Blues faszinieren mich vor allem der Schmerz und die Reinheit der Gefühle, die transportiert werden. Es geht um das, was in der Welt, der Stadt oder im Leben der Menschen passiert. Wenn es mir nicht gut geht, höre ich oft genau die Musik, die dieses Gefühl widerspiegelt – das mag paradox klingen, aber es hilft mir. Beim Jazz und auch beim Soul ist es eher das Melodiöse und die Art, wie mit den Melodien gespielt wird. Insgesamt ist mir wichtig, dass Musik etwas in mir auslöst, dass sie mich berührt, und das versuche ich auch in meinen Produktionen zu vermitteln. Insgesamt bin ich ein sehr emotionsbasierter Mensch, und das spiegelt sich auch in meiner Musik wider.

Luca Musto (Foto: Presse)
Luca Musto (Foto: Presse)

Wie gehst du beim Schreiben von Texten vor – entsteht zuerst die Musik oder der Text? Wie arbeiten Text und Musik zusammen?

Das ist bei mir ziemlich unvorhersehbar. Ich habe immer mein Notizbuch dabei, für den Fall, dass ich unterwegs Textideen habe – im Bus, am Strand. Ich orientiere mich dabei oft an der Musik, vor allem an den BPM, um den Flow zu finden und zu sehen, wie die Wörter dazu passen. Oftmals bekommen die Lyrics automatisch einen Rhythmus, wenn sie sich auf dem Beat bewegen. Bei diesem Album sind Musik und Text oft gleichzeitig entstanden. Das lässt die Verbindung zwischen beiden etwas enger wirken.

In einem früheren Interview hast du die Bedeutung von Stille und Raum der Musik betont. Wie entscheidest du, wann ein Track atmen darf und wann er mit Klang gefüllt werden soll?

Momentan tendiere ich eher zu einem minimalistischen Ansatz. Stille fasziniert mich, denn Ruhe kann oft Spannung erzeugen und dem Groove mehr Raum geben, anstatt ihn überladen wirken zu lassen. Es erinnert mich ein wenig an den Modedesigner Cristóbal Balenciaga, der in den Siebzigern begann, Luft zwischen dem Körper eines Models und dem Kleid als Teil des Designs zu verwenden. Das Konzept, dass Luft Teil des Kleides ist, hat mich sehr inspiriert. Es ist jedoch sehr schwer, das in Musik umzusetzen. Manche Tracks profitieren von Stille, während sie bei anderen den Groove zerstören kann. Ich probiere das aus und entscheide oft erst nach Monaten, welche Version mir besser gefällt – mit oder ohne Stille.

Nun nochmal zurück zu Berlin – die Berliner Musikszene entwickelt sich ständig weiter. Wie bleibst du deiner künstlerischen Vision treu, während du von ständigem Wandel und neuen Trends umgeben bist? Wie findest du eine Balance?

Es ist wirklich schwer. Es ist oft ein Balanceakt. Manchmal komme ich zu Gigs und denke, dass das Publikum schnelle Tracks hören möchte. Neulich habe ich in der Türkei gespielt und dachte, sie würden einen sehr schnellen Sound erwarten. Aber dann habe ich langsamer gespielt, und die Leute waren total zufrieden. Das hat mich überrascht. Als DJ stehst du oft vor der Herausforderung, auf das Publikum einzugehen, ohne dabei deine eigene musikalische Identität zu verlieren.

Wie sieht diese Spannung konkret aus, wenn du auflegst? 

Ich würde zum Beispiel nie ein ganzes Set mit 140 BPM spielen, aber mittlerweile kann ich problemlos auf 125 BPM gehen, ohne mich dabei unwohl zu fühlen. Trotzdem sind meine Produktionen meistens langsamer als die anderer, was es manchmal schwieriger macht, sich anzupassen. Aber ich versuche, mit der Zeit zu gehen, vor allem wenn ich auflege. Momentan experimentiere ich auch mit schnelleren Tracks, weiß aber noch nicht, ob ich diese schnelleren Tracks wirklich veröffentlichen will. Neulich habe ich einen Track mit 128 BPM geschrieben, aber momentan fällt es mir schwer, ihn durchzuhören, weil er sich für mich zu hektisch anfühlt. Ich kann einfach nichts machen, hinter dem ich nicht voll stehe. Trotzdem sehe ich es als Experiment, um zu sehen, was möglich ist.

Luca Musto (Foto: Presse)
Luca Musto (Foto: Presse)

Wie würdest du die Person beschreiben, die du durch deine Musik projizierst? Unterscheidet sie sich von deinem tatsächlichen Selbst?

Eigentlich nicht. Ich bin ein ziemlicher Realkeeper. Deshalb fällt es mir schwer, mich an den aktuellen Sound anzupassen. In meiner Musik versuche ich, die jetzige Zeit zu reflektieren – die Szene und alles, was nach der Pandemie passiert ist –, und was sie für jeden bedeutet, auch für mich. Ich mache seit 20 Jahren Musik, seit ich 17 bin, und jetzt bin ich 37. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, ob ich in Berlin bleibe – ich bin ja ursprünglich nicht von hier. Irgendwann merkt man, was einem fehlt an dem Zuhause, das man einmal hatte, und an der Lebensqualität, die man sich wünscht. Ich versuche, in meiner Musik eine ehrliche Note zu vermitteln, die den Menschen ermöglicht, in meine Seele zu schauen. 

Das klingt auch nach einem Risiko, das man eingeht, wenn man viel von sich teilt. Wie hat sich das im Laufe der Zeit für dich entwickelt?

Früher war ich nicht so offen. Ich habe versucht, mich auf Social Media zurückzuhalten, wenig von mir preiszugeben und keine privaten Geschichten zu teilen. Das änderte sich mit meiner EP Proper Preaching, in der ich den Tod zweier Familienmitglieder verarbeitet habe. Es war eine Herausforderung für mich, aber ich habe auch gelernt, selbstbewusster zu werden, und gemerkt, dass es nicht immer schlecht sein muss, mehr von sich zu zeigen.

Du bist in Kempten im Allgäu aufgewachsen, einer Region, die nicht unbedingt als Musikmetropole bekannt ist. Wie hast du deinen Weg zur Musik gefunden?

Mein Vater war Bassist in einer italienischen Folkband in Turin. Ich bin in einem Restaurant aufgewachsen, das meine Eltern nach ihrer Einwanderung nach Deutschland eröffnet haben. In dieser Pizzeria habe ich als Kind die Schallplatten meines Vaters gehört – viel italienische Musik, aber auch Carlos Santana, Queen und Bob Marley. Das hat mich geprägt. Später habe ich durch seine Plattensammlung verschiedene Genres entdeckt und mit Rock angefangen, zum Beispiel Papa Roach und Offspring. Erst durch ein Feature von Method Man mit Limp Bizkit kam ich zum Hip-Hop. Da war ich 15 oder 16, und von da an ging es richtig los.

Wie verbringst du am liebsten deine Zeit, wenn du nicht im Studio bist? Gibt es besondere Orte oder Aktivitäten, die dir helfen, abzuschalten und neue Energie zu tanken?

Ich koche unglaublich gerne, besonders Pizza, das habe ich von meinem Vater gelernt. Außerdem liebe ich es, ins Kino zu gehen. Seit der Pandemie mache ich das sogar noch häufiger, obwohl ich das Gefühl habe, dass es dort leerer geworden ist. Die Kultur des Kinos stirbt langsam, und das finde ich schade. Für mich ist das Kino wichtig, um Inspiration zu finden und eine Pause von der digitalen Welt zu machen. Es geht nicht nur um die Filme, sondern auch um die gesamte Kinoerfahrung: dorthin zu gehen, sich hinzusetzen, das Handy auszuschalten und einfach mal nicht erreichbar zu sein.

Worauf können wir uns als Nächstes von dir freuen?

Ich plane ein Remix-Album, das auf meinem Label Rare Affair erscheinen wird. Außerdem habe ich bereits einige Kollaborationen und Originaltracks für das nächste Jahr in der Pipeline. Mal sehen, ob daraus wieder ein Album entsteht. Die Fusion dieses Jahr war mein Highlight, wo ich live mit meinem Gitarristen Simon gespielt habe. Und kürzlich kam mein Album raus, begleitet von einem Video-DJ-Set, das ich in Beverly Hills aufgenommen habe. Ich freue mich darauf, das endlich mit der Welt zu teilen! 

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