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Awareness bei Rave The Planet: „Eins ist klar: Die große Hilfsbereitschaft innerhalb der Szene war und ist real”

Am 17. August findet die Rave-The-Planet-Parade zum dritten Mal statt. Unter dem Motto „Love is Stronger” setzt sich die Demo für die kulturelle Würdigung und den Erhalt elektronischer Musik- und Clubkultur ein und will außerdem ein Zeichen für den Frieden setzen. In diesem Jahr werden wieder mehrere Hunderttausend Besucher:innen auf der Straße des 17. Juni erwartet.

Um eine sichere, positive und nachhaltige Parade zu gewährleisten, ruft das Team um Dr. Motte und Ellen Dosch-Roeingh zum Mitmachen auf. Wir haben Tobias Gill, Verena Kleinejasper und Madison Kee via E-Mail interviewt. Sie bilden mit anderen das Awareness-Team und sind für die Koordination der Volunteers zuständig.

GROOVE: Wie stellt ihr euch dem Thema Awareness?

Das Thema ist uns sehr wichtig und ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit, ebenso wie Sicherheit, Inklusion und Nachhaltigkeit.

Mit Inklusion meinen wir die bewusste und aktive Einbeziehung aller Menschen, unabhängig von individuellen Unterschieden. Dazu zählen Personen mit Behinderungen, verschiedene kulturelle und ethnische Hintergründe, Geschlechtervielfalt und alle Altersgruppen. Wir wollen Barrieren abbauen und eine Umgebung schaffen, in der sich alle willkommen und wertgeschätzt fühlen.

Wir sind überzeugt, dass eine bewusste und verantwortungsvolle Herangehensweise nicht nur zur Qualität der Demonstration beiträgt, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Gemeinschaft und die Umwelt hat. Wir wollen zeigen, dass elektronische Musik die Kraft hat, trotz aller Unterschiede ein positives Miteinander zu fördern. Anstatt sich auf Gegensätze zu versteifen, möchten wir den Fokus auf Gemeinsamkeiten lenken und hierfür einen passenden Raum schaffen.

Madison Kee, Tobias Gill und Verena Kleinejasper (Foto: Jessy Macabeo)
Madison Kee, Tobias Gill und Verena Kleinejasper (Foto: Jessy Macabeo)

Wie seid ihr mit dem Thema auf den Paraden in den Neunzigern und Zweitausendern umgegangen?

Damals gab es so etwas wie ein Awareness-Konzept in der Form noch nicht. Übergriffe und Diskriminierungen wurden oft nicht wahrgenommen oder verdrängt. Vorfälle konnten noch nicht viral gehen, weil es kein Social Media gab und die ersten Smartphones erst im Jahr 2008 auf den Markt kamen. Probleme wurden meist hinter vorgehaltener Hand besprochen, was dazu führte, dass der Eindruck entstand, dass damals alles einfacher oder besser gewesen sei. Doch ganz klar: die große Hilfsbereitschaft innerhalb der Szene war und ist real.

Die Welt hat sich verändert und weiterentwickelt. Heute gibt es neue Möglichkeiten, auf Missstände hinzuweisen, und das Bewusstsein ist ein anderes. Es wurde viel für die rechtliche Anerkennung queerer Menschen gekämpft, und viele trauen sich nun endlich, ihre wahre Identität zu offenbaren. Diese positiven Entwicklungen führen dazu, dass Menschen wesentlich sensibler für diese Themen geworden sind.

Welche Erfahrung habt ihr in den vergangenen beiden Jahren gemacht? Was könnt ihr daraus ziehen?

Jedes Jahr lernen wir aus der Praxis, was gut funktioniert, wo es Verbesserungspotenziale gibt und welche Themen hinzukommen. Diese Erkenntnisse nutzen wir, um unsere Arbeit kontinuierlich zu optimieren. Es ist ein ständiger Entwicklungsprozess, sowohl organisatorisch als auch inhaltlich. In unseren Schulungen und Workshops vermitteln wir dieses Wissen und bereiten uns als Team auf den Einsatz bei der Demo vor.

Im letzten Jahr lagen in der Nachbereitung die Schwerpunkte auf den Anlaufstellen für Hilfesuchende und der Wasserversorgung. Diese haben wir in diesem Jahr erweitert. Neben den mobilen Teams wird es an zwei festen Punkten direkt an der Demostrecke Awareness-Stationen geben.

Ein weiterer Punkt sind Influencer und Medien, die über die Demonstration berichten und diese möglicherweise für ihre eigenen Narrative und Interessen missbrauchen. Auch wir mussten 2022 leider unschöne Erfahrungen damit machen und haben unsere Teams entsprechend geschult.

Awareness ist heute in Clubs und auf Festivals Standard. Wie setzt ihr das Thema auf eurer Parade mit einer großen Zahl von Besuchenden um?

Wir haben umfassende Sicherheitsprotokolle entwickelt, teilweise in Zusammenarbeit mit Berliner Sicherheitsbehörden. Dazu gehören Notfallpläne, Teamstrukturen und klare Anweisungen für unsere Teams, um schnell und effektiv auf Situationen reagieren zu können. Barrierefreie Zugänge zur Demostrecke sowie großzügig angelegte Fluchtwege in den Park sind auf der Straße des 17. Juni ohnehin gewährleistet.

Wir legen auch großen Wert darauf, unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Dazu zählen Müllvermeidungskonzepte, unser Eco-Team, die Zusammenarbeit mit PFANDGEBEN und der gemeinsame Clean-Up Day am Sonntag nach der Parade, zu dem wie immer alle herzlich eingeladen sind.

Während der gesamten Demo sind speziell geschulte Awarenessteams präsent, die für alle Teilnehmenden sichtbar und ansprechbar sind. Sie bieten Unterstützung bei Problemen und tragen zu einer sicheren und respektvollen Atmosphäre bei.

Durch die Kommunikation von Do’s & Don’ts über Social Media möchten wir das Bewusstsein der Teilnehmenden im Vorfeld schärfen, um eine positive, sichere und nachhaltige Demonstration zu gewährleisten. Im Unterschied zu Festivals oder Clubs befinden wir uns hier in einem offenen und frei zugänglichen Umfeld, das immer ein gewisses Maß an Eigenverantwortung von allen erfordert.

Mit welchen Experten arbeitet ihr? Was für ein Team stellt ihr auf? Wie können euch Leser:innen dabei helfen?

Für spezielle Themen arbeiten wir mit verschiedenen Trägern, Institutionen und Organisationen zusammen, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben. Zum Beispiel unser Sanitätsdienst MOL-Medical, der Erste-Hilfe-Kurse extra für Ordner:innen und Awarenessteams entwickelt und durchgeführt hat, oder die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR), die mit uns einen Workshop zum richtigen Umgang mit Störungen auf Demonstrationen durchgeführt hat. Außerdem stimmen wir uns in mehreren Kooperationsgesprächen eng mit der Polizei und der Feuerwehr ab, zum Beispiel bei der Erstellung unseres Sicherheitskonzepts.

Für den Umgang mit Menschen unter Substanzeinfluss haben wir Unterstützung von einem senatsgeförderten Berliner Projekt erhalten. Außerdem treffen wir uns zu Team-Picknicks, um das Team-Building zu fördern und individuelle Fragen direkt und persönlich zu klären. Wir wollen allen einen Mehrwert bieten, der über den Demonstrationstag hinausgeht – durch Infos, Fachwissen und Networking innerhalb der Szene.

Alle Leser:innen sind herzlich eingeladen, aktiv zu werden und mitzumachen. Neben den Kernaufgaben zur Planung, Organisation und Durchführung der Demo haben wir drei Teams, in die sich alle einbringen können: die Ordner:innen, das Awarenessteam und das Eco-Team. Wer Teil unserer Teams werden möchte, kann sich hier anmelden.

Dort findet man auch Informationen zu den Aufgaben. Auch ohne Anmeldung können alle mithelfen. Achtet auf eure Umgebung und sprecht unsere Teams an, wenn euch etwas Ungewöhnliches auffällt. Je mehr offene Augen unterwegs sind, desto besser.

Ein paar No-Go’s: Bitte vermeidet Glasflaschen, weil auf der gesamten Demo Glasverbot besteht. Scherben sind die häufigste Verletzungsursache und eine Umweltbelastung. Klettert nicht auf Schilder oder Laternen, denn auch das kann zu schlimmen Unfällen führen. Bringt euch genug Wasser in Refill-Flaschen mit. Verzichtet auch auf Plastikkonfetti und Folienluftballons, denn sie sind eine enorme Belastung für den Tiergarten. Stände, die solche Produkte anbieten, sind illegal und unterstützen oft menschenrechtswidrige Organisationen. Weitere Empfehlungen, Do’s und Don’ts findet ihr regelmäßig in unseren Stories auf Insta und auf unserer Website.

Ansonsten gilt, was in unserer Szene immer schon wichtig war: Seid lieb und respektvoll zueinander. So wird die Rave The Planet Parade auch dieses Jahr wieder ein sicheres und besonderes Erlebnis für alle. Wir freuen uns sehr auf euch. LOVE IS STRONGER.

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