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Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft: „Auch wir wollen eine Work-Life-Balance haben”

Im Dezember 2023 haben Club-Beschäftigte die Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft (BCG) gegründet. Sie streben langfristig an, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Clubarbeitenden in der Stadt zu verbessern. Außerdem will die BCG den Club zu einem würdevollen und sicheren Arbeitsumfeld machen.

Mit einer Demonstration am 1. Mai sollen diese Themen gesamtgesellschaftlich in den Mittelpunkt rücken. Neben Beiträgen von Sprecher:innen aus der Politik und der Szene soll überdies der Bezug zur Clubkultur nicht verloren gehen. Dafür sorgen Live-Performances und DJ-Sets von lokalen Künstler:innen während der Demo-Parade. Los geht es um 16 Uhr am Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg.

GROOVE-Autor Julian Fischer hat vorab den Mitgründer und Sprecher der BCG, Alexis Kouvakas, getroffen und erfahren, was die Gewerkschaft in der Clubbranche verbessern möchte – und wie es um die Aufnahme in den Deutschen Gewerkschaftsbund bestellt ist.

GROOVE: Die BCG wurde letztes Jahr im Dezember gegründet. Wer war an der Gründung beteiligt?

Alexis Kouvakas: Im Kern stand eine Gruppe von mittlerweile ehemaligen Mitarbeiter:innen des ÆDEN. Sie waren alle Teil einer Betriebsratsbildung, die vom Club unterbunden wurde – mit dem Ergebnis, dass alle beteiligten Mitarbeiter:innen gehen mussten. Mittlerweile haben wir diesen Kern aber stark ausgeweitet. Einfach deshalb, weil die Arbeitsbedingungen in den meisten Clubs nicht besonders gut sind.

Was heißt „in den meisten Clubs?”

Lass’ uns lieber die positiven Ausnahmen anführe, zum Beispiel das OST. Seit dem Managementwechsel läuft dort die Kommunikation gut. Im Tresor ist die Bezahlung besser als woanders, und im Berghain sind die Arbeitsbedingungen sehr professionell gehalten. Aber das sind eben Ausnahmen.

Wie viele Mitglieder habt ihr bereits?

Wir bewegen uns gerade im hohen zweistelligen Bereich. Wenn wir uns als gemeinnütziger Verein registrieren – für den 15. Mai 2024 ist das angesetzt – und eine richtige Mitgliederliste haben können, wollen wir auf über 100 Mitglieder wachsen.

In Berlin arbeiten mindestens 9.000 Menschen in Clubs. Wie viele wollt ihr erreichen?

Um für das Streikrecht staatlich anerkannt zu sein, müssten wir etwa 2.000 Mitglieder haben. Dafür muss man nämlich einen gewissen Prozentsatz der Gesamtbeschäftigung einer Branche erreichen. Allerdings gibt es damit im Clubbereich Probleme: Während der Sommermonate sind mehr als 9.000 Leute in Clubs angestellt, im Winter aber viel weniger. Trotzdem ist es unser Anspruch, die ganze Szene anzusprechen. 

Ohne Aufnahme in den Gewerkschaftsbund könnt ihr nicht gewerkschaftlich arbeiten?

Es gibt viele Aufgaben, die wir übernehmen können, bevor wir eine volle Gewerkschaft sind. Rechtlichen Beistand haben wir zum Beispiel schon geleistet. Alle Kündigungsschutzklagen im ÆDEN liefen über uns.

Was würde sich ändern, wenn ihr die Zahl von 2.000 Mitgliedern erreicht?

Wir wären politisch anerkannt. Dadurch könnten wir Tarifverhandlungen aufnehmen und, falls diese scheitern, legal streiken. Unter aktuellen Bedingungen wäre es nur ein sogenannter wilder Streik. Das ist weder im Sinne der Arbeitnehmer:innen noch der Arbeitgeber:innen. Man würde einfach nur den eigenen Arbeitsplatz riskieren. Das wollen wir verhindern.

Seid ihr nur für Clubarbeitende zuständig oder auch für Bars und Gastronomie, die oft ähnliche Arbeitsstrukturen aufweisen?

Wir sehen uns bei Bars nicht in der Verantwortung, eben weil wir auch mit den bestehenden Gewerkschaften kooperieren wollen und die Zuständigkeitsbereiche nicht aufspalten wollen.

Die Gewerkschaft Verdi meint, dass eigentlich sie zuständig sei für das, was ihr machen wollt. Wie siehst du das?

Ich sehe das gespalten. Als wir damals den Betriebsrat im ÆDEN gründen wollten, hat uns Verdi utopische Anforderungen gestellt – vor allem mit der Anzahl der Beschäftigten, die Teil ihrer Gewerkschaft hätten werden müssen, bevor sie irgendwelche Aufgaben übernommen hätten. Außerdem gab es keine öffentliche Debatte über Arbeitsbedingungen in der Clubbranche, bevor wir ins Licht getreten sind.

Du hast bereits das Problem mit dem Kündigungsschutz angesprochen. Welche Probleme sieht die BCG in Berliner Clubs noch?

Wir sehen vor allem extreme Mängel in der Entlohnung. Hier wäre ein pauschaler Nachtzuschlag gefragt, der vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, weil wir hauptsächlich im Nachtbetrieb arbeiten. Das steht aber konträr zu unseren Interessen. Auch Clubarbeitende wollen eine Work-Life-Balance haben und nicht in einen systematischen Burnout geraten, der in unserer Szene sehr verbreitet ist. 

Wie stellt ihr euch die Zusammenarbeit mit den Clubs vor? 

Wir treten offen in die Kommunikation mit ihnen und zeigen klar, dass wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen – auch, weil wir wissen, wie fragil die Szene ist. Wir wollen jedenfalls keine Spaltung betreiben und Arbeitgeber:innen ausnehmen, was uns auch vorgeworfen wurde.

Was wurde euch genau vorgeworfen?

Dass sich niemand in der Clubszene einen Branchen- und Tarifvertrag leisten kann. Dessen sind wir uns momentan bewusst. Allerdings muss die voranschreitende Professionalisierung auch bei den Arbeitnehmer:innen ankommen.

Das heißt: Feiern muss teurer werden, damit Tariflöhne zukünftig realistisch werden?

In gewisser Weise ist das Nachhaltigkeit. Außerdem ist Feiern bereits sehr teuer. Das Geld landet aber nicht bei den Beschäftigten. Alle, die die Szene zu dem machen, was sie ist, müssen sogar dafür bezahlen, dass die Party stattfindet.

Du hast vorhin zwei bestehende Betriebsräte in Clubs erwähnt – arbeitet ihr mit ihnen zusammen? 

Eine Zusammenarbeit ist geplant, wir wissen nur nicht, in welchem Rahmen. Allerdings stehen wir sowohl im Kontakt mit dem Berghain-Betriebsrat als auch mit jenem des SchwuZ.

Der Flyer für den Demo-Rave der BCG am 1. Mai

Am 1. Mai habt ihr eine Demonstration mit DJ-Sets und Live-Performances in Berlin geplant. Warum?

Wir wollen einerseits die Clubarbeitenden erreichen, die unsere Hauptzielgruppe sind. Andererseits wollen wir das Thema gesamtgesellschaftlich in den Mittelpunkt rücken. Schließlich leben wir in Deutschland – einem Land mit stabilem Rechtsstaat, dessen Sicherheiten bezogen auf Arbeit sehr gelobt werden. Diese wollen wir auch in der Clubbranche ausbreiten.

Ihr habt öffentlich zur Unterstützung der Demo-Parade aufgerufen. Wie hat das Fundraising geklappt? 

Eher schlecht. Von knapp 3.000 Euro haben wir nur 600 bekommen. Wir wollen aber ehrlich kommunizieren und betonen: Es ist ein Vertrauensvorschuss, den wir von euch brauchen. Gewährt man uns den nicht, wird sich nie was ändern.

Der Demo-Rave startet um 16 Uhr. Wie sieht euer Programm aus? 

Wir haben Redebeiträge von Politiker:innen, Akteur:innen aus der Clubszene, Gewerkschafter:innen und Live-Performances und DJ-Sets. Wir fangen um 16 Uhr am Ernst-Reuter-Platz an. Dort wird auch die Abschlusskundgebung stattfinden.

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