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Unreal Germany X HIVE in den Berliner Rathenau-Hallen: Die Hölle auf Erden

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Nachdem man im vergangenen Sommer einen fragwürdigen Rave am Leipziger Völkerschlachtdenkmal über die Bühne brachte, stand nun das nächste große Ding an: Mit den Worten „berlin connection to hell” bewarb die Veranstaltungsreihe Unreal Germany ihren am 1. März 2024 stattgefundenen Warehouse-Rave in den Rathenau Hallen am Rande Berlins. Ob und inwieweit die Ankündigung der Realität entsprechen konnte, hat GROOVE-Autor Ben-Robin König in Erfahrung gebracht. Ein Ortstermin beim Zeitgeist des Techno.

Mit dem Techno ist es so eine Sache. Ständig kommen Menschen daher, tapezieren etwas drüber und reklamieren damit den sogenannten wahren Geist des Genres für sich. Aber wohin muss man in Berlin dieser Tage gehen, um diesen wahren Geist zu finden?

Eine Antwort könnte der aus Köln importierte Warehouse-Rave Unreal x Hive bieten. Warehouse klingt dreckig, irgendwie illegal, herrlich industrial – geradezu ursprünglich. Das Line-up hochkarätig: Hier geben sich unter anderem Klangkuenstler, der gern oberkörperfreie, aber stets maskierte I Hate Models und Ostgut-Ton-Offshoot Kobosil die USB-Sticks in die Hand. Auch die Rückkehr höherer BPM-Zahlen spricht eigentlich für Renaissance; andererseits ist die Kölner Veranstaltungsreihe eher für die Zielgruppe TikTok bekannt – vielleicht ist Techno ja im Hybrid aus historisch anmutender Location und zeitgenössischem Vibe besonders lebendig.

Auf dem Boden sammeln sich Dosen und Flaschen und Tetrapaks: Bier, Sekt, gerne halbtrocken, Pfeffi, Vodka in Quengelwaren- und Schnapsregalgröße, Weißwein, gerne lieblich, Eistee, O-Saft, Jägermeister.

Das dachten sich etwa 1500 Rave-Begeisterte aus und um Berlin, sogar aus dem vornehmlich europäischen Ausland haben Menschen nach JWD in die Rathenau-Hallen gefunden, zwischen den S-Bahnhaltestellen Schöneweide und Karlshorst, direkt neben der Jurassic-World-Ausstellung. Der Schlange kann die Distanz zum Berliner S-Bahn-Ring nichts anhaben, im Gegenteil: Die Zeiger zeigen 23 Uhr, die Sause läuft unüblicherweise bereits seit drei Stunden, es ist Ansteh-Peaktime. In freudiger Erwartung von Ekstase und nicht abgeklebten Handylinsen säumen die Wartenden den rechteckigen Zweckbau und schaffen mit etwa 500 Metern Konkurrenz zu berüchtigten Clubs und Eisdielen in der Hauptsaison.

Warten auf die Hölle – und Drinks (Foto: Ben-Robin König)

Der Weg zum Eingang ist, von Baustrahlern dramatisch beleuchtet, gesäumt von Erinnerungen verschiedenster Couleur. Viel schwarze Kleidung, viel weiße Kontrastnaht, Schuhwerk und Hosenweiten präsentieren ein Potpourri aus zeitgenössisch und vorvorgestern. Unklar bleibt, wie lange Baggy noch en vogue ist und wann Skinny wirklich wiederkommt. Auf dem Boden sammeln sich Dosen und Flaschen und Tetrapaks: Bier, Sekt, gerne halbtrocken, Pfeffi, Vodka in Quengelwaren- und Schnapsregalgröße, Weißwein, gerne lieblich, Eistee, O-Saft, Jägermeister. Es riecht nach Doppeläpfeln, Blaubeer-Marshmallows und Traube-Minze beziehungsweise dem, was Einweg-E-Zigaretten als solches verdampfen. Der Altersschnitt wird von Existenzen jenseits der 30 drastisch angehoben. Die Stimmung ist andächtig, vielleicht erfordert der zeitige Vorkonsum alle Konzentration. Dieser kulturellen Praxis Frönende sind klar im Vorteil, wie sich später herausstellen wird. Noch allerdings üben sich die Massen in vollster Vorfreude.

Ne, passt schon – die Taschen stehen hier eh nur rum (Foto: Ben-Robin König)

Etwas Irritation am Einlass: die Taschenkontrolle – eigentlich Usus – wird vom hiesigen Sicherheitspersonal eher locker genommen. Verunsicherte Fragen nach Überprüfung einzelner Rucksäcke werden mit einem „Ne, passt schon” abgewiegelt. Am Empfangstresen in Gestalt eines Biertischs sitzt eine einzelne, in vier Jacken gewickelte Frau, bestrebt nach Klärung mit einem in aller Aufregung bereits etwas bezapften Gast, der redlich um geraden Stand und gerade Sätze bemüht ist. Die Ausstattung orientiert sich am minimalistischen Interieur: ein Laptop, eine stumme Bluetoothbox, von ihrer Handtasche beschwerte und bei Herausgabe erstmal zu Boden segelnde Backstage-Bändchen. Wer keine Gästeliste hat, bekommt weder Bändel noch Stempel. Mehrere Flaschen Wasser, zwei Dosen Energy und eine Flasche Flüssigmahlzeit, Geschmacksrichtung choco, deuten auf eine noch lange Schicht am Einlass hin, die Fröstelnde seufzt bejahend.

Endlich rein in die Industriehalle a.D. (Foto: Ben-Robin König)

Die zweckentfremdete Industriehalle a.D. ist ziemlich imposant. Etwa 20 Meter Deckenhöhe bleiben im schwach beleuchteten Ungefähren, der Hauptbereich ist monochrom in rotes Licht getaucht, das die endlosen Wände und Säulen emporklettert und sich schließlich ins Dunkle zerstreut. Überall wuseln Menschen, die im Verhältnis zu den räumlichen Dimensionen arg klein wirken. Erste Station ist die Garderobe, hier gilt betreute Selbstbedienung, heißt: sich rechts einen Kleiderbügel schnappen, mehr oder minder entblättern und dann linker Hand durch den Andrang zum wackeligen Etwas kämpfen. Das Etwas sieht in seiner moltonbehangenen Gestalt schon mehr nach Tresen aus, muss aber stetig zurechtgerückt werden; die Statik wirkt nicht für derart viele Menschen mit derart vielen Klamotten und derart großem Abgabedruck gemacht. Das Personal scheint ähnlich angespannt wie die Gäste. Nebenan gibt es Meinungsverschiedenheiten, ob nun zwei oder vier Euro weitergereicht wurden, die Entgegennahme der Überbekleidung verzögert sich mit den Worten „Ihr werdet sicher gleich bedient” und einer davonziehenden Thekenkraft.

Komm, TikTok, komm!

Kaum aus dem Pulk herausgedrängt, macht sich die Kälte des unbeheizten Raums bemerkbar. Umso gewagter wirken die benetzstrumpften, aus knappen Bodys lugenden Hintern und beharnessten und/oder sperrkettenbehangenen männlich gelesenen Torsos, die entweder sorgfältig enthaart oder noch nicht von Haarwuchs gezeichnet sind. Die Kettendynastie trotzt stoisch den widrigen Temperaturen, noch. Wer nicht in Faux-Leder, Wetlook, Mesh und einem Hauch von Nichts unterwegs ist, nimmt mit schwarzen Feinrippunterhemden und Trainingskleidung vorlieb. Modisch liegt das Event also zwischen Fetisch und Fitness; dem Techno, zumindest auf TikTok, ganz nah.

Unreal auf Wolke 7 (Foto: Ben-Robin König)

Direkt neben der Garderobe bildet eine Batterie von 48 pinkfarbenen Toilettenkabinen, Marke Wölkchen, inklusive einer blau gehaltenen barrierefreien Kabine einen Wendehammer für Mittelstrahlbegeisterte und Menschen mit Notdurft. Das Ambiente wird von ein paar grauen Pissoirs in der Mitte abgerundet, die gegen 23 Uhr 30 bereits überlaufen und wie Seerosen inmitten eines malerischen Urintümpels thronen. Die Suche nach Waschbecken ist vergeblich, vielleicht sucht aber auch niemand. Oder, halt: Könnte die Absenz fließenden Wassers zu Hygienezwecken etwa einer erhofften Absatzsteigerung von Getränken an der Bar geschuldet sein?

Die Auslastung ist dementsprechend. Der Andrang auf die Garderobe war allenfalls Sparring, die Mühen für ein Getränk liegen irgendwo zwischen „20 Minuten für ein Wasser anstehen”, wie ein plateaubesohltes Nina-Chuba-Lookalike beklagt, und später bis zu 40 Minuten Wartezeit – Gedränge und zunehmend aggressive Stimmung inklusive. Einzig der Stand eines Energydrinkherstellers bleibt vollends verwaist, Körper und Geist scheinen heute anders belebt zu werden. Gegenüber der Bar laden Bierzeltgarnituren zum Verweilen, Konsum und sicherer Blasenentzündung ein.

Es duftet nach der süßlichen Penetranz unterdurchschnittlicher Parfüms, Schweiß, über diesen ausgeschiedenen Anabolika und Amphetaminen, Zigaretten, analog wie elektrisch.

Aus einem etwa 2,50 Meter breiten Durchgang in der Wand dröhnt die Musik, allmählich von der Bar aus hörbar. Das Betreten der Tanzfläche geht mit einem schlagartigen Klimawandel einher, der der Wirkmacht von Kaufhausgebläsen im Winter in nichts nachsteht. Die klirrende Ostberliner Kälte weicht dem Klima eines subtropischen Fitnessstudios, die Luft steht jenseits der 30 Grad. Es duftet nach der süßlichen Penetranz unterdurchschnittlicher Parfüms, Schweiß, über diesen ausgeschiedenen Anabolika und Amphetaminen, Zigaretten, analog wie elektrisch. Im ebenfalls roten Stroboskoplicht zucken die Leiber, wenn sie nicht gerade für einen kurzen Snap ihr Mobiltelefon zücken.

An den Rändern der Halle sitzen müde Raver auf dem Boden, lehnen sich an Wände oder Bauzäune mit überdimensionaler Notausgangs-Bespannung. Aufatmen. Es gibt also zumindest theoretisch mehr als den einen Zugang zur Halle. Von der Mitte bis zum Ende des Floors vollziehen die Tanzenden eine perfekte Choreografie: Es wird in Reihen getanzt, stets mit einem gewissen Mindestabstand von einer Armlänge. Ob dieses Phänomen den durchs Coronavirus erlernten anderthalb Metern geschuldet ist, exaltiertem Geshuffle, Höflichkeit und Respekt oder der Angst, in Kombination mit Ketten und Kunstlederstreifen nicht als heterosexuell wahrgenommen zu werden, bleibt unklar.

Der Blick zur Bühne ist für die Technik nicht verkehrt (Foto: Ben-Robin König)

Mit der Nähe zum DJ-Pult wird es auf der Tanzfläche enger, gleichzeitig steigt der Quotient freier Oberkörper. Der Anteil liegt mittlerweile bei etwa 30 Prozent gegenüber 20 Prozent Meshoberteil und einem einzigen karierten Kurzarmhemd. Ebenfalls auffällig ist das gleichermaßen unbeholfene wie selbstverständliche Hintern-Tätscheln, mit dem die jungen Gladiatoren ihren Netzstrumpfpartnerinnen Richtungsanweisungen geben. Der Sound wird mit jedem Meter annehmbarer, ist er im hinteren Drittel noch blechern und hallend, lassen sich ab der Hälfte Bässe wahrnehmen. Den Soundingenieur kümmert es wenig, sein Handydisplay übt mehr Anziehung auf ihn aus als die Feinjustierung der Endstufe. Am Backstageeingang (Ausstattung und Ambiente karg, Temperatur gleich niedrig wie in der Vorhalle, alkoholfreies Bier nur für DJs, Highlight Cola-Lollies) betteln dehydrierte Tänzer um Wasser und zeigen sich überschwänglich glücklich für einen Becher flüssiges Menschenrecht.

Hier war es, das abgefüllte Menschenrecht (Foto: Ben-Robin König)

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht klassischerweise die Kanzel, die, wie es sich für eine Warehouse-Party gehört, besonders hergerichtet ist. Zwei stetig aufblitzende großflächige LED-Screens mit futuristischen Motiven bilden die Basis. Einer ist die Pultfläche selbst, auf der Mixer und CDJs Platz finden, der andere überdacht das Ganze. Zusammen stellen sie sicher, dass sich der Gig definitiv in die Netzhaut der Performer einbrennen wird, und verlangen nach der hohen Kunst des blinden Mixens. Umgeben ist das Pult links wie rechts von amphiteaterartigen Podesten, auf denen der Anteil nackter Männerbrüste noch einmal hochschnellt. Ist es in den vorderen Reihen nur dicht gedrängt, wird hier gequetscht. Bonuspunkte für alle, die beim Erkunden der Tribüne langärmlig unterwegs sind und so nicht in direkten Kontakt mit flüssiggewordener Ekstaseabsonderung kommen. Die zweckmäßige Bauweise erinnert an Erfahrungen mit den Rängen in Zirkuszelten – runtergefallene Gegenstände laufen Gefahr, unwiederbringlich in großen Lücken zu verschwinden, die Personendichte erhöht ebenso die Wahrscheinlichtkeit von Trittfehlern ins Leere. Ebenfalls erfahrbar ist die Bedeutung des Begriffs „Resonanzkatastrophe”. So sehr wie der Aufbau im Rhythmus der Tanzenden schwankt, wird die wortwörtliche Nachgiebigkeit der Konstruktion arg auf die Probe gestellt.

Gut für den Schlaf-Wach-Rhythmus: Tageslichtlampen (Foto: Ben-Robin König)

Über all dem prangt in Fraktur der Unreal-Schriftzug, weiß leuchtend an der Stirnseite der in Rot getauchten Sauna. In Schlüsselmomenten flackern die Stroboskope ebenfalls weiß, sogar die LED-Pars schwenken auf die 10.000 Kelvin einer Tageslichtlampe um, als wollte die Lichtshow mit 15 Sekunden Putzlicht den Emotionen kurz einen Hauch Realität entgegensetzen – oder auch weniger hochauflösenden Kameralinsen Gelegenheit für eine Aufnahme geben.

Überhaupt, Kameras. Regelmäßig kommen Menschen mit professionellem Kameraequipment des Weges, auf der Suche nach dem perfekten Winkel für hochgereckte Arme, angespannte Muskeln und euphorisch filmende Handydisplays. Die blitzen in jedem besonders TikTok-trächtigen Moment auf, also eigentlich immer, aber manchmal noch mehr. Zum Beispiel beim Wechsel zu I Hate Models; als letzter Track des Warm-ups bringt ein Dido-Remix den Gänsehaut-Moment großer Popkonzerte: Hunderte Handydisplays leuchten auf, die nächsten 60 Sekunden werden sich in unzählige Herzen und Feeds brennen.

Unreal? Unreel! (Foto: Ben-Robin König)

Ebenso emotional wird das Opening von I Hate Models aufgenommen. Mit der Entledigung seines T-Shirts erhöht sich abermals der Anteil nackter Männerhaut. Die Temperatur dürfte mittlerweile die 35 Grad erreicht haben. Höchste Zeit für einen Boxenstopp. Manche erledigen das direkt vor Ort: Zwei Tütchen aus dem Fanny Pack bieten Stoff für Zahnfleisch und Nasenscheidewand, das Ganze abgerundet von einer ganzen Tablette, beim Mischkonsum werden keine halben Sachen gemacht – in unter 30 Sekunden! Weitaus länger dauert inzwischen das Verlassen des Dancefloors: Etwa Hundert wollen raus, Hunderte gleichzeitig rein – im Nadelöhr des einzigen Ein- und Ausgangs wird gequetscht und gedrängt. Tanzwut, Durst, Frischluft, Notdurft, alles hat gleichen Rang.

Wo ist die Party?

In der winterlichen Vorhalle hat sich die Bartraube inzwischen mit der aus jenen vermischt, die endlich (wieder) tanzen wollen. Die Bewegungen werden ruppiger, Schultern werden unnachgiebiger. Eine junge Frauenstimme fragt: „Wo ist eigentlich die Party?”; das Durcheinander der Stimmen verschluckt die Musik. Schlangen vor den Toilettentonnen, die barrierefreie wird gleich zu fünft besetzt. Nebenan übergibt sich jemand. „Bisschen unorganisiert”, konstatiert ein Edgar-Taperfade und bricht in Lachen aus. „Digga, was verkaufen die auch so viel Tickets”, entgegnet der zweite Edgar hörbar genervt.

Wo ist die Tür in die Tanzschwitzkammer? (Foto: Ben-Robin König)

Ein Besuch im Sani- und Awareness-Bereich birgt Überraschungen. Es gibt tatsächlich ein Konzept, das sich sogar ziemlich aware liest. Leider ist es nur auf diesem einen einzigen Plakat ausgeschildert. Es gibt auch ein Awarenessteam, die reflektierenden Kampfradlerharnesses einiger Shufflender im Backstage waren also kein modischer Gag. Und es gibt auch Menschen, die ihren Auftrag ernst nehmen. Nur scheint das Publikum wenig Interesse daran zu haben. Auch nicht am Frieden des semimedizinischen Bereichs, nachdem sich rumspricht, dass es hier eine Tür in die Tanzschwitzkammer gibt. Anfänglich wird noch beherzt abgewiesen, nach fünf Minuten strömt eine zu große Welle herbei und stürmt den Ruhebereich.

Kurzzeitig scheint der Bypass die Situation zu entlasten. Nicht unbedingt aber die Belüftung der Halle: nach 30 Minuten im kalten Vorraum wirkt die Luft auf der Tanzfläche, oder der Mangel daran, besonders stehend. Der Temperatur- und Geruchsumschwung lassen den Awareness-Aufstand nicht sofort merken, was sich derweil in der Halle zuträgt: Nichts. Die Musik ist aus. Es ist 2 Uhr 30, im Publikum sind vereinzelte Pfiffe zu vernehmen, auch das „Wasn los hier, Alter?” aus den hinteren Reihen klingt mehr erzürnt denn überrascht. Acht Minuten später hat sich allein der lautstarke Unmut vermehrt, der eine Minute später prompt in Jubel und abermals Hunderte filmende Handys umschwingt, als vom Pult wieder leise Töne zu vernehmen sind.

Exit through the gift shop (Foto: Ben-Robin König)

Das Verlassen des Floors ist auch durch eine zweite Tür nicht einfacher geworden. Der Sanibereich ist nicht mehr. Hinter bemühtem Sicherheitspersonal drängen sich ungehaltene Halbnackte, die einfach nur ein bisschen raven wollen. In den Vorraum kommt man nur über eine Tür, die aus dem Gebäude hinaus und wenige Meter weiter zu einer weiteren führt, die ins letzte Ende der Halle Einlass gewährt. Das Personal an der Garderobe ist verschwunden, es gilt das Gebot der Selbstbedienung. Die Reihenfolge der Kleiderständer folgt, wenn überhaupt, nur einer schwer zu erschließenden Logik.

Es ist 3 Uhr 20. Draußen im Regen stehen immer noch einige Wenige an. Die Notausgänge sind inzwischen allesamt geöffnet, einzelne strömen hinaus und genießen die kalte Freiheit. Andere wenden sich von der Schlange ab und versuchen das Event über den inoffiziellen Nebeneingang zu betreten.

Es mehren sich die Meldungen über gestohlene Jacken, Geldbeutel und andere Habseligkeiten.

Der bewerbende Instagram-Beitrag auf der Seite des Veranstalters ist gelöscht. Kritische Kommentare unter anderen Beiträgen bleiben ebenfalls nicht lange online. Aus TikToks von Besucher:innen lässt sich erfahren, dass die Musik während des Sets von I Hate Models insgesamt zweimal ausgefallen sei. Einmal aus technischen Gründen, das zweite Mal, um einer aufkommenden Massenpanik Einhalt zu gebieten. Die Garderobe wurde laut Kommentaren aus unterschiedlichen Gründen gestürmt. Entweder weil das Personal wegen Bedrohung abgezogen ist oder ohne Bedrohung gegen 2 Uhr einfach Feierabend gemacht hat, oder weil zur selben Zeit die Ablösung nicht kam. Es mehren sich die Meldungen über gestohlene Jacken, Geldbeutel und andere Habseligkeiten. In den frühen Morgenstunden soll es zu einer Schlägerei vor dem Gebäude gekommen sein, zu der die Polizei anrückte.

In den Unweiten der Kommentarspalten taucht ein Link zu einem Statement auf, das Gleichzeitig als „Lost&Found”-Formular dient und vermutlich Teil eines mittlerweile gelöschten Postings war. Darin sprechen die Veranstalter von organisational shortcomings und bieten zumindest jenen ein sorry, die während des Events inconvenience erfahren haben. Fürderhin übernehmen sie volle Verantwortung für die certain risks, die zusätzlich des special vibes mit einer off-location einhergehen. Ob offensichtliche Planungsfehler als Risiken zu verbuchen sind, sei dahingestellt. Es wird ein Lerneffekt versprochen und der Community gedankt.

Unreal Germany gibt in den Instagram-Posts ihrer Events gerne hell on earth als Ort an. Gar nicht mal so unrealistisch.

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