„A club night dedicated to anti-shoegaze house music” sollen Power-House-Partys laut Eigenbeschreibung sein. Oder anders gesagt: Es soll was gehen. Die kommende Ausgabe in der umgebauten Paloma wurde als „The Acid Edition” angekündigt, zum Sound, der den Blick von den eigenen Füßen emporsteigen lässt, gesellt sich also noch massenweise munteres Gezwitscher aus der 303. Oder doch nicht?
„Zumindest meine persönlichen nächtlichen Erfahrungen mit dem Genre Ende der Achtziger waren anders”, meint Paloma-Booker, Labelmacher, Journalist Power-House-Mitbegründer und DJ Finn Johannsen, der uns als Vorgeschmack für Samstag fünf Acid-House-Klassiker vorstellt. Wie sein Allnighter gemeinsam mit Spießgeselle DJ Pete klingen könnte und wie das Genre je nach Standort eigene Blüten trieb, hört und lest ihr im Folgenden.
Cool House – Rock This Party Right (Martin’s Boogie Man Mix)
Ein Beispiel für ein vitales Element von Acid House aus Chicago: Er ist einfach sehr funky. Auf dieser Platte versammeln sich Pioniere wie Tyree Cooper, Fast Eddie und Joe Smooth, die todsichere Version ist allerdings vom vergleichsweise eher unbekannt gebliebenen Produzenten Martin Luna. Der Acid-Anteil lässt sich erstaunliche zwei Minuten Zeit, um voll loszulegen, aber sobald er über den Floor hereinbricht, bleibt erfahrungsgemäß nichts mehr, wie es eben gerade noch war. Man kann die Uhr danach stellen.
The Wee Papa Girl Rappers – Heat It Up (Detroit House Mix)
Die Metropolen in den USA waren auch zur Blütezeit von Acid House Ende der Achtziger gewohnt lokalpatriotisch und distinktionsfreudig – und somit auch unterschiedlich im Umgang mit der 303. So wurde der Sound in Detroit anders eingesetzt als beispielsweise in Chicago. Was nicht weiter verwundert, in Motor City hatte man schließlich gerade ein eigenes großes Ding in die Welt gesetzt. Dennoch gab es ein paar tolle Tracks, die man als Acid House einordnen konnte, und einige davon waren von Kevin Saunderson. Dieser Remix hat den für ihn typischen massiven Groove und schlägt gleich noch eine Brücke zu Hip House, dem immer noch revivalresistentesten Club-Genre, das von der Power-House-Gemeinde allerdings seit jeher gehegt und gepflegt und schwer gefeiert wird.
Nebula – Nebula 1
UK war in diesem Kontext vor allem die Clubszene, die Acid House von einem lokalen Stil in Chicago zu einem Massenphänomen katapultierte, das bis heute nachhallt. In England war man darauf vielleicht ein bisschen zu stolz, und im Ursprungsland USA war man deswegen vielleicht etwas zu genervt, aber im Prinzip hatten viele etwas davon. Da Acid House sogar bis in die britischen Charts gelangte, war die dortige Variante gerne etwas poppiger als die amerikanischen Originale. Es gab aber auch viele Releases, die den Sound recht bald anderweitig originär weiterentwickelten, und zu denen zählt dieser tatsächlich ganz schön psychedelische Track von Cesare Marcher, der zu dieser Zeit als DJ und Produzent bei den Stereo MCs tätig war.
The Todd Terry Project – The Circus (It’s Just In Dubs)
Todd Terrys Frühphase als DJ optimal in Sets einzubauen, erfordert ein bisschen Expertise, denn sein klar durch Hip-Hop und Latin Freestyle definierter Sound klang im Vergleich zu den meisten anderen Acid-House-Produktionen geradezu solitär. Aber dass jemand nicht klingt wie jemand anderes, sollte man natürlich sowieso unbedingt unterstützen. Als Beispiel hier der Dub-Mix von „The Circus”. Wer das innovative Potenzial Terrys bemessen möchte, möge sich die Sample-Basis „Disco Circus” von Martin Circus anhören und staunen. Disco radikal dekonstruiert, und das schon 1989, aber völlig zeitlos.
Victor Romeo Presents Leatrice Brown – Love Will Find A Way (Club)
Für mich ist es immer etwas irritierend, wenn auf zeitgenössischen Acid-House-Partys vornehmlich Tracks mit reichlich 303-Gezwitscher gespielt werden. Zumindest meine persönlichen nächtlichen Erfahrungen mit dem Genre Ende der Achtziger waren andere, es liefen auch Hip-Hop, Disco, EBM, es war generell stilistisch ein recht offenes und saugfähiges Spektrum. Aber vor allem liefen viele Vocal-Tracks, mit oder ohne 303.
Hier ein besonders schönes Exemplar, von Parris Mitchell alias Victor Romeo. Wer meint, Acid und Vocals würden nicht so recht zueinanderpassen, möge sich bitte anhören, wie der Track den Refrain mit der Acid-Line im gleichen Moment abheben lässt und sich kurz danach der Himmel öffnet, Berge versetzt werden und das Meer geteilt wird. Und, ok, der Beat hat auch ordentlich Wumms. Musik für ein besseres Morgen – kann es nie genug von geben. Auch und gerade jetzt.