Foto: Christian Werner (Dixon)
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Dixon nimmt nicht viele Mixe auf, Dixon gibt nicht viele Interviews. Das ist mit Blick auf seinen Tour-Schedule, seine immerwährende Arbeit an dem gemeinsam mit Âme betriebenen Label Innervisions sowie zuletzt seinem Beitrag als ausführender Produzent für das Debüt von Trikk sowie einer Kollaboration mit Jimi Jules und einer Handvoll Remixen auch verständlich. Zudem widmet sich Steffen Berkhahn noch anderen Projekten. Derweil das gemeinsam mit Partnerin Ana Ofak gegründete Modelabel Together We Dance Alone derzeit eine Pause einlegt, befindet sich mit Transmoderna ein von den beiden gegründetes Kunstkollektiv ständig in der Weiterentwicklung. Berkhahns Mix für Groove, der 400. Beitrag in der Reihe, bot Anlass, über all das zu sprechen. Mit Kristoffer Cornils, der seit acht Jahren den Groove Podcast betreut, diskutierte Dixon das Auflegen, den Kurswechsel von Innervisions, neue Veranstaltungskonzepte und das Spiel mit dem Starkult.
Dies ist dein erstes großes Interview mit der GROOVE seit neun Jahren. Das letzte Mal hast du dich gemeinsam mit Âme den Fragen von Gerd Janson und dem damaligen Chefredakteur Heiko Hoffmann gestellt. Eine Aussage von dir wurde dereinst kontrovers aufgenommen: “Jeder House- oder Techno-DJ, der nicht mehr als achtzig oder neunzig Prozent aktuelle Stücke spielt, hat meiner Ansicht nach seinen Beruf verfehlt.” Würdest du das heute noch unterschreiben?
(lacht) Ja! Die Aussage wurde im Nachhinein viel diskutiert und vielleicht auch etwas missverstanden. Mir wurde, glaube ich, entgegnet: Die Neuheit eines Tracks sei kein Qualitätsmerkmal. Ich antworte darauf noch heute, das es beim Auflegen nicht um die Qualität von Musik geht. Das ist ja ein extrem subjektiver Bewertungsmaßstab. Als House- oder Techno-DJ sollte man allerdings versuchen, den Zeitgeist abzubilden oder zumindest den eigenen Blick darauf zu zeigen. Und da man als DJ – hoffentlich – Entertainer und Lehrer ist, gehören die Reflektion der aktuellen musikalischen (Mini-)Strömungen sowie die Verweise auf die Musikgeschichte dazu. Wenn wir das mal nachrechnen: Laut meiner Aussage sollen sich unter zehn gespielten Tracks nicht mehr als ein oder zwei Zitate der Vergangenheit befinden. Das ist, glaube ich, keineswegs radikal oder geschichtsverweigernd. Damals wie heute – sowas entwickelt sich scheinbar in wiederkehrenden Zyklen – beobachte ich aber den Trend, dass DJs das Best-of von House oder Techno aus den letzten 30 Jahren spielen.
Ich fand die Wortwahl wichtig: Aktuelle Musik muss nicht zwangsläufig neu sein.
Genau! Neue Musik kann auch einen älteren Trend aufnehmen. Musik erfindet sich ja nicht ständig neu! Für mich als DJ ist aktuelle Musik solche, die niemand sonst hat. Das umfasst unveröffentlichte Stücke, die mir zugeschickt werden, oder Tracks von Releases, die in Zukunft auf Innervisions veröffentlicht werden. Für andere DJs heißt es aber vielleicht etwas anderes – zum Beispiel Musik, die soeben frisch veröffentlicht wurde, oder die sie sich in den vergangenen zehn Monaten gekauft haben. Es ging mir überhaupt nicht darum, zu sagen, dass DJs nur unveröffentlichte Musik spielen sollen! Als DJs sollten wir aber den Zeitgeist, wie wir ihn jeweils wahrnehmen, so wiedergeben, dass darin eine eigene Note zu erkennen ist, die sich nicht nur aus historischen Zitaten zusammensetzt.
Im damaligen Interview sprachst du darüber, dass dir ein zu tranciger Sound vorgeworfen wurde – das bezog sich auf Tale of Us oder andere. Heutzutage wirkt das fast schon amüsant, wo der Rückgriff auf Hard-Trance gekoppelt mit den Pop-Hits von anno dazumal einer Art Doppelnostalgie gleichkommt. Lässt sich da von neuer Musik sprechen?
Es macht DJs aus, wie sie solche Musik präsentieren. Die Aktualisierung älterer Sounds und Genres gehört dazu. Es aber nur darzustellen, reicht nicht aus. In einem Trance-Set einen Klassiker, drei neue Tracks und drei von Trance beeinflusste Stücke zu spielen – das ist Kontextualisierung, wie ich sie mir von einem DJ erhoffe. Wenn aber in einem Set jeder zweite Track ein Klassiker ist, weil Trance gerade angesagt ist … Genau dagegen richtete sich meine Aussage.
Dein Mix für Groove fängt einen gewissen Zeitgeist ein, verwendet aber ebenso Zitate. Mit welcher Idee bist du ihn angegangen?
Genauso wie an ein DJ-Set: Ich wollte der Welt die mir derzeit liebste Tanzmusik präsentieren. Während der Aufnahme habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie ich sie am besten vermitteln kann. Auf der Tanzfläche kann ich mich nach dem Kontext richten – ist es eine Open-Air-Veranstaltung, wer hat vor mir aufgelegt und so weiter – und auf gewisse Abläufe und Tools zurückgreifen, um die Essenz dessen, was ich zum Ausdruck bringen wollte, zu formen. Bei der Aufnahme des Mixes ging es genauso: Ich hatte ungefähr zwölf Stücke ausgewählt, davon sind aber nur drei oder vier im Mix gelandet. Der Ablauf erschien mir nicht sinnig, der Flow stimmte nicht oder gewisse musikalischen Aussagen und Kontexte passten nicht zueinander. Deshalb sind Stücke in den Mix eingeflossen, die ich vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. So gehe ich es auch beim Auflegen an. Ich spiele hauptsächlich dreistündige Slots, das entspricht etwa 40 bis 50 Stücken. Die habe ich vorher im Kopf, es sind meine Lieblingsstücke der vergangenen zwei Monaten. Beim Spielen ändert es sich aber immer wieder.
Das heißt, du triffst eine Vorauswahl und schmeißt sie beim Auflegen über den Haufen.
Genau. Ich gehe mit zehn oder zwölf neuen Stücken in jedes Wochenende rein und bin gespannt, wie sie wirken werden. Dazu kommen ungefähr 30 aus der jüngeren Zeit, die in meiner engeren Auswahl sind. Ich sortiere die Musik auf meinen USB-Sticks absichtlich nicht nach Genre, Tempi oder Tonart. Die einzige Kategorisierung, die ich vornehme, ist der jeweilige Monat – wie aktuell der November 2023. Wenn ich also während eines Sets eine Idee habe, muss ich nach dem jeweiligen Stück suchen und es finden. Was ich wirklich spiele und wie ich alles miteinander kombiniere, das entscheidet sich immer erst im Verlauf des Sets. Über die beiden ersten Stücke werde ich mir meistens innerhalb der letzten 15 Minuten vor dem Auftritt klar, in der Regel kenne ich auch schon die letzten beiden. Was dazwischen passiert, ist eine andere Sache. (lacht)
Gegenüber Valerie Präkelt vom AD Magazin hast du gesagt, dass du dich professionell vor allem „im Taxi, im Flieger, im Hotelzimmer“ beschäftigst. Das klingt nahezu prekär.
Transmoderna, die Label-Arbeit, Musikproduktionen und andere Arbeiten des täglichen Businesses lassen mir immer weniger Zeit. Ich habe außerdem gemerkt, dass ich oft den Spaß an der Musik verliere, wenn ich sie mir während der Woche herunterlade und durchhöre. Ich brauche auch meine Auszeit, wenn ich mich jedes Wochenende intensiv mit Tanzmusik beschäftige. Deshalb sammle ich unter der Woche erstmal nur, anstatt mir wirklich etwas anzuhören. Wenn ich mich auf den Weg mache, beginnt die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Musik. Das führt dazu, dass ich meine Gigs enthusiastisch angehe, weil ich innerhalb der zehn Stunden vor meiner ersten Show voll und ganz auf Musik konzentrieren kann. Das hat dann aber auch zur Folge, dass ich meistens zu spät aus meinem Hotelzimmer komme, weil ich in den letzten Minuten noch ein paar tolle Sachen entdeckt habe. (lacht) Es ist ein positives Chaos. Auf den Reisen zu meinen weiteren Shows am selben Wochenende kann ich mich dann noch tiefer mit der Musik auseinandersetzen. Am dritten Tag spiele ich deshalb unter professionellen Gesichtspunkten betrachtet mein bestes Set, weil ich alles gebündelt und editiert habe. Auch weiß ich, wie ein neues Stück bei den Leuten wirkt, und wie ich es demzufolge am besten einsetzen muss.
Besteht eine Trennung zwischen dem beruflichen Musikhörer Dixon und dem privaten Musikfan Steffen Berkhahn?
Ja! Unter anderem, weil ich viel von der Musik meines elfjährigen Sohnes höre! (lacht) Dadurch komme ich mit einem nochmal ganz anderen musikalischen Spektrum in Berührung. Allgemein sehe ich sowieso eine Notwendigkeit, mich über den beruflichen Rahmen hinaus mit Musik auseinanderzusetzen. Wenn ich im Radio oder durch meinen Sohn etwas höre oder etwas Interessantes im Rock-Kontext entdecke, kann das inspirierend sein und auf Clubmusik anwendbar werden. Das bringe ich auch in Gespräche mit Produzent:innen ein.
Das bringt uns zu Innervisions, wo du zuletzt sehr direkt in die musikalische Gestaltung eingebunden warst. Ihr geht mittlerweile langsam auf euren 20. Geburtstag zu. Wie versucht ihr, in einer sich schnell wandelnden Musikwelt den Zeitgeist zu reflektieren und voranzubringen?
Das ist ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Wenn man sich sehr lange mit etwas auseinandersetzt, kann es zur Stagnation kommen. Zugleich gibt es immer wieder Innovationsschübe, die von außen kommen. Wichtig ist es, die Balance zwischen Offenheit für externe Einflüsse und dem inneren Drang, Veränderung voranzubringen, zu halten. Wenn das gelingt, bleibt man relevant – obwohl es nicht immer und ständig möglich ist. Wir haben schon unser zehnjähriges Jubiläum verschlafen und auch zum zwanzigsten haben wir nichts geplant. Für uns war die Katalognummer 100 [die EP The Witness von Âme aus dem Jahr 2021, Anm. d. Red.] ein Wendepunkt. Wir haben uns gefragt, was wir als Label überhaupt noch wollen. Was wollen wir aussagen, wohin soll oder kann uns der Weg noch führen? Im Rückblick zeigte sich, dass unter den ersten hundert Katalognummern bewusst fast ausschließlich Dancefloor-EPs zu finden waren, kaum aber Alben. Ich habe zu der Zeit mit dem Gedanken gespielt, Innervisions zu schließen. Es schien mir, als hätten wir im Dancefloor-Kontext bereits alles gesagt. Wir hatten innovative Musik veröffentlicht, ein paar Hits herausgebracht – und auch ein paar schlechte Tracks. (lacht) Ich habe also nicht die Notwendigkeit gesehen, mit nochmal hundert Releases dasselbe Spiel durchzuspielen. Darüber haben wir intensiv diskutiert und uns entschlossen, das Label mehr für Alben-Releases zu öffnen. Das schließt die nachhaltigere und intensivere Zusammenarbeit mit und Förderung von unseren Artists ein. All das hat es für mich wieder interessant gemacht, mit dem Label sowie in meiner Rolle als A&R und Executive Producer weiterzuarbeiten.
Diesen Paradigmenwechsel repräsentieren die Alben von Jimi Jules und Trikk, an denen du jeweils beteiligt warst. Was reizt dich daran, selbst Hand anzulegen?
Der Spaß daran! Den habe ich vor allem immer dann, wenn ich mit Menschen zusammenarbeite, die bestimmte Talente haben, die ich selbst nicht habe. Denn Musik zu schreiben, ist nicht meine Stärke. Ich habe mit vielen Menschen zu tun, die wahnsinnig tolle Ideen haben, denen es aber manchmal schwerfällt, sie in eine kohärente Form zu bringen. Ich kann ihnen dabei helfen, ein Werk zu schaffen, das zu diesem Zeitpunkt in ihrem Werdegang die Essenz ihres Schaffens abbildet.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit – was schließt die Arbeit als ausführender Produzent ein?
Der erste Schritt ist die gemeinsame Auswahl der Titel. Im zweiten werden sie genauer angeschaut und die Elemente bewertet, aus denen sie sich zusammenstellen. Im dritten geht es dann um das Arrangement. Bei etwa jedem vierten Stück nehme ich die einzelnen Stems und setze sie auf eine Art und Weise neu zusammen, die meiner Ansicht nach funktioniert und der Austausch darüber beginnt. Ich bastle auch mal an Beats, mache Vorschläge für das Arrangement oder entferne sogar Elemente, damit die so entstandenen Lücken anders gefüllt werden.
Das alles steht im Zeichen des konzeptuellen Paradigmenwechsels bei Innervisions. Auf visueller Ebene war das Label allerdings schon immer wandelbar.
Bis zur Katalognummer 100 haben wir in unserer visuellen Identität in etwa jährlichen Phasen gearbeitet. Wir haben uns ursprünglich dazu entschlossen, das Label über die Künstler:innen zu stellen. In unserer Frühphase standen der Name Innervisions und die Katalognummer groß auf dem Cover zu lesen. Über die Zeit hinweg ist die Schriftgröße immer kleiner geworden und schließlich sind die Informationen auf die Rückseite, später sogar ins Inlay gewandert. Zeitgleich wurde der Künstlername immer größer geschrieben. Das steht im Kontext dessen, was wir nach der Katalognummer 100 beschlossen haben: Wir stellen die Artists über das Label. Seitdem gibt es auf die Releases abgestimmte Artworks, die im Kontext der Musik entwickelt werden. Die Ausnahme stellt die Reihe Secret Weapons dar, über die wir Neuentdeckungen präsentieren, die weiterhin einen bestimmten visuellen Rahmen hat.
Neben diesen individuellen ästhetischen Ansätzen bleibt die visuelle Identität von Innervisions sehr digital, sehr futuristisch. Es besteht eine Verwandtschaft zu deinem größten Projekt der jüngeren Zeit. Was ist Transmoderna?
Transmoderna ist ein sich immer wieder neu formierendes Künstlerinnenkollektiv, das Installationen, Veranstaltungen und andere Formen digitaler Kunst produziert. Die kreative Leitung liegt in den Händen von Ana Ofak, die gemeinsam mit mir für die konzeptionelle Ausgestaltung verantwortlich ist. Projektbezogen arbeiten wir mit verschiedenen Künstlerinnen zusammen, die unsere entwickelten Konzepte und Ideen umsetzen und/oder interpretieren. Diese kollaborative Arbeit bildet die Grundlage für das visuelle Erscheinungsbild von Transmoderna. Es ist uns wichtig, diesen Entstehungsprozess transparent zu machen, um die Mitwirkung des Teams klar herauszustellen. Damit soll vermieden werden, dass Transmoderna in der Wahrnehmung der Menschen immer nur auf Dixon reduziert wird. Ich spiele eine bedeutende Rolle im Team, aber ohne das Team gäbe es Transmoderna nicht.
Wie hat sich Transmoderna gegründet?
Ausgangspunkt war im Jahr 2019 eine mir angebotene Residency im Pacha auf Ibiza. Die Insel hält sich für das Epizentrum der Dance-Kultur, ist letztlich aber einer der kommerziellsten und konservativsten Zweige davon. Ibiza steht wie nichts anderes für die extreme Fokussierung auf die Figur des DJs und damit der Abwendung vom Miteinander auf der Tanzfläche. Dem wollten wir eine immersive Dancefloor-Erfahrung entgegensetzen. Das Einfachste war natürlich, die DJs näher ans Publikum zu holen und sie mehr ins Zentrum und weniger auf eine hohe Bühne zu stellen. Dazu kommt die Verbindung der verschiedenen Gestaltungselemente einer Clubnacht. DJs sagen natürlich immer, dass die Leute der Musik wegen kommen. Tatsächlich motiviert sie aber doch die Identifikation mit einer Gruppe, das Gefühl von Zugehörigkeit. Dieses wird jedoch nicht nur auf musikalischer Ebene getriggert. Zum Sound kommen auch Licht, Laser und Visuals hinzu. Mit Transmoderna zielen wir darauf ab, diese Elemente stärker zu verschmelzen. Indem sie möglichst in Echtzeit aufeinander reagieren, ermöglichen sie eine intensivere Erfahrung auf der Tanzfläche.
Was heißt das konkret?
Als DJ bin ich ein Geschichtenerzähler, jedoch komme ich nicht mit einer vorbereiteten Geschichte wie es beispielsweise Bands oder EDM-Stars tun, bei denen die Visuals oder der Rest der Show bereits im Vorfeld perfekt auf das musikalische Programm abgestimmt sind. Bei mir entwickelt sich die Geschichte spontan aus dem Moment heraus, es handelt sich also um Storytelling in Echtzeit. Hinter Licht, Laser und Visuals steht jedoch auch eine künstlerische Person, die ebenfalls eine Geschichte erzählen möchte. Wichtig ist, dass diese spontan entstehenden Geschichten sich gegenseitig beflügeln und nicht konträr zueinander stehen. Hierfür ist ein gut eingespieltes Team, aber auch auf unsere Bedürfnisse zugeschnittene, teilweise selbst entwickelte Hard- und Software notwendig. Zu guter Letzt ist das Bühnendesign, oder im Club-Kontext vielleicht besser das Dancefloor- und Bühnendesign, wichtig. Unser Anliegen ist es, diese Elemente überraschend und andersartig einzubauen. Visuals sind in der Clubkultur immer wichtiger geworden – nicht immer zum Guten, wie ich finde. Denn sie sind gemeinhin hinter den DJs zu sehen und tragen dazu bei, dass der Blick noch mehr auf jene gelenkt wird. Je größer diese LED-Wände werden, desto mehr wird der Dancefloor zu einem Ort, für den eine Show abläuft. Wir wollen uns den neuesten Technologien und Medien nicht verschließen. Im Gegenteil. Aber wir wollen sie mit dem Ziel einsetzen, die Fokussierung auf die Performance aufzulösen und das Erlebnis zu verstärken, mittendrin statt nur davor zu stehen. Jahrzehntelang war „A Basement, A Red Light and A Feelin‘“ für mich die Essenz einer Clubnacht. Aber House- oder Techno-Clubs, wie wir sie heute kennen, gibt es nun einmal schon mehr als 30 Jahre. Die Herausforderung besteht darin, jene Essenz ins Jahr 2023 zu integrieren oder sie in die Gegenwart zu transferieren, ohne dabei nostalgisch und modernitätsverweigernd zu sein. Daran möchten wir arbeiten. Da schließt sich vielleicht der Kreis zu meiner Aussage mit den Klassikern in einem DJ Set.
Ihr habt in diesem Sinne eine Ausgabe von Boiler Room produziert, in der du eigentlich kaum zu sehen bist. Entspringt das alles einer gewissen Frustration damit, als DJ sowieso schon in jeder Sekunde gefilmt zu werden?
Frustration würde ich es nicht nennen und nehme es auch niemandem übel. Darin spiegeln sich schlicht unsere Zeit und unser Umgang mit Medien wider. Abschaffen lässt es sich auch nicht mehr. Mir geht es damit ungefähr so, wie wenn ich das zehnte genau gleich klingende Demo im Postfach habe: Für einen Moment mag es frustrierend sein, doch vor allem veranlasst es mich, nach etwas Neuem zu suchen. Ich frage mich: Gibt es nicht Möglichkeiten, unsere Wahrnehmung durch den Einsatz von Technologie so zu beeinflussen, dass die Leute aus eigenen Stücken darauf verzichten, zum Telefon zu greifen?
Allerdings würde mehr Gemeinschaftlichkeit auf dem Dancefloor mit einem Hierarchieabbau einhergehen – wider den Starkult um DJs. So einen gibt es ja auch um dich.
Ich kann und will mich dem auch gar mehr nicht entziehen. Ich spiele sogar aktiv damit. Mir geht es darum, meinen Job spannend zu gestalten und ein Interesse an dem, was ich mache, zu wahren. Ich bin ja nicht so radikal, keine Interviews zu geben, Instagram nicht zu benutzen oder Fotos bei meinen Auftritten zu verbieten. Das Verhältnis zwischen DJ und Publikum basiert doch letztlich auf Geben und Nehmen.
Was steht in der Zukunft an?
Auf Innervisions stehen neue Alben von Âme, Jimi Jules und Trikk an. Mit Transmoderna planen wir im kommenden Jahr etwas mehr Events als üblich und präsentieren weiterhin unsere VR-Installationen in musealen Kontexten, aktuell bei Julia Stoschek, im Max Ernst Museum und im Centre Pompidou. Im nächsten Jahr wollen wir das um ein bis zwei immersive Ausstellungen erweitern, die darauf abzielen, die Essenz unserer Events – das Zusammenspiel von Musik, Laser und Licht- beziehungsweise visueller Kunst – in Räume zu bringen, die eher einen Ausstellungscharakter haben. Zusätzlich dazu arbeiten wir an der Entwicklung eines Computerspiels. Abhängig von der Art und Weise, wie es gespielt wird, ändert sich der Soundtrack entsprechend. Kurz gesagt remixen die Spieler:innen ein Musikstück je nach ihrem Verhalten im Spiel und erhalten am Ende des Spiels ihre einzigartige Version des Musikstückes. Zu guter Letzt habe ich gerade ein neues Projekt mit Trikk gestartet, das den Namen Tri/xon trägt. Mal sehen, wohin uns das führt. Ich glaube, es wird ein aufregendes Jahr.
Stream: Dixon – Groove Podcast 400
01. A&B – Question Of Things
02. Works Of Intent – You Should
03. Flume & Caroline Polachek – Sirens (Dixon Edit)
04. Mr. Flip – Dripping (Karizma Baltimore Drip) (Edit)
05. ?
06. Amnesia Scanner – CAT (Tri/xon Rework)
07. ?
08. David Koch & John Falke – I’m a
09. ?
10. Jarreau Vandaal – Mojo Riddim
11. ?
12. ?
13. Trikk – Rigor
14. ?
15. Kino Todo – 2004