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Die Platten der Woche mit Batu, Carrier, Jump Source, Parris & Untold und Rene Wise

Batu – half speed (Timedance)

Batu, Bristol, Timedance – auf dem Pfad des Beatlosigkeit. Wie erwartet macht der Timedance-Gründer das auf erfrischende Weise. Ambient ist in „Seams” eine Vorahnung guter Zeiten, gespeist aus leicht säurehaltigen Bläschen voller Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, und diese fluffigen Kugeln schweben durch teils bebaute Landschaft, teils unbebaute. Die Mittel sind bekannt aus der japanischen Ambient-Tradition, es geht um Nachbauten von Naturphänomenen wie Blitz und Donner, um Bögen bauende Keyboard-Flächen, um ein Pluckern, das Belebtheit anzeigt. In „Flown” scheut sich Batu nicht vor der Idylle, Sommerwiese, vielleicht tummeln sich einige magische Wesen darin. „The Fifth” wirkt wie eine Wiederaufnahme des Anfangs, jedoch gezeichnet mit dickerer Pinselstärke. Das Titelstück hingegen packt sich warm in gestauchte, mittige Frequenzen. Hindurch bewegt sich ein Bass wie eine Kröte auf Nahrungssuche, gehetzt, und doch bedächtig. Es breitet sich aus, dieses dynamische Bild: naturmagischer Ambient, sauber geschnitzt. Christoph Braun

Carrier – Neither Curve Nor Edge (Carrier)

Der EP-Titel von Guy Brewers (ehemals Shifted) neuem Projekt Carrier kann als Lehrbeispiel für Programmatik herhalten – allzu riskante Kurven und Kanten werden auf Neither Curve Nor Edge tatsächlich weitestgehend vermieden. Was aber nicht heißen soll, dass die vier Stücke in Richtung Easy Listening oder gar leichter Kost gingen. Der Brite erzielt Tiefe und Wirkung eben eher durch Reduktion und sorgfältig gesetzte Effekte als durch dickes Auftragen. Damit reiht er sich in einen Mini-Trend ein, der seit einiger Zeit im Bass-Music-Universum beobachtet werden kann. In einem Universum, in dem gerne um den Titel des schwärzesten Schwarzen Lochs oder der grellsten Sonne gekämpft wird, mit allen Mitteln, die die Audio-Plug-In-Schmieden allmonatlich auf den Markt feuern. „Shading” und „Still So” wirken streckenweise wie radikal entschlackte Drum’n’Bass-Tracks, die, gut eingesetzt, jedem DJ-Set einen besonderen Kick geben werden – der berühmte Less-is-More-Effekt mal wieder. Mathias Schaffhäuser

Jump Source – JS03 (Jump Source)

Keine Ahnung, was sie den Leuten da drüben ins Wasser mischen. Wahrscheinlich gute Laune. Weil, alda – egal, was aus Kanada plattentechnisch so rüberschwappt, es ist immer eine stabile Neun!

So wie bei Jump Source, das sind zwei Producer, für deren Output man in einem unserer Roundtables schon mal diesen schönen Satz hervorgebracht hat: „Musik, die kein Problem mit ihrer Harmlosigkeit hat, sondern diese zu ihrem Motor macht.” Tjoa, da schaut ihr jetzt alle schief aus euren Netzfetzen und wünscht euch, noch mal drei Semester mehr verkifft zu haben. Aber so ist das bei Jump Source: kommt zuerst so larifari daher und klatscht einem dann volle Kanone ins Gesicht. Zum Beispiel mit so spooky Akte-X-Gebimmel wie bei „Pathetic Fury”. Oder als verlorene Demo von Lnrdcry auf 1080p mit „Kind or Low”. Da hilft irgendwann auch kein Wasser mehr, aus Kanada oder sonst wo, alles wurscht. Christoph Benkeser

Parris & Untold – Lip Locked (ORO)

Zwei Schwergewichte der Bass Music tun sich zusammen für diese 12-Inch auf ORO, einem vor langer Zeit mal als Sublabel von Hemlock gegründeten Imprint. Passend, dass Untold nun dorthin zurückkehrt, wo er 2014 ein abstrakt-experimentelles Ambient-Album veröffentlichte. 

Auf der Flip dieser EP gibt der Hemlock-Boss einen abgefahrenen Breakbeat-Ritt zum Besten, der mit seinen abseitigen Synth-Stabs und überwältigenden Rhythmen auch gut auf Hessle Audio ein Zuhause hätte finden können. Im Rampenlicht der Platte steht aber die Kollabo mit Kollege Parris, die House auf 134 BPM pusht und mit dem Vibe aufs Wesentliche entkernter Dubstep-Produktionen verbindet. „Lip Locked” rumpelt dementsprechend schwergewichtig und swingend, während ein immer wiederkehrendes Vocal-Snippet die Stimmung anheizt und eine leicht wunderliche Synth-Line für die nötige Schräglage sorgt.

Bass Music, die sich gleichermaßen nach gestern wie morgen umschaut und dabei den Dancefloor von heute ordentlich in Bewegung bringt. Leopold Hutter

Rene Wise – Lucky Number 7 (Bassiani)

Der Titeltrack von Rene Wises neuer EP auf Bassiani macht seinem Namen alle Ehre. Techno von der Insel im positiven Overdrive. Wer sich auf das Floor-Monster einlässt, muss tanzen. Kopfnicken reicht hier einfach nicht. Die Bassdrum macht keine Gefangenen. Geschickt eingestreute Claps, Vocals und Synths werden von Klangflächen abgerundet. So übersichtlich die Ingredenzien scheinen, so geschickt verwebt der weise Mr. Wise diese zur Lucky Number. Das Geheimnis des Glücks liegt in der rollenden Bassdrum, die trocken und dubby ihr Eigenleben entwickelt. Ob das Tempo im Verlauf des Tracks zunimmt, oder nur aufgrund der geschickt verwobenen Sounds zuzunehmen scheint, bleibt ein Geheimnis. Ebenfalls auf der Vier-Track-EP: „Sucker Punch”, „Devil In The Saloon” und „Gorilla”. Trotz verschiedener Rhythmik gilt auch hier: ausgefuchste Bassdrums vom Feinsten. Liron Klangwart

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