Foto: Mascha (Victoria Vera)
Können auch nicht viele von sich behaupten: Mascha trieb sich in den späten Neunzigern in der Berliner Clubszene herum, obwohl sie noch gar nicht geboren war. Mittlerweile lebt die DJ und Produzentin, die bald auch ihr eigenes Label an den Start bringen möchte, seit einigen Jahren zwischen der deutschen Hauptstadt und der Ciudad de México. Und wenn sie nicht gerade transatlantische Bonusmeilen sammelt, nimmt sie auch ihr Publikum mit auf eine Reise: Ihr Beitrag zu unserem Groove Podcast bewegt sich fließend durch verschiedene Spielarten von Techno und verwandten Stilen.
Du bist mit Clubmusik aufgewachsen – deine Mutter hat in der Bar25 gearbeitet. Wie sah deine musikalische Früherziehung genau aus?
Mein Kontakt zur Musik fing wahrscheinlich schon im Bauch meiner Mutter an, als sie 1996 hochschwanger im damaligen Eimer gemeinsam mit meinem leiblichen Vater auf der Bühne stand und zu experimenteller Punkmusik ins Mikrofon schrie. Als ich klein war, habe ich alles gehört, was meine Mutter und meine Großeltern mir vorgespielt haben. Da war von ABBA, Queen und Patti Smith bis zu den Beatles alles dabei. Mit fünf Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen und gesungen und getanzt habe ich sowieso schon immer zu allen Liedern, die ich auf CD hatte. Meistens habe ich mir sogar eine Choreografie zu den Liedern einfallen lassen. Als ich zwölf war, kamen House und Techno dazu. Als meine Mutter in der Bar25 gearbeitet hat, trug das zu meiner musikalischen Entwicklung mit bei.
Was hat dich zur DJ gemacht?
Ich hatte schon immer sehr großen Spaß daran, Musik zu finden, zu hören und mich dazu zu bewegen. Meine Mutter selbst hat seitdem ich klein war auch aufgelegt, also wusste ich, dass ich auch irgendwann mal meine eigenen Platten haben werde und spielen möchte. Als ich mit 16 Jahren dann das erste Mal auf einem Festival war, der Nation of Gondwana, habe ich mich in Techno verliebt. Das Auflegen kam dann durch meinen damaligen Freund ins Laufen, als ich 18, 19 Jahre alt war. Es gefiel mir, gemeinsam in Plattenläden zu gehen und die Musik, die ich so sehr liebte, zu spielen.
Deine ersten Schritte hast du mit dem Kollektiv NIHIL gemacht. Wie bist du dazu gestoßen und was für Partys habt ihr damit organisiert?
Uff, NIHIL und ich. (lacht) Mein damaliger Freund hatte NIHIL mit ein paar Kumpels gegründet und erst Theaterstücke in verlassenen Orten in und um Berlin organisiert und gefilmt. Diese wurden danach zu Partys. Eigentlich sollte NIHIL ein Film werden, der Rest ist Geschichte. Ich habe bei unseren Partys meine ersten offiziellen, aber trotzdem illegalen Gigs gehabt. Die Partys waren sehr bunt und wir hatten sehr viel Spaß, ohne viel Geld dabei zu bezahlen. Wir waren fast in allen Ruinen die man so kannte, manche davon existieren leider heute nicht mehr. Heute sind wir ein großer Haufen von Freund:innen, manche kenne ich noch aus meiner Oberstufenzeit.
In Berlin hat es dich nicht gehalten, stattdessen hat es dich in die Ciudad de México verschlagen. Warum?
Ich bin in der Clubszene aufgewachsen und habe auch relativ früh angefangen, diese Clubs zu besuchen. Als ich damals nach Mexiko kam, war ich gerade mal 21 Jahre alt. Ich hatte das Gefühl, dass ich Berlin raus müsste, da Berlin und die Clubszene mir zu viel, aber auch gleichzeitig zu langweilig war. Mir ging es mental zu der Zeit nicht sehr gut, vor allem im Partykontext war es schwer, wahre und falsche Freundschaften voneinander zu unterscheiden. Ich wusste damals schon, dass ich auflegen möchte, fand aber den Druck in Berlin sehr hoch. Alle, die ich kannte, waren DJs und saßen am Sonntag/Montag nur im Backstage rum und haben die gleichen Gespräche geführt. Das wurde mir zu viel. Ich dachte: „Ich muss da raus.“ Also bin ich nach Mexiko gereist, zuerst an die Karibikküste nach Tulum, wo ich dann aber schnell gemerkt habe, dass ich musikalisch eher etwas Industrielles, Urbanes aber auch Queeres suche. Das habe ich dann in CDMX gefunden. Ich wollte anfangs nur für drei Monate reisen und jetzt sind es im Januar dann schon sechs Jahre, dass ich das erste Mal nach Mexiko gereist bin.
Wie hast du dort in der regionalen Szene einen Fuß in die Tür bekommen?
Ich bin anfangs auf Partys gegangen, auf denen Freund:innen aus Berlin gespielt haben, wodurch ich neue Leute aus der Musikszene in Mexiko-Stadt kennengelernt habe. Ich bin gleichzeitig aber auch mit meinen Drag-Queen-Freundinnen, mit denen ich zusammen gewohnt habe, viel auf Underground-Partys gegangen. Als ich nach fünf Monanten in Mexiko Kris Berle kennengelernt habe und sie mir angeboten hat, mit ihr zusammen in der Radiostation Aire Libre 105.3fm zu arbeiten, haben sich die Bekanntschaften vergrößert und damit auch viele Freundschaften und Residencys gebildet.
Bis zur Schließung des Senders im Jahr 2022 hast du gemeinsam mit Berle bei der unabhängigen Radiostation die Show Liebe programmiert. Welches Konzept habt ihr damit verfolgt?
Unsere Radioshow Liebe war dazu gedacht, Künstler:innen dazu einzuladen, das zu spielen, was sie lieben. Deswegen auch kam uns der Name Liebe in den Sinn. Wir haben aber im Laufe der Zeit so viele verschiedene interessante Künstler:innen zu uns eingeladen, dass wir genreunspezifisch wurden. Es reichte von Noisekünstler*innen bis hin zu einem Schamanen aus Brasilien, der uns besucht und vorgesungen hat. Es gab viele Momente in Interviews und auch während DJ-Sets, die mich so gerne an diese Zeit zurückdenken lassen. Wir haben sehr große Lust, hoffentlich bald ein Comeback mit unserer Radioshow zu zelebrieren, nur ist noch nicht ganz klar, in welchem Teil auf dem Planeten das sein wird.
In México hast du dich dann auch intensiver mit dem Produzieren von Musik auseinandergesetzt. Wie sahen deine ersten Schritte aus?
Ja Mexiko hat mir in vielen Hinsichten die Tore geöffnet. Ich hatte Zeit, um neue Dinge zu lernen, wie zum Beispiel das Produzieren von Musik. Meine ersten Produktionsstunden habe ich über ein Projekt von Paurro mit Smirnoff bekommen. Es waren nur Typen in dem Kurs und es wurde nur auf Spanisch gesprochen. Damals verstand ich nur ein Drittel von dem, was sie uns gezeigt und erklärt haben. Ich habe aber zum Glück trotzdem verstanden, wie Ableton funktioniert und habe mir auch zu Hause durch Tutorials erklären lassen, wie man was erzeugt.
Vor Kurzem hast du deine erste Remix-Arbeit veröffentlicht, eine Interpretation von Villaseñors “PERVERTGROUND” für das Label Vigor Trax. Wie bist du die Arbeit an dem Stück angegangen?
Als mein Kumpel Villaseñor online gefragt hat, wer gerne Teil von seiner Remix-EP des Tracks „PERVERTGROUND“ sein möchte, wusste ich direkt, dass ich gerne meinen Beitrag dazu leisten möchte. Ich habe ein paar Flamenco-Claps, mit einer bouncigen, etwas tranceigeren Kick und mit meiner eigenen Stimme zusammengetragen und habe so seine Adaption von Celedas „The Underground“ nochmal abgewandelt.
Mittlerweile ist auch deine Debüt-EP erschienen, veröffentlicht hast du sie selbst. Wie sind die Stücke entstanden?
Meine EP Notions ist im Laufe von 2022-2023 zwischen Mexiko und Berlin entstanden. Manche Tracks sind schon innerhalb von einer Woche fertig gewesen, während “Dancing Drums” fast ein Dreivierteljahr in der Mache war. Es sollen Sequenzen meines künstlerischen Daseins zwischen Mexiko-Stadt und Berlin darstellen, die die Monotonie und schnellen Bewegungen dieser niemals schlafenden Städte widerspiegeln.
Was war die Idee hinter deinem Mix für unseren Groove-Podcast?
Die Grundidee ist eine Reise, wie ich sie auch in einem DJ-Set spielen würde, darzulegen. Die Hörer:innen können von Ambient über Breakbeat bis hin zu schnelleren groovigen tribalartigen Techno-Rhythmen, viele Stücke von Künstler:innen hören, die mich inspirieren, mit denen ich im vergangen Jahr zusammen gespielt habe, oder auch befreundet bin. Es sind außerdem zwei Stücke von meiner EP Notions zu hören.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Mein Plan für die Zukunft ist, in einem neuen Format von einer Radioshow Künstler:innen zusammenzubringen und unter meinem neuen Label MUSTER Musik zu veröffentlichen. (Dazu aber bald mehr Informationen). Ansonsten plane ich gerade ein Projekt mit dem Goethe-Institut Mexiko, welches im März stattfinden soll. Im Mittelpunkt steht die Inklusivität der FLINTA*-Gemeinschaft und die Diversität in der Musik- und DJ-Szene in Mexiko, die diese mit sich bringen. Anhand von DJ- und Produktions-Workshops sowie Panel-Talks, die von lokalen Künstler:innen geleitet werden, soll ein freier und sicherer Raum für Interessierte geboten werden. Außerdem arbeite ich gerade sehr viel an neuer Musik, unter anderem mit meiner Freundin Shoki 287.
Stream: Mascha – Groove Podcast 397
01. BSS – Vanta
02. Psyk – 1000 Tribes
03. Jancen – Dub Tool 1 (Hertz Collision Remix)
04. Rene Wise – Gorilla
05. Anteac & Wendy – Orange Punch
06. Chontane – Unreleased
07. Pfirter – Influence
08. Mascha – Dancing Drums
09. Hatewax – Tainted Memory
10. Pakard – Voyage
11. Mascha – Notions
12. Fran LF – Reverse
13. Anika Kunst – Back Road
14. Earwax – Rats
15. DJ Bone – The Standard
16. Conforce – Parallax
17. Alys LF – Yona
18. Lupone – Ariande