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Robert Gaa: „Oftmals hängt es an Kleinigkeiten”

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Mannheim ist die erste deutsche Stadt, die 2018 einen Nachtbürgermeister eingeführt hat. Natürlich liegt die Aufgabe eines Nachtbürgermeisters nicht darin, in den Nachtstunden für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Im Gegenteil geht es um die nachhaltige Stärkung der Nachtkultur, das Vermitteln innerhalb von Konfliktparteien sowie das Ermöglichen neuer Perspektiven und Impulse. 

Seit 2020 hat Robert Gaa das Amt in der baden-württembergischen Stadt inne. In unserem Gespräch gibt er einen Einblick in das lebendige Nachtleben Mannheims, berichtet von vergangenen wie zukünftigen Herausforderungen und erklärt, wie er als Moderator und Mediator zwischen den verschiedenen Interessengruppen agiert. 


Du bist seit 2020 Nachtbürgermeister von Mannheim. Wie interpretierst du dieses Amt für dich? 

Robert Gaa: Ich sehe mich als Dolmetscher, Vermittler, Ermöglicher und Impulsgeber. Im Nachtleben haben wir drei Hauptinteressengruppen identifiziert. Die Akteur:innen, die das Nachtleben gestalten, die Stadtverwaltung, die die Regeln vorgibt und den rechtlichen Rahmen kontrolliert, sowie die Menschen, die am Nachtleben teilhaben. Dazu zählen die Anwohner:innen wie die Gäste des Nachtlebens. Alle drei Gruppen sprechen eine andere Sprache und eine meiner Aufgaben ist es, zwischen diesen Gruppen zu vermitteln. Dabei möchte ich aber klar betonen, dass es nicht meine Aufgabe ist, nachts unterwegs zu sein und für Ruhe zu sorgen. Besonders wichtig für mich ist die Rolle als Ermöglicher. 

Wie sieht das konkret aus? 

Möchte jemand ein neues Projekt in Mannheim starten oder braucht bei einem bestehenden Unterstützung, unterstütze ich gerne bei allen Fragen und versuche, die Prozesse mit der Stadtverwaltung zu beschleunigen. Oftmals hängt es an Kleinigkeiten, dann kommt meine Rolle als Dolmetscher wieder ins Spiel. Ich entwickele aber auch selbst neue Ideen, die das Nachtleben in Mannheim weiterentwickeln und versuche, diese zusammen mit der Kommunalpolitik und der Stadtverwaltung umzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel die niedrigschwellige Bereitstellung von Open Air Flächen für Veranstaltungskollektive aus Mannheim. Diese Idee haben wir uns aber ehrlicherweise gesagt aus Bremen abgeschaut. Denn das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit, das Vernetzen mit anderen Akteur:innen. So haben wir 2022 das IG Nacht Konsil, den Zusammenschluss aller Nachtbürgermeister:innen und Nachtbeauftragen aus Deutschland, gegründet. 

Welchen Herausforderungen bist du bereits begegnet? Wie betrachtest du diese aus gegenwärtiger Perspektive und für die Zukunft? 

Die wohl größte Herausforderung ist die Implementierung von neuen Projekten, bei denen neue rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden oder bestehende weiter ausgelegt werden müssen. Dafür muss dann viel Kommunikationsarbeit geleistet werden, denn oft ist den Entscheidungsträger:innen nicht direkt ersichtlich, wieso eine Änderung einen Mehrwert bringen kann oder wieso dies überhaupt notwendig ist. Es gibt natürlich auch Projekte, die daran scheitern, dass an bestehenden Regeln weiter festgehalten wird. 

Was könnte die Politik besser machen? 

Ich würde mir hier für die Zukunft eine größere Offenheit und mehr Gestaltungs- und Ermessensspielraum wünschen. Als gutes Zeichen für eine positive Entwicklung sehe ich schon mal, dass sich immer mehr Kommunen dafür entscheiden, Stellen wie meine zu schaffen und sich aktiv mit dem Nachtleben auseinanderzusetzen. Generell sehe ich die überbordende Bürokratie und steigende Auflagen als große Herausforderung für das Nachtleben. Viele Betreiber:innen sehen sich mit hohen Hürden konfrontiert, die in einigen Fällen mit einem größeren Ermessensspielraum leicht gelöst werden könnten. Wer mal einen kleinen Einblick bekommen möchte, empfehle ich „Mit einem Bein im Gefängnis: aus dem Alltag eines Clubmachers” zu lesen. Der Text ist zwar schon von 2006, hat aber im Großen und Ganzen nichts an Aktualität verloren.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Interessengruppen wie zum Beispiel Veranstalter:innen, Verwaltung und Bewohner:innenvorstellen?

Das ist ganz verschieden. Im Jungbusch, einem Viertel in Mannheim, in dem es viele Bars gibt, haben wir die sogenannte Monitoring-Gruppe. In dieser sitzen Vertreter:innen aller Interessengruppen des Viertels zusammen und sprechen über Probleme, Entwicklungen und Themen, die die Menschen im Viertel beschäftigt. Gemeinsam wird dann nach Lösungen gesucht. Mit der Politik und Verwaltung habe ich mehrere runde Tische, bei denen sich ausgetauscht wird. 2020 gründeten wir zum Beispiel den runden Tisch Nachtkultur. An diesem sitzen die kulturpolitischen Sprecher:innen der Gemeinderatsfraktionen, Teile der Stadtverwaltung, der lokale Clubkulturverband EventKultur Rhein-Neckar sowie verschiedene Vertreter:innen der freien Szene. Durch diesen runden Tisch konnten schon einige Projekte angestoßen werden. Dazu zählen die Clubförderung, die im ersten Jahr von Corona die lokalen Clubs finanziell unterstützte, sowie die schon angesprochenen Open-Air-Veranstaltungsflächen.

Wie würdest du die gegenwärtige Nachtkulturszene Mannheims beschreiben? 

Wir haben ein sehr lebendiges Nachtleben in der Stadt. Es gibt eine Vielzahl an guten Bars und Musikclubs sowie einige sehr gute Festivals wie das Maifeld Derby oder die Time Warp in der Stadt. Ich habe auch das Gefühl, dass die hiesige Nachtkulturszene – trotz Corona – in den letzten Jahren gewachsen ist. Es gibt wieder mehr junge Menschen, die aktiv das Nachtleben mitgestalten. Insbesondere im Bereich der elektronischen Musik passiert aktuell sehr viel. Generell empfinde ich das Nachtkulturangebot in Mannheim als sehr divers, für eine Stadt mit etwas mehr als 320.000 Einwohner:innen. Mannheim ist nicht umsonst das kulturelle Zentrum der Rhein-Neckar-Region. Jedoch gibt es hier natürlich auch negative Entwicklungen. Das Clubsterben macht hier ebenfalls keinen Stopp und Neugründungen bleiben aufgrund der sich immer weiter verdichtenden Stadt und dem Mangel an geeigneten Objekten aus. Die steigenden Preise sowie die Inflation wirken sich ebenfalls in Form von aktuell geringeren Besucher:innenzahlen aus.

Am 5. Oktober findet die NØK 23 statt. Veranstaltungsformate, die dem Wissenstransfer und dem Vernetzen dienen,  gehören auch zu deinem Aufgabenbereich. Welche Chancen bietet die Konferenz für die Nachtkulturbranche?

Wir haben mit unseren Kooperationspartner:innen wieder ein sehr gutes Programm auf die Beine gestellt, welches aktuelle Entwicklungen, Probleme, Innovationen und Trends aufgreift. Nun möchten wir diese Themen in unseren Diskussionen näher beleuchten und gemeinsam nach Lösungen suchen. Dabei ist jede und jeder herzlich eingeladen, Teil dieses Prozesses zu sein. Die NØK bietet ebenfalls Raum zum Vernetzen. Ein für mich sehr wichtiger Punkt bei jeder Konferenz, denn dadurch konnte ich auch sehr viele Ideen nach Mannheim mitnehmen und stehe auch weiterhin mit vielen dort getroffenen Menschen im Austausch. Neben diesen Aspekten soll die NØK die Nachtkulturbranche sichtbarer machen. Denn nur so können wir auf Probleme aufmerksam machen und mit Entscheidungsträger:innen in den Dialog kommen. Wir freuen uns auf einen langen Tag voller guter Gespräche. 

Kannst du ein paar Beispiele für Themen nennen? 

Etwa das Ermöglichen von Open-Air-Veranstaltungen trotz strenger Naturschutzauflagen, welche Macht Lärmbeschwerden bei Veranstaltungen haben können sowie die auf die Nacht bezogene Stadtentwicklung und deren Auswirkungen auf die Clubszene.

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