Nach knapp drei Jahren hat sich Laksa von London aus mit einer neuen EP zurückgemeldet. Body Score bewegt sich zwischen Dubstep, Techno, Breakbeat, Jungle und Drum’n’Bass – eine Weiterführung der 150 BPM schnellen UK-Bass-Erkundung, die der britische Producer bereits 2020 mit Sen on One begonnen, davor aber schon für Labels wie Ilian Tape und Hessle Audio angetriggert hat.
Seine neueste EP ist die erste Veröffentlichung auf RE:LAX. Laksa, der im zweiten Beruf Sozialarbeiter ist, hat das Label mit der DJ und Producerin re:ni gegründet. Die beiden haben sich mit ihrer Radioshow auf NTS und zahlreichen Partys einen Namen auf internationalen Dancefloors gemacht.
Wenige Tage nach der Veröffentlichung von Body Score spielte Laksa im Rahmen der Partyreihe REEF im Berghain. Dort brachte er seinen UK-Style auf die Decks, wie er im GROOVE-Gespräch meint: ein dreistündiges Set zwischen Dancehall, Reggaeton und Dubstep. Unser Autor Johannes Hartmann hat sich anschließend mit ihm unterhalten.
Während Laksa regelmäßig auf Partys zockt und Radioshows hostet, ist Callum Ross – so der bürgerliche Name des Producers – Sozialarbeiter. Eine Kombination, die sich gut auf seine Musik auswirke. „Die Arbeit ist echt intensiv und emotional. Ich sehe Dinge, die die meisten Leute in ihrem Leben nie zu Gesicht bekommen. Das beeinflusst auch meine Gefühlslage.”
Vor knapp fünf Jahren hat der Brite die Ausbildung zum Sozialarbeiter abgeschlossen. Direkt anfangen zu arbeiten will er damals aber nicht. Stattdessen produziert Ross lieber Musik für Labels wie Whities, Timedance oder Ilian Tape und spielt erste internationale Gigs. Als 2020 die Corona-Pandemie beginnt, beschließt er, zur Sozialarbeit zurückzukehren. Eine Phase, in der keine Zeit für die Musik geblieben sei.
Eineinhalb Jahre hielt Ross so durch. Dann habe er gewusst: Er braucht das Auflegen und Produzieren in seinem Leben. Inzwischen lebt der in Bristol geborene Produzent eine gesunde Work-Work-Balance in London. „Wenn ich nur hauptberuflich Musik machen würde und nicht die Sozialarbeit in meinem Leben hätte, würde ich vielleicht keine gute Musik machen.”
Nur aus der Musik Inspiration zu ziehen, sei einfach nicht interessant, so Ross, der David Bowie als Vorbild erwähnt. Bowie habe sein Leben in vollen Zügen genossen und nebenbei sehr gute Musik gemacht. „Hätte er sich nur auf die Musik konzentriert, wäre sein Leben wahrscheinlich nicht so interessant gewesen.”
Der Anspruch, anders zu sein
Auch wenn es einige Künstler:innen gebe, die sich nur auf die Musik konzentrieren, nehme Ross eine Tendenz wahr, laut der viele von ihnen mit der Zeit an Qualität und Bedeutung verlieren. Denn, so der DJ: Bestehe das Leben nur aus Arbeit mit und durch Musik, sei es zu eintönig. Dass sein Job deshalb seine kreative Ader beeinflusst, sei also kein Zufall.
„Wenn ich nur hauptberuflich Musik machen würde und nicht die Sozialarbeit in meinem Leben hätte, würde ich vielleicht keine gute Musik machen.”
„Bodies”, der zweite Track seiner neuen EP, sei etwa durch The Body Keeps the Score, ein Buch eines niederländischen Psychologen inspiriert. Es beschäftigt sich vor allem mit Traumata und versucht zu erklären, wie diese sich auf Körper und Geist auswirken. Etwas, das Ross auch als Künstler interessiere. Schließlich könne Musik eine therapeutische Wirkung erzielen, meint er. Auch deshalb habe er die Stimme des Buchautors gesampelt und in den Breaks untergebracht – um etwas auszulösen, müsse die Musik nämlich anders wirken als der Rest.
In seinen Produktionen achte Ross deshalb viel auf Abwechslung in der Benutzung von Samples und Instrumenten. Er vermeidet Routinen und probiert gerne Neues aus. Die teuren Synthesizer von Moog, Dave Smith oder anderen Herstellern seien definitiv kein Muss, um gute Musik zu produzieren, im Gegenteil: „Die Verwendung bestimmter Hilfsmittel wird dich auf einen Weg führen, den Tausend andere vor dir gegangen sind”.
Jeder Kniff, jedes Sample und jedes Plugin habe in seinen Händen aber nicht nur die Aufgabe, anders zu sein. Die Balance aus Verspieltheit, Extras und einer bestimmten Überladung müsse stets im Einklang mit der Funktionalität der verschiedenen Elemente eines Tracks sein. Erst dann, wenn sich Interesse und Funktion ausgleichen, sei die Musik auch anziehend für das Publikum.
Von Brostep zu Hessle Audio
Mittlerweile stehen zwar Veröffentlichungen auf Hessle Audio, Timedance oder Ilian Tape in Laksas Release-Vita. Der Beginn seiner professionellen Musikkarriere war aber alles andere als kometenhaft. Vor allem Eifrigkeit und der unbedingte Wille, seine Musik zu veröffentlichen, hätten ihm langsam, aber sicher den Weg in die Szene geebnet.
Ein Instrument habe er allerdings nie gelernt, sagt Ross. Dafür habe er sich im Umfeld des örtlichen Jugendtreffs das Mixen mit Vinyl beigebracht – zum Teil mit richtig schlechtem Dubstep, wie er lachend zugibt. Die Musik, die er damals feierte, nennt Ross etwas abwertend Brostep. Es seien aber auch gute Tracks dabei gewesen, sagt er stolz. Vor allem im Grime sei Anfang der Zehnerjahre viel passiert. Diesem Genre sei er noch heute so treu wie damals.
Er habe zwar viel ausprobiert, so richtig Ahnung von dem, was er tat, habe er aber nicht gehabt. Das führte auch dazu, dass er „richtig viel Scheiße” produziert habe, wie er heute meint.
Als er auf die Uni kommt, will Ross sein Interesse für Musik vertiefen. Er belegt ein Seminar mit dem Titel „Music Computing”. Ein kompletter Reinfall, so Ross. Statt Musikproduktion, Sounddesign oder Studiotechnik habe er hier für ein Jahr das Handwerk des Programmierens kennengelernt – viel zu technisch für jemanden, der lieber direkt Musik machen wollte.
Auch sonst lernt Ross auf der Uni weniger über Musik als in Tutorials, die er auf YouTube findet. Mitte der Zehnerjahre entstehen so immer mehr Tracks, Laksa will endlich veröffentlichen, doch es fehlen die Kontakte. Ross entscheidet sich also für den konventionellen E-Mail-Kontakt und versendet seine Musik unter anderem an Labels wie Timedance, Hessle Audio, Livity Sound und Mistry. So lernt er schließlich den Producer und Mistry-Betreiber Beneath kennen. Unheimlich nervös sei er gewesen, gesteht Laksa. Trotzdem habe er ihm einen Track vorgespielt. Beneath sei angetan gewesen. Wenig später erscheint mit Draw For The seine erste EP mit viel Subbass auf Mistry.
Wie eine „Quality Control” sei diese Veröffentlichung gewesen, sagt Ross, denn: Zum ersten Mal erschien seine Musik auf einem Label, noch dazu jenem von Beneath. „Das verändert, wie Leute dich sehen.” Heute hat Laksa für seine damaligen Produktionen dennoch wenig übrig. Er habe zwar viel ausprobiert, so richtig Ahnung von dem, was er tat, habe er aber nicht gehabt. Das führte auch dazu, dass er „richtig viel Scheiße” produziert habe, wie er heute meint.
Inzwischen weiß Ross: Der Druck, beziehungsweise der eigene Anspruch, etwas Gutes zu produzieren, führe oft dazu, das geplante Vorhaben beiseite zu legen oder zu prokrastinieren. Vor allem in schweren Momenten sei es deshalb wichtig, die Versagensängste abzuschalten und sich durchzubeißen. Langfristig sei das Musikmachen nur dadurch von Erfolg gekrönt.
Langfristige Labelarbeit
Im vergangenen Februar gründeten Laksa und re:ni zusammen das Label RE:LAX. Zu diesem Zeitpunkt hosten beide bereits seit fünf Jahren eine gemeinsame Radioshow auf NTS. Kennen würden sie sich aber schon länger, sagt Ross. Eine Zeitlang habe man sogar zusammengelebt.
Außerdem legt er mit re:ni auch viel b2b auf. Das führte zu Sets auf Radar Radio oder Noods Radio, die die Bekanntheit der beiden steigerten. Auch ihre „re:lax”-Partys mit Gästen wie Gigsta, Metrist oder Lil C bleiben vielen Menschen in Erinnerung. „Wir wollten unser eigenes Ding machen und unseren eigenen Stil einbringen, nach dem Motto: ‚Wir haben echt was beizutragen’”, so Ross, denn: „Du musst immer etwas beitragen, wenn du es schaffen willst.”
Mit RE:LAX ein eigenes Label zu gründen, sei für Laksa deshalb eine Herzensangelegenheit gewesen. Schließlich können es Labels – gerade in Zeiten von vermeintlicher Individualität – schaffen, Menschen zu vereinen, so Ross. Sie strahlen geteilte Interessen und gemeinsame Visionen aus und vermitteln so auch ein Gefühl der Zugehörigkeit.
Mit RE:LAX sollen deshalb langfristig auch andere Künstler:innen die Möglichkeit bekommen, ihre Musik zu veröffentlichen. Namen will Ross aber noch nicht verraten. Was der Sozialarbeiter in Teilzeit hingegen verraten will: Die Sozialarbeit soll sich noch stärker mit seiner Musik verbinden. Wie das gehen soll, weiß Laksa noch nicht. „Aber es interessiert mich, das herauszufinden.”