2022 sollte das Jahr eins nach der Pandemie werden. Für Festivals, Clubs, Künstler:innen und zuvorderst Raver:innen, die ihre Wochenenden endlich wieder auf dem Dancefloor verbringen konnten – der große Neustart des Nachtlebens.
Für viele aber blieb die triumphale erste Party nach zwei Jahren Feierpause aus, und das ganz freiwillig. Wir wollten wissen, wieso, und haben einen Instagram-Aufruf gestartet, auf den hin sich viele ausgehmüde Personen gemeldet haben.
Stellvertretend haben wir drei von ihnen ausgewählt und protokolliert, wieso ihnen trotz offener Clubs und einem Überangebot an Festivals schlicht nicht nach Feiern zumute ist. Lest hier ihre Geschichten.
Pia Saladin
Pia Saladin ist 25 Jahre alt, lebt und arbeitet in St. Gallen in der Schweiz und Berlin. Vor der Pandemie war sie in der gesamtdeutschen Clublandschaft unterwegs, danach primär in Zürich. Während Corona hat sie begonnen, auflegen zu lernen.
Wenn ich’s in einem Satz zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass ich durch Corona erwachsener werden musste. Ich glaube, das ging vielen anderen Leuten auch so. Ich arbeite an der Uni und habe für ein Paper meine Bekannten und Freunde interviewt, die in der Technoszene unterwegs sind und selbst auflegen oder gerade damit angefangen haben. Gegenstand war, wie die Szene sich während Corona verändert hat. Die Meisten haben gesagt, dass sie sehr viel mehr in der Realität angekommen sind, weil sie nicht jedes Wochenende in den Club fliehen konnten.
Während der Hochphase ging das in der Schweiz aber ziemlich gut. Wir hatten hier relativ krasse DJs, weil die Schweiz als einziges Land in Europa noch im Clubbetrieb war. Die Line-ups wurden während Corona noch besser, aber die Stimmung war ziemlich gedrückt. Irgendwann war die Puste einfach weg. Die Lage war aber immer noch besser als in Berlin, wo ich früher gewohnt habe. Dort kenne ich einige Leute, die während der Pandemie, vor allem Winter, weggezogen sind, weil das Einzige, was die Stadt in dieser Zeit für sie wirklich erträglich macht, die Clubs sind. Wenn die zu sind und man in seiner superteuren, kleinen Wohnung sitzt und nichts hat, um sich abzulenken, zieht man eben weg.
Auch das Publikum hat sich verändert. Es gibt eine extrem große Masse an jungen Leuten, die jetzt wieder in die Clubs strömen, frisch 18, 19 geworden. Die haben sich sehr stark an den sozialen Medien orientiert, weil sie zwei Jahre eingesperrt waren.
Pia Saladin
Früher waren Clubs mein Safe Space, mein Zuhause. In Berlin und in der Schweiz. Als sie geschlossen wurden, hatte ich das Gefühl, mir würde jemand genau dieses Zuhause wegnehmen. Ich habe mich dann gefragt, wie ich es mir selbst wieder aufbauen kann. Für mich besteht Ausgehen aus der Musik, der sozialen Interaktion und dem Tanzen als Sport. Sport habe ich alleine gemacht, mit meinen Freunden konnte ich mich auch so treffen, also fehlte mir nur noch die Musik. Irgendwann habe ich gemerkt, dass Beatmatchen auch alleine im Schlafzimmer geht.
Ich gebe mir echt Mühe, Auflegen zu üben, und verzweifle teilweise ein bisschen daran. Ein Freund, der in einem Schweizer Club tätig ist, meinte zu mir, dass es ein paar Post-Corona-DJs gibt, die nicht mehr übers Gehör beatmatchen, sondern nur noch aufs Display gucken.
Auch das Publikum hat sich verändert. Es gibt eine extrem große Masse an jungen Leuten, die jetzt wieder in die Clubs strömen, frisch 18, 19 geworden. Die haben sich sehr stark an den sozialen Medien orientiert, weil sie zwei Jahre eingesperrt waren. Vielleicht haben die auf TikTok geguckt, was so der Techno-Style ist. Für Stammgäste ist es ein bisschen weird, Leute in krassen Kostümen und mit Make-up zu sehen. Die dann auch wirklich TikToks drehen und filmen, obwohl eine No-Photo-Policy herrscht. Klar, Techno verändert sich immer, aber ich tue mir momentan noch etwas schwer damit, wie diese neue Generation alles interpretiert.
Es geht sehr viel um Social Media; wie sehe ich aus? Wo kann ich das posten? Für uns war mehr die Musik im Zentrum. Es gab davor auch schon Fashionraver, aber die waren nicht so jung und so krass unterwegs auf Social Media. Und das sind wirklich viele. Ich durfte letztens bei einem Event die Selektion machen. Da ist mir richtig aufgefallen, wie die Leute aussehen. Extrem jung, extrem motiviert zu feiern. Aber das Zusammenhaltsgefühl, das Techno für mich ausmacht, fühlte ich eher nicht. Mehr Hedonismus, der aufs Ego abzielt. Das sieht man auch daran, dass aktuell bei uns viel mehr Leute auf dem DJ-Pult tanzen. Vor Corona gab es ein, maximal zwei Leute, die das hier gemacht haben. Letztens hat Callush aufgelegt und man konnte sie fast nicht sehen, weil sich Leute in einer Reihe vor sie aufs DJ-Pult gestellt haben. Das hatte ich davor noch nie so erlebt.
Die Freiheit wie vor Corona gibt es nicht mehr. Weil so viel passiert ist und immer noch so viel passiert. Ich würde mich freuen, das aus dem Kopf kriegen zu können.
Pia Saladin
Ich habe die negativen Seiten des Ravens nie so sehr wahrgenommen wie während der Pause. Als ich gezwungen war, darüber nachzudenken. Man hatte das erste Mal das Gefühl, dass man richtig krank werden kann. Zuvor war’s halt mal eine Grippe, wenn man zu lange unterwegs war. Jetzt denke ich mir jedes Mal, ob ich wirklich feiern gehen und eine Ansteckung mit Covid bewusst in Kauf nehmen will.
Clubs müssten auch abseits des Virus wieder Safe Spaces werden. Auch durch die Needle-Spiking-Vorfälle bekam ich das Gefühl, es sei wirklich gefährlich, hinzugehen. Es wäre super, wenn im Club selbst mehr Community-Events stattfinden würden. Vielleicht wäre es gut, die Subkulturen dort mehr zu vermischen. Veranstaltungen, auf denen man in Kontakt kommt. Ich gebe mir Mühe, auf die TikTok-Raver zuzugehen, aber so leicht ist das auch nicht. Die Werte von Techno sollten wieder stärker in den Fokus gerückt werden.
Dass ich weniger ausgehe, hat auch seine gute Seiten; letzte Woche habe ich meine Führerscheinprüfung bestanden. Das wäre zuvor nicht möglich gewesen, weil ich das Mindset nicht hatte, mich da durchzukämpfen. Auch beruflich sieht’s ganz gut aus, dafür ist mir ein Stück Leichtigkeit und Lebensfreude verloren gegangen. Ich suche noch nach Wegen, das wiederzubekommen. Aktuell versuche ich, mich durch die Musik auszudrücken.
Die Vor-Corona-Zeit war auf eine Art die schönste meines Lebens, und ich bin sehr froh, dass ich sie erleben durfte. Jetzt bin ich erwachsen und frage mich, was noch kommt. Das ist schon schade. Wenn ich aber mit diesem Mindset durch die Welt gehe, kommt logischerweise auch nichts mehr. Ich gebe mir Mühe, offen zu sein, und probiere ab und zu ein Event aus einem neuen Genre aus. Die Freiheit wie vor Corona gibt es trotzdem nicht mehr. Weil so viel passiert ist und immer noch so viel passiert. Ich würde mich freuen, das aus dem Kopf kriegen zu können.
Louis
Louis ist 26 Jahre alt, Fotojournalist und wohnt in Hannover. Er ist als Live-Act, als Veranstalter und in der Psycare aktiv.
Dass ich nicht mehr so wirklich Lust habe zu feiern, kam auch unterbewusst. Vor Corona war ich sehr aktiv in der Szene. Ich produziere selbst, spiele als Live-Act, ich habe auf Festivals Floors mitgebaut, mache Psycare über den SONICS e.V, habe auch in Hannover einen Verein zu akzeptierender Drogenarbeit mitbegründet. Vor Corona waren es schon sechs bis acht Festivals im Jahr, außerdem war ich auf vielen Underground-Partys in Hannover, weil mir die Clubs dort zu kommerziell sind.
Natürlich spielt auch mit rein, dass ich seit 2020 in einer festen Beziehung bin und meine Freundin nicht so viel feiern geht – oder wenn zu anderer Musik. Man hat sich einfach in einem anderen Kontext kennengelernt, als es sonst oft der Fall war.
Louis
Anfang 2020 habe ich ein Praktikum bei einer Tageszeitung in Niedersachsen absolviert und dort von Anfang an mitbekommen, wie Corona nach und nach eine Seite nach vorne gerutscht ist, bis es dann irgendwann in Deutschland angekommen und ein Lokalthema war, das die Titelseite gefüllt hat. Ich war noch einmal in Bremen in einem Club, einer Zwischennutzung, Anfang März gab es noch eine Hausparty in meiner WG. Und dann war erst mal gar nichts.
Ich musste viel arbeiten und war im Hannoveraner Underground nicht mehr so drin, da wurde wegen Corona aber direkt alles runtergefahren. Die Szene dort war von Anfang an ziemlich auf dem Dampfer, auch bei unangemeldeten Veranstaltungen hatten die eine Testpflicht. Es wurde drauf geachtet. Im Sommer gab’s dann ein paar Sachen im kleinen Rahmen, Festivals haben 2020 für mich gar keine Rolle gespielt. Das musste einfach nicht sein. Ich war die Jahre davor durchgehend auf der Fusion, aber mit 70.000 Leuten aufm Acker erschien mir da echt nicht sinnvoll. Mein gesamter Freundeskreis, der dieses Jahr auf der Fusion war, kam übrigens mit Corona zurück.
Natürlich spielt auch mit rein, dass ich seit 2020 in einer festen Beziehung bin und meine Freundin nicht so viel feiern geht – oder wenn zu anderer Musik. Man hat sich einfach in einem anderen Kontext kennengelernt, als es sonst oft der Fall war. Musik und Feiern spielten da keine so große Rolle. Und zusammen feiern zu gehen ist auch kein Riesenthema. Machen wir schon mal, aber ich gehe halt tendenziell um 3 erst zur Party, und sie ist dann eher schon in dem Modus, dass sie gerne gehen würde. Da gehen die Rhythmen auseinander. Sie wohnt jetzt außerdem in Berlin, eine Fernbeziehung frisst viele Wochenenden, die fürs Feiern wegfallen. Beziehungskonstrukte sind durch Corona auf jeden Fall deutlich wichtiger geworden.
Grundsätzlich habe ich immer noch Bock zu feiern, aber es hat sich in einen ganz anderen Rahmen verschoben. Viel weniger Clubs und so was, dafür deutlich mehr Privates und Intimes. Ich hatte noch kein Corona, das soll so bleiben, und da konnte ich mir sicher sein, dass mehr auf Tests geachtet wird. Das hat sich immer im Freundeskreis abgespielt. Wenn da zwei Personen ohne Impfung dabei waren, wurden die eben nicht eingeladen. Es war klar: Die Impfnachweise sind echt, die Tests sind nicht gefälscht. Dadurch habe ich mich deutlich wohler gefühlt.
Tatsächlich gab es ein, zwei Situationen, in denen ich den Umgang richtiger Clubs damit schwierig fand. Es kann noch so breit auf dem Flyer stehen, dass Tests erforderlich sind. Wenn sie nicht richtig kontrolliert werden, hilft das auch nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort mit falschem Impfausweis abgewiesen worden wäre. Nur mal kurz auf einen QR-Code auf dem Handy gucken reicht nicht. Es gibt gesetzliche Bestimmungen, aber auch soziale Verantwortung. Wenn ich feiern gehe, will ich mich dort wohlfühlen und ohne Maske rumrennen können. Und wenn die Bestimmungen lasch gehandhabt wurden, konnte ich das nicht. Natürlich gibt es immer ein Grundrisiko, wenn ich während einer Pandemie ausgehe, aber man sollte es möglichst kleinhalten. Letztendlich musst du einfach alles kontrollieren, und dann is’ gut.
Dass nicht nur ich die Lust verloren habe, habe ich übrigens auch sehr stark an meinem Job in der Psycare gemerkt. Da wurden die ganze Zeit händeringend Leute gesucht. Ich glaube, ich hätte auf jedes Festival fahren können, wenn ich gewollt hätte. Teilweise musste Personal rangeholt werden, was nach unseren Statuten den Job nicht hätte machen sollen, weil Schulung und Erfahrung noch nicht da waren. Das führte zu anderen Teamkonstellationen. Wo sonst 100 Leute mit jahrelanger Erfahrung tätig waren, standen da plötzlich nur noch 30, von denen die Hälfte das noch nie gemacht hatte.
Allerdings waren viele Festivals ohnehin überhaupt nicht ausverkauft. Und wenn doch, wie gesagt: Ich stelle es mir komplett weird vor, mit 70.000 Menschen auf einem Floor zu stehen. Richtig unheimlich. Da wäre wahrscheinlich gar nicht mal das Problem, dass ich Angst hätte, mich anzustecken. Menschenmassen haben durch Corona aber eine andere Konnotation erhalten. Man ist skeptischer, vorsichtiger und weniger an sie gewöhnt. So richtig fallen lassen kann ich mich eher auf einem kleinen Floor. Und ich weiß aus dem Freundeskreis, dass es mehr Leuten so geht, die damit davor kein großes Problem hatten. 7000 Leute gehen schon, aber das sind ja ganz andere Ausmaße. Und das zieht sich in alle Bereiche: Beispielsweise nimmt man grundsätzlich überlastete sanitäre Anlagen jetzt ganz anders wahr.
Generell verspüre ich nicht mehr den unbedingten Drang, in den Club zu gehen. Wenn ich mir das Gedränge und Klokabinen mit vier Leuten nicht antun will, warte ich eben ein, zwei Wochen, bis eine richtig geile Veranstaltung ist, wo ich weiß, es passt alles. Das wird auch eine langfristige Änderung sein; Leute werden wählerischer sein. Nicht mehr jedes Wochenende drei Tage wach. Natürlich scheint es noch genug Leute zu geben, die Bock drauf haben, der Clubbetrieb in Berlin läuft ja noch. Für mich hat sich das aber geändert. Ich habe nicht mehr das Gefühl, wirklich was zu verpassen. Vor Corona war ich 24, jetzt werde ich bald 27. Man wird älter. Wenn jetzt ein geiler Live-Act im Weltspiele spielt, kommt der wahrscheinlich auch nochmal wieder.
Frederike Fuchs
Frederike Fuchs (Name geändert) ist 28 Jahre alt, ursprünglich aus Karlsruhe. Sie hat in Köln gelebt und macht derzeit ihren Master in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Berliner Universität der Künste, arbeitet außerdem in einem Designbüro.
Seit Corona begonnen hat, gab es anderthalb Partys, auf denen ich war. Die waren auch erst dieses Jahr. Ich bin nicht mal in den letzten Sommern ausgegangen. Eine klare Haltung dazu hatte ich aber nicht. Noch hatte ich kein Corona und bin damit eine der Wenigen, die es noch nicht bekommen hat. Das liegt sicher auch daran, dass ich eher zum Team Vorsicht gehöre. Erklären kann ich’s mir aber nicht ganz, weil ich in Bars bin, in Restaurants sitze, bis auf Clubbesuche eigentlich alles mache. Die bloße Angst, sich das Virus einzufangen, hindert mich nicht am Ausgehen, das ist nicht der Haupt-, sondern ein Begleitgrund.
Nach einer Firmenfeier war ich Anfang dieses Jahres für 15 Minuten in der Paloma Bar – das war die halbe Party, die ich meinte. Das ist aus dem Moment heraus spontan passiert, so wie ich Ausgehen am liebsten mag. Die Musik war gut, ich habe in der Schlange noch jemanden getroffen, den ich kannte, es war alles super. Ich stand das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder in einem Club.
Das war eine Cluberfahrung in a nutshell, obwohl die Paloma Bar ja kein richtiger Club ist. Man stand in der Schlange, musste sich von den zwei Türstehern in die Tasche gucken lassen, sagen, warum man da hinwill, man hat Eintritt bezahlt, die Jacke abgegeben, ein Bier bestellt, die klassische Interaktion mit der Barfrau und fünf Sekunden, bevor man im Laden war, schon ein paar Leute kennengelernt. Das war richtig schön, dann habe ich zehn Minuten getanzt und dachte mir: Das reicht jetzt wieder. Damals war die Corona-Lage für mich persönlich noch heikler, es kam in mir das Bewusstsein auf, dass ich mich nicht richtig entspannen kann, wenn so viele Leute auf engem Raum sind. Es war unter der Woche, aber beide Floors waren richtig voll. Also bin ich wieder gegangen.
Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Ausgehens hat sich durch Corona für mich komplett geändert. Ich weiß, es klingt fürchterlich, aber Feiern ist immer auch ein Invest, nicht nur monetär.
Frederike Fuchs
Dann gingen weitere Monate ins Land und ich bin immer noch nicht ausgegangen, wobei ich das früher sehr, sehr, sehr gerne gemacht habe. Es wurde zwar schon vor der Pandemie etwas weniger, weil ich da in einer festen Beziehung war, was auf jeden Fall ein Faktor ist, aber trotzdem.
In eurem Instagram-Post war vom Neustart die Rede. Ich habe festgestellt, dass sich, was ab Februar und März passiert ist, null nach Neustart angefühlt hat. Für mich gibt es keine Vorher-Nachher-Zäsur, jetzt geht es wieder, jetzt ist alles wieder in Ordnung, jetzt ist alles wieder offen, let’s go! Alles ist fließend. Diese Krankheit wird nicht mehr weggehen, wir werden mit ihr leben müssen, auch wenn sie wohl nicht mehr lebensgefährdend sein wird. Vielleicht habe ich mir diesen Neustart auf naive Weise erträumt, als euphorischen, hypothetischen Moment. Alles geht wieder, du gehst auf die erste Party, die es nach langer Zeit wieder gibt. Dieses Gefühl hatte ich nicht, nullkommanull. Kann auch an meiner Peergroup liegen, die unterschiedlich mit dem Thema umgeht. Ich habe nicht mal wirklich mitgeschnitten, wann es gesetzlich wieder möglich war, in Clubs zu gehen, weil ich es zu dem Zeitpunkt sowieso irre fand.
Viele Leute da, die ich kannte, superschön, aber ganz stumpfe, langweilige Technomusik. Das hat mich überhaupt nicht abgeholt.
Frederike Fuchs
Jetzt würde mich mein Risikobewusstsein aber nicht mehr davon abhalten. Ich war auch noch einmal aus, so richtig geplant. Das war eine Party im OXI, von Bekannten. Und ich muss sagen: Es war ziemlich langweilig. Viele Leute da, die ich kannte, superschön, aber ganz stumpfe, langweilige Technomusik. Das hat mich überhaupt nicht abgeholt. Ich war trotzdem lange da und habe es, so weit möglich, genossen, auch nicht an Corona gedacht. Um 7 bin ich nach Hause getorkelt, war am nächsten Tag verkatert, alles super gewesen.
Am Montag habe ich aufs Wochenende zurückgeblickt, und mir fiel auf, dass mir ein Schlüsselmoment gefehlt hat, um wieder reinzukommen. Ich dachte nicht, dass mir das viel gegeben hat, dass Feiern und Ausgehen für mich meditativ sind. Das war es davor für mich immer. Den Körper machen lassen, nicht den Kopf, gute Musik hören, die Nacht zum Tag machen, die ganzen Floskeln, die aber was Wahres haben. Das fehlt mir noch immer. Ein Schlüssel, der diese Tür wieder öffnet, die mir zeigt, was Weggehen für mich für einen Nutzen hat.
Ich glaube, das ist mein Kernpunkt: Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Ausgehens hat sich durch Corona für mich komplett geändert. Ich weiß, es klingt fürchterlich, aber Feiern ist immer auch ein Invest, nicht nur monetär. Wenn wir ehrlich sind, ist nicht jede Party, auf die man geht, übel nice. Man tanzt nicht immer drei Stunden mit geschlossenen Augen durch und lernt zehn neue Freunde kennen. Ganz oft hast du aber deine über 15 Euro Eintritt gezahlt, stehst in Berlin noch ewig in der Schlange, womit ich als Kölnerin ohnehin schlecht umgehen kann. Langsam komme ich auch in ein Alter, in dem es mir nicht mehr so viel bedeutet. Clubben ist für mich nicht mehr dieses jugendliche Distinktionsmerkmal nach dem Motto: Ich höre gute elektronische Musik, ich kenne mich aus, Szene, Leute kennen. Das war mal wichtiger. Auf der Kostenseite hat man außerdem den Kater danach.
Kosten und Nutzen waren damals anders verteilt als jetzt, der Nutzen wahnsinnig viel wert und bei den Kosten dachte ich mir: Nimm’ meine Zeit, nimm’ meine körperliche Energie! Jetzt ist das verdreht. Ich freue mich, am nächsten Tag frisch und munter zu sein, und kann auch so nice Musik hören. Je älter man wird, desto höher werden auch die Ansprüche in allen Lebensbereichen. Man lernt sich auch im Ausgehkontext besser kennen und hat mehr Erfahrungen gemacht. All das ist durch diese Pause bei mir kulminiert. Ich empfand sie sogar als angenehm. Freunde von mir haben sich jedes Wochenende beklagt, dass sie nicht ausgehen konnten. Ich war selbst davon überrascht, dass ich nicht intrinsisch gemerkt habe, dass mir was fehlt. Meine Gesundheit steht für mich über allem, deshalb kam Ausgehen für mich nicht in Frage. Es war nicht möglich, also habe ich es auch nicht vermisst.
Ich selbst würde mich als sehr rationalen Menschen beschreiben, beim Feiern habe ich nur kontrollierte Kontrollverluste gesucht. Wenn ich zum Beispiel chemische Drogen nehme, dann nur gezielt, auf den Punkt hin. Ich möchte auch im Rauschzustand alles mitbekommen, nicht aus der realen Welt raus. Das heißt aber nicht, dass ich nicht gerne mal wieder ausgehen würde. Wenn ich die Chance hätte, würde ich mir meine Traumparty zusammenkuratieren, um das Feuer wieder zu entfachen, meine neue Perspektive auf Kosten und Nutzen wieder brechen zu können. Um zu sehen: Das ist richtig viel Nutzen. Aber derzeit habe ich diesen Zugang nicht – und keinen Bock, mich drum zu kümmern. Ist doch auch ohne alles nice. (lacht)