GIDEÖN – Ritmo EP (Homo-Centric)
Die dem verstorbenen Aaron Carl (1973 bis 2010) gewidmete Erstlings-Platte von Gideön Berger auf seinem Label Homo-Centric zitiert die Worte des Detroiter Produzenten und viele der für House ikonisch gewordenen musikalischen Elemente. Warme, lebensbejahende Chords, gecuttete Vocals, die dem Genre selbst ihre Reminiszenz erweisen und einen schweren, schiebenden Four-to-the-Floor-Beat.
Auf „Ritmo” darf sich die Acid-Maschine austoben, während sinnliche Samples die Stimmung sexuell aufheizen. „It Does Not Burn Me” ist Beatdown-Deep-House par excellence mit der richtigen Mischung aus Acid-Riff und gedämpften Akkorden, begleitet von atmosphärischen Samples. „Over Back Then” ist Vertreter der souligen Ausprägung des Genres, wieder mit Diva-Präsenz und schimmernden Synths.
Gäbe es in der Schule ein Fach zur House-Musik, man könnte mit dieser EP den Neuen ganz gut erklären, worum es dabei geht. So schafft es GIDEÖN, die DNA des Genres zu kristallisieren und House in seiner Essenz – farbenfroh, selbstbewusst und queer – abzuliefern. Leopold Hutter
Jodey Kendrick – Changes (Repetitive Rhythm Research)
Jodey Kendrick ist quasi das Gegenmodell zu den Celebrities der Technoszene: Keine Fotos, kein Social Media, kaum Interviews. Dafür ein steter Fluss an Veröffentlichungen, die teils auf legendären Labels wie Clone Records oder Rephlex, einem der Tempel des Braindance, gelandet sind.
Verglichen mit diesem stark abstrakten und verkopften Erbe, bewegt sich Changes relativ geradlinig, wenn auch komplex gelayert und durchweg in finstere Klänge gehüllt. Dabei kann vor allem die B-Seite mit ihren eher konzeptionell gedachten Stücken überzeugen. Der letzte Track „Organic Matter Detected” streift wie ein Tauchroboter auf Ritalin über den Meeresgrund und ist sich in seinem schnörkellosen Aufbau selbst genug. Highlight der Platte ist „The Metal Planet”, dessen Industrial-Sound hart an der Grenze zum Klischee schrammt. Von der Hi-Hat zusammengetackert, fügt sich aber doch alles ineinander und der Stahlhammer pumpt sowohl in die Magengrube als auch zielgenau hinter die Großhirnrinde. Philipp Gschwendtner
Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.
Memphis Glass – Mechanics EP (Distant Horizons)
House für kleine Räume, Kellerräume, wo alles entstehen kann in der Dunkelheit, was Memphis Glass auftauchen lässt auf dieser 4-Stücke-EP: Brandung, Vögelchen, wie die Sonne wandert im Laufe des Tages. Kleine Dinge, lässig erzählt.
Der englische Produzent eröffnet seine zweite EP mit House-Beats mit beschwingten 126 Schlägen pro Minute. In den oberen Frequenzen sprenkeln diverse Synthies alles bunt. So geht es auch weiter, wenn in „Unpacked” ein Keyboard vor sich hinzusummen scheint. Rhythmische Schläge bleiben harmonisch nah am Hauptstrom, all dies danach durchvariiert, nackte Beats, Innehalten, der Hauptstrom kehrt zurück. „Hard Times” ist ein in größere Bruchstücke zerhauenes Piano-House-Stück mit verhallenden Flächen im Himmelsgewölbe. „Let It Pour Out Of You” sagt Gute Nacht mit weich gemaltem Sternenhimmel und einer lieblichen Synthie-Stimme. Nice! Christoph Braun
Pangaea – Fuzzy Logic / Still Flowing Water (Hessle Audio)
Keine Überraschung: Hessle Audio lebt – nachdem sich zuletzt Shanti Celeste mit dem glorreichen „Cutie” zurückmeldete, folgt nun Pangaea. Und, das ist kein Geheimnis mehr, Pearson Sound wird es ihm demnächst nachtun.
Nun aber zu Fuzzy Logic / Still Flowing Water: Zweckmäßig nach den beiden Tracks, die jeweils noch im Edit stattfinden, betitelt, weist die EP das Clubmusikverständnis des Briten dieses Mal in funktionalerer Manier aus. Wo 2018 im Hit „Bone Sucka” noch Rave-Chords überforderten, verwirrt „Fuzzy Logic” auf perkussiver Ebene. Claps, Hi-Hats und zum Schluss noch Bongos rattern zwischen den Kicks umher, dazwischen rumoren Dubstep-Bässe, die an Shackletons Skull-Disco-Zeiten erinnern. Zur Mitte hin dann blecherne Snares, Ravesignale und eine gerade Marschrichtung, anschließend tooliges Auslaufen auf hohem Niveau.
„Still Flowing Water” – beide Tracks sind ihrer Machart entsprechend betitelt – baut auf einen stoischen wie haptischen Four-to-the-Floor-Beat mit Disco- und Dub-Techno-Einschlägen, der mit seinem nervösen Break in der Mitte auch auf traditionellen Dancefloors verschiedenster musikalischer Prägung für Bewegung sorgen dürfte. Maximilian Fritz
Reptant – Halls Of Perception (Trust)
In den titelgebenden Hallen der Erkenntnis reift eine Gewissheit schnell heran: Der Australier Reptant hat Spaß an dem, was er macht. Seine Electro-Definition transportiert den optimistischen Geist früher Neunziger-Produktionen, in denen positive Zukunfts- und Science-Fiction-Visionen eine Rolle spielten, aber eben auch Hedonismus und Eskapismus.
In den fünf Stücken, vor allem im Opener und dem Titeltrack, treffen offensive Electrobeats auf spacige Synthie-Flächen, und Reptant schafft es mit verblüffender Leichtigkeit, den Minimalismus seiner Arrangements mit dem geradezu symphonischen Aspekt der teilweise grandiosen Flächen stimmig zu verbinden. Im dritten Track, der als einziger das Tempo drosselt und eher über einem Hip-Hop-Beat aufgebaut ist, stehen saftig schmatzende Synthies einem Akkord-Sound aus der Mort-Garson-Schule gegenüber, was ebenfalls bestens harmoniert. Das abschließende „Organizm Mechanizm” addiert zu dem beschriebenen Beat-Flächen-Dialog dann noch eine funky modulierte Bleep-Sequenz und wird dadurch zum clubbigsten Track der Veröffentlichung und dem Versprechen des Labels hundertprozentig gerecht, dass die EP „bleepige Momente transzendenter Glückseligkeit” beinhalte. Word! Mathias Schaffhäuser