Foto: Presse (Henning Baer)
Henning Baer ist eine zentrale Säule der Berliner Techno-Szene – und eine sehr agile obendrein. Der MANHIGH-Betreiber und Produzent hat mit den Grounded Theory-Partys entschieden dazu beigetragen, den Sound der Stadt um wichtige Nuancen zu erweitern. Mittlerweile betreut er das Booking im RSO und setzt dort Akzente, während er Veranstalter und DJ weiterhin in der Stadt und darüber hinaus Akzente setzt. Wie es klingt, wenn er im Studio an die Decks tritt, zeigt sein Mix für unsere Groove-Podcast.
Als du das letzte Mal mit der Groove gesprochen hast, war dein Job ein ganz anderer: Du hast im Impfzentrum gearbeitet. Wie ist es dir seither ergangen?
Ja, das ist wohl wahr! Den Job im Impfzentrum habe ich Ende September 2021 beendet und übernahm dann gleich im Oktober den Posten des Bookers im RSO, ehemals Revier Südost. Nachdem der Club Ende August wegen eines Rassismusvorfalls die Türen geschlossen hatte, wurde ich Teil des neuen Teams. Zunächst haben wir viel geplant und große Teile der Operation umstrukturiert und die Eröffnung des Innenbereichs des Clubs vorbereitet. Bis dahin fanden dort aus bekannten Gründen ausschließlich Open-Airs statt. Am 20. November 2021 haben wir dann offiziell indoor eröffnet. Allerdings war der Clubbetrieb nur von kurzer Dauer, die letzte Party vor dem erneuten Lockdown fand am 4. Dezember statt. Die Zeit bis zum Opening Ende März 2022 konnten wir allerdings gut nutzen, um weiter an der musikalischen Direktion und Identität zu arbeiten. Seitdem haben wir Freitag sowie Samstag bis Montagmorgen und auch an einigen Donnerstagen geöffnet. Es ist ein unglaublich spannendes Projekt, durch das ich wieder sehr viel Neues erfahren konnte und gelernt habe. Club-Booking wollte ich immer machen. 13 Jahre Grounded Theory mit sechs bis acht Veranstaltungen im Jahr sind dann doch eine ganz andere Nummer. Die Frequenz und die Kuration wöchentlicher Nächte erlauben einiges hinsichtlich der Umsetzung kreativer Visionen.
Die von dir mitorganisierten Grounded-Theory-Nächte laufen mittlerweile wieder einigermaßen regelmäßig, mittlerweile habt ihr im RSO eine neue Heimat gefunden. Was ist der Status quo von Grounded Theory, welches Konzept verfolgt ihr damit heutzutage?
Grounded Theory findet weiterhin im zwei- bis dreimonatigen Rhythmus statt und wir kommen gerade wieder in Tritt in post-pandemischen Zeiten. Mit dem RSO haben wir keine neue Heimat gefunden, sondern eher eine Ergänzung zum Tresor, wo wir unverändert veranstalten werden. Grounded Theory 55 wird am 18. November dort stattfinden. Ob das RSO weiterhin als unser Club in Frage kommt ist noch nicht sicher, da ich eigentlich den Interessenkonflikt vermeiden möchte, gleichzeitig Club-Booker und Veranstalter dort zu sein. Außerdem gefällt mir der Gedanke, an mehreren verschiedenen Orten in der Stadt aktiv zu sein. Obwohl ich für das Programm im RSO verantwortlich bin, möchte ich weiterhin im Tresor veranstalten oder in anderen Clubs spielen und sehe auch keinen Grund, warum das eine das andere ausschließt. Für mich zählt das Mit- und nicht das Gegeneinander.
Das von dir gegründete Label MANHIGH ruht derweil noch, zuletzt erschien dort Mitte 2021 eine EP von DJ Frankie. Welche Rolle spielt die Labelarbeit derzeit in deinem Schaffen?
Ja, MANHIGH ruht derzeit. Die Pandemie hat das Label-Business auf Null gefahren. Das lag zum einen an meinem Teamleiterposten im Impfzentrum, dem Booker-Job im RSO und auch einer veränderten Gemengelage des Games. Ich würde es als Kreativpause bezeichnen, aber ich habe auch aktuell schlicht nicht die Zeit, um das Label zu betreiben, da ich ja on top auch noch weiterhin an den Wochenende unterwegs bin. Mit meinen zur Verfügung stehenden Kapazitäten muss ich haushalten und das Label hat gerade am wenigsten Priorität.
Als Produzent hast du zuletzt die EP Sui Generis auf Pinkman veröffentlicht. Wie kam das Release zustande?
Den Titeltrack schrieb ich bereits Anfang 2020 und im Verlauf des ersten Pandemiejahres gesellten sich die restlichen Tracks hinzu. Sui Generis habe ich Marsman im Februar 2020 geschickt und er schlug umgehend eine komplette EP vor. Pinkman ist für mich eines der Top-5-Labels im Bereich Electro, Electronics, EBM. Ein wahnsinnig starker Backkatalog. Der ursprüngliche Release-Termin Ende 2020 konnte leider aus verschiedensten Gründen nicht gehalten werden und es zog sich alles etwas hin, aber im März diesen Jahres erschien die Platte dann endlich.
Der Sound ist ausgesprochen rough und analog. Wie sieht derzeit dein Setup aus, welche Maschinen und Tools sind in deiner Praxis gerade wichtig?
Meinen Sound würde ich grundsätzlich als rough und analog bezeichnen. Das sind Attribute, die ich mir gerne selbst zuschreibe und diese auch aktiv verfolge. Sui Generis ist hauptsächlich Roland 808, 101, Korg MS2000 sowie diverse Overdrive- und Delay-Pedale entstanden, getrackt auf einem Midas Venice 240 und aufgenommen in Ableton Live. Gemischt habe ich die Tracks ebenfalls in Live mit diversen Software Plugins. Grundsätzlich ist das auch weiterhin mein Setup und es kommt immer mal etwas neues Altes hinzu oder ersetzt Maschinen. Die 909 ersetzt die 808, Model D ersetzt die 101 und so weiter. Leider habe ich aber aus oben genannten Gründen aktuell kaum Zeit dafür, Musik zu schreiben. Aber ich hoffe, dass sich das bald wieder ändern wird. Allerdings kann ich das derzeit noch nicht so wirklich abschätzen. Warten wir mal ab …
Was war die Idee hinter deinem Mix für unseren Groove-Podcast?
Ich möchte nicht zu viel Idee in einen Mix interpretieren, denn letztendlich liegt die Hoheit der Interpretation bei den Zuhörer*innen. Da es sich um einen Studio-Mix handelt, unterscheidet er sich zumindest in Teilen von einem Live-Recording. Alles weitere kann man sich anhören …
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Meine musikalische Vision und die Identität des RSO voranzutreiben und den Club als Ort weiter zu etablieren. Gemeinsam mit dem Team tolle Parties zu planen und umzusetzen, hat aktuell Priorität. Zudem möchte ich das Auflegen als Teil meiner Künstleridentität durchziehen und dann auch wieder eigenen Musik veröffentlichen. Grundsätzlich sind meine Pläne, mehr über die Welt und mich zu lernen und versuchen zu verstehen, warum Dinge sind, wie sie sind. Wissbegierig bleiben hält den Geist auf Trab und fördert die Kreativität.
Stream: Henning Baer – Groove Podcast 355
01. Kosei Fukuda – Iwakan
02. Arkan – Kyrylivska 41
03. Johannes K – Time (Duncan Macdonals Remix)
04. Deano – Dead End
05. Benjamin Damage – Pressure
06. Tensal – Back To Birmingham
07. Nørbak – Pure and Faithful
08. Daniel Avery – Unfolder
09. Matrixxman vs. Espen Lauritzen – Dungeons & Dragons
10. Kashpitzky – Tessellate
11. Rebecca Delle Piane – Wake Up And Dance
12. Kr!z – Havoc
13. Alarico – The Rush Hour
14. Emmanuel – Timecode
15. Schacke – Body Type