Cio D’Or – Polar Q EP (Kynant)
Seite eins von Cio D’Ors neuer großartiger Polar Q EP umfasst vier Stücke, die von den Sounds und der Ausstrahlung her die Wirkung eines einzigen mehrteiligen Tracks haben. Die Stücke werden durch Klänge zusammengehalten, die mal entfernt an sich brechende Wellen und Wassertropfen erinnern, mal konkret nach Samples derselben klingen. Und von einer Bassdrum, die leise gehört sanft wirkt, auf großer Lautstärke aber eine enorme Wirkung entfaltet.
Auf Seite zwei dominieren dann Tracks ohne gerade Kick – alle weiteren Einordnungsversuche sollen aber vermieden werden, denn auch diese vier Stücke führen den speziellen Charakter der ersten Seite fort. Toll, wie in „Permanent Key” Wassertropfen direkt in den Gehörgang zu fallen scheinen und gleichzeitig Element des Rhythmus werden. Erst nach mehrmaligem Hören erfuhr der Autor dieses Textes übrigens, dass Cio D’Or die EP mit einem inhaltlichen Konzept zu „Klimawandel in Verbindung mit dem Thema Wasser” komponiert hat. Und war zusätzlich begeistert davon, wie sie das ernste Thema ohne jeden Betroffenheitskitsch umgesetzt hat. Mathias Schaffhäuser
downstairs J – Too (SUZI)
Nach seinem beachtlichen Debütalbum basement, etc… aus dem vergangenen Jahr legt der New Yorker Produzent Josh Abramovici alias downstairs J jetzt mit der EP Too nach. Was in diesem Fall einerseits mehr desselben, andererseits aber auch etwas (fast) völlig anderes bedeutet.
Zum Einstieg gibt es einen maximal reduziert-entspannten Groove, dessen Feinheiten über seinem stillen Ansatz glatt überhört werden könnten. Mehr Aufmerksamkeit fordert hingegen „Mana 4000” mit filigranem Techno-House, in dem der Groove kaum merklich den ganzen Track hindurch leicht variiert wird. Höflich aufgedreht geht es dann mit „Orion” weiter, nervös synkopierte Arpeggien inklusive. Zum Ausklang noch einmal eine zurückgelehnte Nummer, mit einem gelassen-kratzigen Jazzbeat. Sehr schöner Einstand für das Label SUZI. Tim Caspar Boehme
Maara – Fancy Feast EP (Kalahari Oyster Cult)
Trance ist wieder da. Irgendwie immer noch sonderbar, sorry für die wiederholte Feststellung – siehe die letzte Maara–Kritik. Wenn man andererseits hört, mit welcher Leidenschaft die kanadische Produzentin sich diesen Sound aneignet, stellt sich kaum die Frage, ob das jetzt Not tut oder nicht.
Von den peacigen LSD-Hippies scheint bei ihr zwar keiner mehr dabei zu sein, dafür steuern ihre straff gehaltenen Produktionen auf einen Strudel hin, der neben dem uneingeschränkten Willen zur Party auch eine leichte Neigung zum Apokalyptischen vermuten lässt. Das schwitzen die Acid-Schleifen in „Princess Express” genauso unheilschwanger aus wie die ramponierten Breaks und brodelnden Bässe in „Rude, Crude & Out of Control”. Doch auch wer feiert, als gäbe es kein Morgen, kann ja immer noch am nächsten Tag aufwachen. Tim Caspar Boehme
nthng – Sub-Sonar (Delsin)
Der Sommer ist vorbei, her mit Heizdecken und Humpadumpa-Techno! nthng schleicht auf Sub-Sonar wie ein Traumprinz durch die Gehörgänge, lullt metatronisch ein und healt die beschissene Gesamtsituation für vier Tracks mit Meister-Proper-Vibes. Im Gegensatz zu Abriss, Ekstase und Raumfickerei mit Tralala-Tröten schnüffelt nthng dafür nicht am Lösungsmittel, sondern klappt sich einfach in den Schneidersitz. Vielleicht kokeln im Hintergrund zwei Räucherstäbchen. Vielleicht knüpft irgendwer schon Traumfänger. Mitunter plätschert sogar ein Zimmerbrunnen in der Hippie-Bude.
Alles egal, den Eso-Hau winkt man hier durch wie drei Musketiere ins Sisyphos. Sub-Sonar rauscht ohnehin und stolpert, steht wieder auf, wischt sich Ecstasytränchen aus dem Gesicht und driftet in den nächste Zen-Garten-Grüblerei ab. Dort können Eurodance-Schlager und Push-Nachrichten-Trampel nichts anhaben. Weil nthng manchmal doch mehr als Evrthng ist. Christoph Benkeser
Patrick Brian – Early Hours EP (Sneaker Social Club)
Patrick Brian ist Amerikaner. Dieser Satz muss gleich fallen, denn da kommt man erst mal nicht drauf, wenn man die Early Hours EP hört. Die Musik hier klingt halt very British, hat Garage House und 2-Step als Grundlage, ist bisweilen regelrecht grimey. Folgerichtig ist der in Los Angeles beheimatete Produzent mit dieser Sechs-Track-EP bei Jamie Russels in Bristol ansässigem Label Sneaker Social Club gelandet.
Das Amerikanische deutet sich erst beim zweiten Hinhören an, in dramatischen Streicherarrangements, wie sie bisweilen im Gangsta-Rap zu hören sind („Ill Wishes”), oder in der Bezugnahme auf lateinamerikanische Rhythmen und Sounds („Cry Baby”). Insgesamt adressieren die 22 Minuten nicht direkt den Dancefloor, sondern tatsächlich die Early Hours, die frühen Stunden, wenn man den Club verlässt, der Nebel über der Stadt hängt und die Bässe noch leicht in den Knochen nachvibrieren. Sebastian Hinz