EOS-05 PERSPEKTIVEN: Mix und Interview von n9oc

n9oc (Foto: Wilhelm Rinke)

Am Sonntag, dem 1. Mai 2022, findet ab 14 Uhr in der Brotfabrik in Frankfurt am Main das Symposium EOS-05 PERSPEKTIVEN zur Wende der Clubkultur statt, das parallel auf EOS Radio gestreamt wird. Musikalisch begleiten wird es die EOS-Resident n9oc, die uns im Voraus ein Interview gab und einen Mix bescherte, der auf Entschleunigung setzt.


Du hast eine Residency beim EOS Radio. Kannst du kurz umreißen, wie es dazu kam, welche Bedeutung der Sender für die Frankfurter Szene hat und welche Beziehung du zu ihm hast?

Ich wurde angefragt, ob ich Lust hätte für das zweite EOS-Online-Event einen Mix aufzunehmen. Daraus wurde dann eine regelmäßige Sendung. In meinen Augen bringt der Sender frischen Wind in die Szene, es senden zum Beispiel Künstler*innen hintereinander, die man zuvor vielleicht nicht gemeinsam auf einem Line-up gesehen hätte.

Deine Mixe, unter anderem für EOS, wirken kontemplativ und erforschen Stimmungen, bergen ausladende Melodiebögen. Mit clubtauglichen DJ-Sets, wie man sie sonst auf Radiosendern hört, sind sie eher nicht zu vergleichen. Was bedeutet dir das Medium Radio und wie interpretierst du es?

In Zeiten, in denen es viele On-Demand-Angebote gibt, neigt man vielleicht dazu, in der eigenen Filterblase stecken zu bleiben. Es werden Inhalte auf der Basis des eigenen Nutzungsverhaltens vorgeschlagen, und man neigt natürlich eher dazu, Inhalte auszuwählen, die einem gefallen. Oftmals sind diese Algorithmen für nicht nachvollziehbar und intransparent. Wenn sich eine Person eine Sammlung von Content selbst zusammenstellen kann, ist das eine ganz andere Umgangsweise mit Medien, als wenn man Inhalte durch ein von anderen Personen zusammengestelltes Programm präsentiert bekommt. Geht man von der Annahme aus, dass Medien ein Mittel der Kommunikation und Informationsvermittlung sind, frage ich mich, was es mit uns macht, wenn wir nur noch Dinge hören, die uns gefallen oder uns in unseren Ansichten bestätigen.

Ein gutes Radioprogramm lebt meiner Ansicht nach von seiner Vielfältigkeit. Auch wenn die Sendungsmacher*innen gerade bei Musiksendern oftmals im Mittelpunkt stehen, sind es die Programmplaner*innen die über die Sendereihenfolge entscheiden. Ich finde es beim Radio schön, zu wissen, dass sich jemand Gedanken gemacht hat. Das ist viel greifbarer als eine KI, die mir etwas vorschlägt. Außerdem entdecke ich so häufig Musik und Künstler*innen, die ich auf anderen Plattformen vielleicht erst gar nicht beachtet und angehört hätte. Auch bei informativen Sendungen höre ich mir so eher andere Sichtweisen an, auch wenn sie mir nicht gefallen. Man kann das als Chance begreifen, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Es gibt eine großartige App, die heißt „RadioGarden”. Damit kann man so gut wie alle Sender auf der ganzen Welt empfangen. Gerade kleinere Community Radios finde ich spannend, ich schaue gerne, was auf anderen Kontinenten im Underground gespielt wird.

Aber ich möchte On-Demand-Modelle nicht schlecht machen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags und haben unter anderem den Vorteil, dass Inhalte jederzeit abrufbar sind, was eine bessere Zugänglichkeit für viele Personenkreise bedeutet. Und wer kann denn schon ständig Live-Radio hören? Ich denke nur, hin und wieder kann man das eigene Hör- und Nutzungsverhalten hinterfragen. Gerade beim Webradio existiert, im Gegensatz zum ursprünglichen Rundfunk, die Möglichkeit, aus beidem zu wählen – das finde ich wichtig. Zudem wurde die Schwelle gesenkt, um selbst senden zu können, denn es ist keine für viele schwer zugängliche Studiotechnik mehr erforderlich. Das trägt das Potenzial, die Medienlandschaft nachhaltig zu verändern.

Als Sendungsmacherin,wollte ich einen Raum schaffen, in dem ich spielen kann, wie ich bisher noch nicht in einem gegenwärtigen Clubkontext spielen konnte. Entweder ist das Musik, die mich zu einem gewissen Zeitpunkt im Leben begleitet hat, auch wenn ich sie nicht mehr oft höre, oder ich stelle zu ganz spezifischen Situationen und Gefühlen einen Soundtrack zusammen. Welche davon fiktiv und welche real sind, spielt dabei erstmal keine große Rolle. Da ich mich dabei mit unterschiedlichen Sounds und Genres aktiv auseinandersetzen musste, habe ich viel davon für mich und meine anderen Projekte mitnehmen können. Zusätzlich habe ich überlegt, was ich als Hörerin erwarte.

Auf der EOS-Tagung 05 bist du für die Musik zuständig. Wie gehst du diese Aufgabe an? Wie wird das Setting sein, in dem du spielst?

Es wird zwei Paneldiskussionen geben, die ich musikalisch begleiten werden. Anders als beim Sendung Machen sind hier Raum und Rahmen schon gegeben. Zudem befinden sich die Zuhörenden mit dem DJ im selben physischen Raum; in meinem Verständnis vom Auflegen wechseln sich dadurch die Rollendes Kommunikators und des Rezipienten, anders als beim Radio, ständig ab; eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen beiden findet statt. Wenn ich vor Leuten spiele, versuche ich daher, genug Musik einzupacken und sie davor gut zu sortieren, damit ich auf verschiedene Situationen antworten kann. Ebenso versuche ich meistens, davor herauszufinden, wie die Location aufgebaut ist.

Gibt es Programm- und Schwerpunkte, die dich auf der EOS-Tagung 05 besonders ansprechen?

Digitale Räume sind nicht mehr wegzudenken, sowohl privat als auch beruflich bewegen wir uns in ihnen. Inwiefern verändert das zum Beispiel, wie wir arbeiten? Auch frage ich mich, welche Auswirkungen es auf Kulturbetriebe hat, wenn diese in privater Hand liegen. Welche Interessen verfolgen die Sponsoren? Da ich mich nicht so tief in der Materie auskenne, freue ich mich auf die zahlreichen Redebeiträge und Perspektiven auf der Tagung.

Zu guter Letzt: Was steht bei dir in diesem Jahr noch an? Welche Pläne hast du für 2022?

Im Mai wird man mich auf dem Soft Planet Festival im neuen Zoom Club hören, im September auf dem Tarmac Festival. Ansonsten arbeite ich weiter an eigenen Produktionen und hänge mich in meine Ausbildung rein, um danach, mit etwas flexibleren Arbeitszeiten, mehr Zeit für Soundprojekte freischaufeln zu können.

Tracklist

1. Fermi Lëkundë - Fist 20 
2. Silicone - Girão Textures 
3. Constants of Nature - Slow Symmetry 
4. Vivian Koch - I Know You're Here 
5. Merdh Laleh - Blueshift (ft. Minais B) 
6. n9oc - Untitled 
7. Rui Ho - Albafica (Dis Fig Remix) 
8. Pilar Zeta - Universe Waam 
9. n9oc - Khi Xa 
10. ben bondy - trauma bonding 
11. OGGY OG - Meiosis 
12. CYBERMISSION - Healing
13. Composer 4 - Data Protection Directive
14. Eversines - Plooi
Vorheriger ArtikelCharts From The Past: The Streets/Mike Skinner (April/Mai 2002)
Nächster ArtikelEOS-05 PERSPEKTIVEN: Vorab-Interview mit den Panelists