Sonja Moonear bespielt das Caprices (Foto: Presse)

Alpine Szenerien und elektronische Musik – eine Mischung, die im Zuge des ausdifferenzierten Festivalkosmos der letzten Jahre immer populärer wurde. Ein Urgestein in dieser Disziplin ist das schweizerische Festival Caprices, das Mitte September in seine 18. Runde geht. Grund genug, mit Gründer Max Léonard über die Geschichte der Veranstaltung, wegweisende Afterhours und internationale Kooperation zwischen Festivals zu sprechen.


Dieses Jahr feiert ihr den 18. Geburtstag des Caprices. Wieso, glaubst du, gibt es das Festival schon so lange? Macht ihr irgendwas anders?

Die erste Geheimzutat ist wahrscheinlich die Location. Das Publikum ist immer wieder begeistert von der Landschaft in den Schweizer Alpen. Außerdem ist es ungewöhnlich, solche hochkarätigen DJs auf eher kleinen Floors zu sehen. Wir versuchen, die Kapazität in humanen Ausmaßen zu halten. Ganz entscheidend kommen noch das Team und die Riege an Künstler*innen hinzu, die uns nahestehen. Daraus ist in 18 Jahren sowas wie eine Familie entstanden.

Was sind deine glücklichsten und negativsten Erinnerungen in der Caprices-Geschichte?

Eine der Glücklichsten ist, als wir 2008 unwissentlich unser Format Modernity erschaffen haben. Wir haben das Caprices mit Luciano, Sonja Moonear, weiteren Künstler*innen und etwa 20 Freund*innen ausklingen lassen. Dann haben wir uns entschieden, bei Sonnenaufgang in einem Restaurant auf der Skipiste eine Afterparty zu machen. Das ging dann nochmal den ganzen Tag, danach wussten wir, dass wir das nächstes Jahr wieder machen müssen. Haben wir dann auch, mit einem b2b von Luciano und Ricardo Villalobos vor 100 Leuten. Im Jahr drauf bauten wir eine Bühne in einem durchsichtigen Zelt für 1000 Personen, die wir „Modernity” nannten.

Die schlechtesten Erinnerungen stammen ebenfalls von Tagen wie diesen. Wenn Pisten und Lifte schließen, deren Personal mit Megafonen ankommt und schreit: „Die Party ist vorbei!”

Max Leonard Caprices by Press
Max Léonard, Gründer des Caprices

Wieso plant ihr, mit dem Caprices nach Mexiko, Sansibar oder in den Libanon zu expandieren? Wird die internationale Dance-Music-Szene in naher Zukunft noch die gleiche sein?

Wir haben schon vor einigen Jahren angefangen, uns international zu vermarkten und zu exportieren. Aber es stimmt, dass die momentane Lage uns dazu bewegt hat, unsere Projekte etwas anzupassen. Wir suchen gezielt nach idyllischen Orten in Kontexten, in denen Natur im Mittelpunkt steht. Wo wir eine ganzheitliche und einzigartige Erfahrung schaffen können, die nicht auf Musik begrenzt ist. Länder und ihre Kulturen entdecken, lokalen Umweltschutz unterstützen: Das ist die Richtung, in die wir gehen wollen. Jenseits der Pandemie leidet unsere Industrie unter einem Überangebot an Events, die oft auf dieselbe Weise funktionieren und immer dieselben Künstler*innen einladen.

Vor zehn Jahren waren wir in einer ähnlichen Situation, als das Caprices auf Live-Bands wie Deep Purple, Iggy Pop, Björk oder Portishead setzte. Wir waren an einem Punkt, als praktisch jedes Dorf sein Festival hatte und um dieselben Bands kämpfte. Nach einer Weile ist die Blase geplatzt, und viele dieser Festivals waren am Ende, weil sie nicht mit den größeren mithalten konnten. Bevor uns das passierte, haben wir uns dafür entschieden, uns nur noch auf elektronische Musik zu spezialisieren. Das war eine unserer Stärken, weil wir schon länger DJs im Programm hatten.

Welche Beziehung habt ihr zu den anderen Festivals wie UNUM, Movement, Epizode oder Picnic, die ihr während dem Caprices zu unterstützen gedenkt? Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Die Industrie, in der wir tätig sind, operiert wie eine große Familie. Ich denke, dass die Zeit, die uns die Pandemie beschert hat, eine Gelegenheit ist, uns gegenseitig zu unterstützen, zu helfen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Mit allen Festivals, die wir eingeladen haben, verbinden uns lange professionelle Beziehungen, und wir respektieren ihre Arbeit sehr. Auf diese Weise können wir uns außerdem austauschen – ein guter Motor für das Line-Up eines Events. Wir denken, dass das alles mehr zu unserer Entwicklung beiträgt, als miteinander in offenen Wettstreit zu treten, wie es manch andere gerne tun.

Auf was freust du dich bei der diesjährigen Ausgabe?

Sich nach all der Zeit wieder in einem annähernd normalen Umfeld bewegen zu können. Die Berge sind schön im September, die Farben beeindruckend, die Temperaturen normalerweise weitaus angenehmer als im Winter. Wir haben unsere Infrastruktur neu aufgesetzt, um mehr Platz bieten zu können, und einen Floor für die Nacht mitten im Wald vorbereitet. Was Künstler*innen anbetrifft, weiß man nie, wer ein noch unglaublicheres Set als sonst spielt. Natürlich freue ich mich aber trotzdem auf Luciano b2b Ricardo Villalobos, alleine schon wegen der Modernity-Gründung damals. Magische Erinnerungen, die die beiden auch dieses Jahr wieder aufleben lassen werden.

GROOVE präsentiert: Caprices Festival
17. bis 19. September und 24. bis 26. September 2021

Line-up: Apollonia, Andy Luff, Ben Klock, Blond:ish, Cally, Cesar Merveille b2b Alci, Cinthie, Dan Ghenacia, DJ Tennis, Dona K, Francesco Del Garda, Gescu, Guy Gerber, Hot Since 82, James Mc Hale & Giorgio Maulini, John Dimas, Joey Daniel, Margaret Dygas, Mathew Jonson (live), Nusha, Olivia, Paco Osuna, Patrischa, Praslesh (Raresh + Praslea), Ramon Tapia, Ricardo Villalobos b2b Luciano, Steve Rachmad, Zendid und viele weitere.

Festival-Ticket: CHF 85,00 (ca. 78€)

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