Paul Johnson (Foto: Marie Staggat)
Paul Johnson ist tot. Der Producer und DJ starb am 4. August an den Folgen einer Corona-Infektion. Die Nachricht wurde noch in der Nacht auf seinem Facebook-Kanal bekanntgegeben. Der Musiker aus Chicago wurde 50 Jahre alt.
Am 20. Juli hatte Johnson in seinem Instagram-Kanal ein Video von sich selbst mit einer Atemmaske gepostet und erklärt, dass er jetzt auf die Intensivstation verlegt und an ein Beatmungsgerät angeschlossen werde. Von nun an werde er nicht mehr selbst atmen, fügte er hinzu.
Paul Johnson wurde am 11. Januar 1971 in Chicago geboren. Mit 13 begann er aufzulegen, mit 16 zu produzieren. In dieser Zeit wurde er Opfer eines Unfalls, der ihn bis zum Ende seines Lebens an den Rollstuhl fesseln sollte. Ein Freund besuchte Johnson, als dieser im Keller seines Elternhauses Musik machte und begann zu tanzen. Der Freund war gerade Gangmitglied geworden, und Johnson forderte ihn auf, seine Schusswaffe aus der Hosentasche zu nehmen. Als der Freund die Kugeln herausnehmen wollte, löste sich ein Schuss und traf Johnson in die Schulter. Bis zu dem Unfall wollte Johnson Soldat werden, durch seine neue Lebenssituation entschied er sich für den Musikerberuf.
Johnsons erste Platte erschien 1992 auf Chicago Underground und trug den vielsagenden Titel Vol. #1. Es folgten Maxis auf Dance Mania, Djax-Up-Beats, Power Records oder Cajual, zu seinen Hits gehörten „Feel My MF Bass”, „A Little Suntin Suntin” oder „Hear The Music”. Zwischen 1995 und 1999 produzierte er für Peacefrog, ACV, Relief, Moody und Nite Life Collective eine Serie von sechs Alben. Er kollaborierte mit Glenn Underground, Robert Armani (Traxmen) und Gant Garrard (Brother 2 Brother) und produzierte Remixe für Destiny’s Child, DAF und zahllose House-Acts aus seinem Umfeld. Kaum einem House-Producer ist es in dieser Zeit gelungen, ein ähnlich umfangreiches Werk zu erschaffen.
Mit Green Velvet, Boo Williams, Gene Hunt oder DJ Deeon prägte er den Sample-lastigen Sound der sogenannten zweiten Generation des Chicago House, der rougher und derber klang als die Musik ihrer Vorgänger in den Achtzigern. Wo diese sich hauptsächlich an Soul und Disco orientierten, war jetzt auch Techno Bezugspunkt.
Ende der Neunziger hatte dieser Sound an Kraft und Relevanz eingebüßt, und mit Relief, Cajual und Dance Mania waren auch die maßgeblichen Label-Plattformen verschwunden. In diesem Moment gelang Johnson, was allen Kolleg*innen seiner Generation versagt blieb: Ein Mainstream-Hit. In „Get Get Down” verarbeitete Johnson die kurzen Vocal-Schnipsel, die als sein Signature Sound gelten, zu einem Clubtrack, der einprägsam ist wie ein Popsong. In Großbritannien erreichte das Stück Platz fünf der Pop-Charts, in Griechenland sogar Platz drei. Wer den Track einmal gehört hat, kann ihn nicht mehr vergessen. Bis heute hat er eine zeitlose Qualität bewahrt, die ihn von seinem Enstehungskontext unabhängig macht und in den unterschiedlichsten DJ-Sets auftauchen lässt.
Aufgrund seiner persönlichen Ausdauer und der Strahlkraft von „Get Get Down” gelang es Johnson bis heute, als Producer und DJ aktiv zu bleiben. Zwei schwere gesundheitliche Rückschläge konnten ihn nicht abhalten, regelmäßig zu touren. 2010 verlor er nach einem Autounfall sein zweites Bein, das andere musste ihm 2003 abgenommen werden. Auch menschlich war Johnson Ausnahme und Vorbild: Im von Konkurrenz geprägten Musikgeschäft versuchte er, bei seinen Labels auch Kolleg*innen unterzubringen. Ebenso förderte er junge Musiker*innen als Mentor.