MusicMatch 2021 (Foto: MusicMatch)

Das MusicMatch treibt mit seinem Line-Up an unterschiedlichen Künstler*innen diverser Genres jährlich viele Feierwütige in die Dresdner Neustadt. Wie die meisten Veranstaltungen konnte auch das MusicMatch im letzten Jahr pandemiebedingt nicht stattfinden. 2021 wird es aber, wenn auch nicht Vorort in Dresden, vom 30. April bis zum 2. Mai als Online-Edition zurückkehren. Unter dem Motto „Music for a New Society” lädt das Hybrid aus Konferenz und Festival regionale, bundesweite und mitunter internationale Akteur*innen zu einer Reihe von Diskussionen, Podcasts, Workshops und Interviews ein.

GROOVE-Autorin Franzi Nistler hat mit Felix Buchta, dem Pressesprecher des MusicMatch gesprochen und Fragen zum Ablauf und den Programmpunkten gestellt. Was ist besonders an dieser Veranstaltung? Welche Herausforderung bringt eine Verlegung ins Internet und gibt es eventuell sogar Vorteile gegenüber dem regulären Standort?


Wie kam es zur Gründung von MusicMatch und welche Idee steckt dahinter?

Die Förderung der Popularmusik in Sachsen hinkt im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich hinterher. Vor diesem Hintergrund sollte MusicMatch ein jährliches Zusammentreffen von Musikkulturschaffenden ermöglichen, um sich vernetzen, weiterbilden und austauschen zu können, nicht zuletzt mit Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung. Seitdem wuchs jedes Jahr die Palette an Themen, auch im Dialog mit den verschiedenen Publika.

Felix Buchta, Pressesprecher des MusicMatch (Foto: privat)

Was unterscheidet MusicMatch von anderen Veranstaltungen?

MusicMatch setzt sich musikalisch und inhaltlich mit Fragestellungen im Schnittbereich von Musik, Gesellschaft und Politik auseinander. Besonders ist auch, dass immer wieder eine ganze Menge unterschiedlicher Szene-Akteur*innen beteiligt sind. Festival und Konferenz werden in der Regel dezentral ausgerichtet und sollen dabei verschiedenste sächsische Labels, Agenturen und Clubs repräsentieren. Und klar, wir haben das Rad nicht neu erfunden, aber hierzulande finden wir uns schon ziemlich speziell mit unserer Kombination aus Theorie und Praxis.

Wie kommt die Auswahl eurer Programmpunkte und Acts zustande?

Wir fragen uns, welche gesellschaftspolitischen Themen im Moment relevant sind und was es aus musikalischer und kultureller Sicht für Gedanken und Positionen dazu gibt. Dabei entsteht zunächst ein großer Strauß an Ideen, aus dem wir uns die spannendsten auswählen, um daran weiterzuarbeiten; z.B. Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Kultur, die Proteste in Belarus oder die Herausforderungen einer Pandemie.

Auch für den Festivalteil suchen wir nach Künstler*innen, die unser Motto „Music for a New Society“ repräsentieren, weil sie entweder musikalisch besonders innovativ und ihrer Zeit voraus sind und/oder sich eben auch durch ihre Musik mit den Themen künstlerisch auseinandersetzen, die auf der Konferenz Thema sind.

Warum habt ihr euch für das dauerhafte Motto „Music for a New Society” entschieden und was wollt ihr damit aussagen?

Ob Musik nun politisch ist oder nicht, ob sie es sein sollte und ihrerseits Dinge voranbringt oder stattdessen lediglich der Soundtrack einer sich wandelnden Gesellschaft sein kann – all das ist immer wieder Gegenstand von Debatten. Insofern ist der Claim zunächst einmal Ausdruck unseres Anspruchs, an die potentielle Bedeutung von Musikkultur in bewegten Zeiten zu erinnern, an die Relevanz ihrer Protagonist*innen für eine progressive Gesellschaft und an die Erfordernisse, die das für Heute und ein besseres Morgen mit sich bringt. Es lassen sich unfassbar viele Themen unter diesem Blickwinkel betrachten und diskutieren.

Was erwartet die Festivalbesucher*innen bei der Diskussion: CLUBKULTUR AM TROPF – WEGE AUS DER ABHÄNGIGKEIT?” ?

Weder Künstler*innen noch Clubs können im Notfall auf Rücklagen zurückgreifen. Denn der Großteil der Livemusikkultur rangiert am Rande der Wirtschaftlichkeit. In Zeiten der Krise aber auch angesichts der Dauerkrise, die für viele Szenewirtschaftsbetriebe und -Akteure schon vor Corona herrschte, wollen wir genauer hinschauen, welchen Abhängigkeiten die Club- und Musikkultur unterlegen ist. Da wären zum Beispiel Verwertungszwänge, privatwirtschaftliche Bezuschussungen durch Sponsorings und Werbekostenzuschüsse, außerdem Cool Washing Kampagnen, die sich als Förderprogramme tarnen – jüngstes Beispiel ist die Diversity Washing Kampagne von TikTok.

Wir sollten uns also noch einmal fragen, auf wen wir uns da verlassen und welche Wege zur Existenz- und Betriebssicherung es womöglich noch geben könnte. Welche Rolle kann die Crowd spielen und welche hat sie bisher gespielt? Wo ist es sinnvoll, den politischen Druck zu erhöhen? Wie können etwa durch Spielstätten genutzte Immobilien dem Markt entzogen werden? All das besprechen am 1. Mai ab 14 Uhr Kristoffer Cornils (GROOVE), Katja Lucker (Musicboard Berlin), Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten) und Caren Lay (Parlamentarischen Clubforums im Bundestag) unter der Moderation von Kordula Kunert vom Livekommbinat Leipzig.

Auf welche Probleme seid ihr bei der MusicMatch-Online Edition gestoßen?

Erst einmal was Gutes an online: Es können Menschen von überall auf der Welt mit einem Mausklick teilnehmen. Klar ist aber auch, das reale Begegnen und Vernetzen lässt sich auch nicht durch noch so tolle Technik ersetzen. Auch dem Livemusik-Feeling wird eine Übertragung kaum gerecht. Aber wir geben unser Bestes, um in diesen kulturarmen Zeiten viel spannenden Input und abwechslungsreiche Unterhaltung zu bieten. Übrigens befasst sich auch eine unserer Paneldiskussionen mit genau diesem Thema: Krücke oder Chance? Was wollen wir als Kulturenthusiast*innen aus Fleisch und Blut vom digitalen Raum? Und was will er von uns?

Wenn alles so abläuft wie geplant, könntet ihr euch dann für die Zukunft vorstellen, einige Programmpunkte ins Netz zu verlegen?

Natürlich vermissen wir vor allem das physische Beisammensein. Trotzdem bieten Online Formate auch eine Menge neuer Möglichkeiten; die potentiell große Reichweite, aber auch bestimmte künstlerische Ideen. Es ist daher gut möglich, dass einige Inhalte auch zukünftig im Netz oder Hybrid stattfinden. Vorstellbar ist natürlich auch, weit entfernte Referent*innen in Präsenzveranstaltungen online zuzuschalten. Nicht dass wir die früher hätten einfliegen lassen. Doch was für Unternehmen nun aus Kosten- und bestenfalls Nachhaltigkeitsaspekten plötzlich sinnvoll erscheint, war für uns bisher vor allem eine technische Hürde.

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