Kasper Marott – Full Circle (Axces)
Die Sorte Dancetrack, die schon fast zu viel gute Laune versprüht! Damit hat sich der Däne Kasper Marott in den letzten Jahren einen Ruf gemacht. Sein Track „Keflavik” brachte es 2018 in die DJ-Charts und trug die Synth-Pop-Leichtigkeit der Skandinavier rund um die Welt.
Das erste Album Full Circle wagt sich ein paar Schritte weiter. So erforscht Marott darauf nicht nur verschiedene Stimmungen und Genres, sondern liefert verlässlich seine vielschichtigen, farbenfrohen Hits und dazu mehr als nur eine kleine Überraschung am Rande — ganz wie man es sich von einer LP eben wünscht.
Das ständige Wechselbad der Stimmungen macht den Reiz von Marotts Arbeit aus. Wo geht es wohl als nächstes hin?
Aus der dänischen Kleinstadt Skee kommend, versuchte sich Marott schon als 15-Jähriger am Produzieren und organisierte Partys in der elterlichen Scheune. Als die lokale Rave-Szene Kopenhagens auf ihn aufmerksam wurde, war es um den intuitiv ans Musikmachen herangehenden Marott geschehen. Seine von Rave- und Trance-Sounds geprägte Szene war zwar stets eine wichtige Inspirationsquelle, aber trotzdem klingt sein Sound immer frisch und irgendwie einzigartig. Voller Leben und Ideen stecken die Stücke, die zwar direkt und voll im Vordergrund agieren, aber niemals überladen wirken und einen treibenden Groove im Auge behalten.
Auf dem Album geht Marott sofort in die Vollen: mit „Mr. Smiley” beschleunigt er das Tempo auf rasanten Acid-Techno, bevor man sich überhaupt orientiert hat. Dank den neun Minuten Laufzeit bleibt zum Glück aber genug Zeit, um sich warm zu tanzen. Im Anschluss scheint auf dem dronigen „Kom Her” ein Schiff auseinanderzubrechen — eine gnädige Erinnerung an das Albumformat mit seinen Interlude-Atempausen. Denn schon geht es in die nächste Stimmung; „Top Soap” mischt Atmosphäre aus dem Urwald mit House und bunter Perkussion zum unterhaltsamen Ritt durchs Gestrüpp.
Das ständige Wechselbad der Stimmungen macht den Reiz von Marotts Arbeit aus. Wo geht es wohl als nächstes hin? Mit den Labelpartnern bei Axces, wo Full Circle erscheint, teilte sich Marott einst eine Donnerstag-Residency: „Wir haben damals eine Menge Zeit mit dem Diggen nach perkussiven und weirden Disco- oder House-Nummern verbracht”. Das hört man auch auf den Breakbeat-Stücken „Mere” und „Missing Link”. Während sich Ersteres mit den rumpelnden Drums und verqueren Synths nach einem bekifften Update von Box aus Holz oder Tartelet anhört, treibt das Zweite seine Idiosynkrasie auf die Spitze: der Schlagzeuger ist nun endgültig auf Speed angekommen und die analogen Elektronik-Komponenten werden durch den Fleischwolf geschreddert. Dabei kämpft sich der Groove doch achtbar über vier Minuten hinweg, ohne dabei zu experimentell zum Kopfnicken zu werden.
So viel Diversität auf Albumlänge macht Kasper Marott nicht nur zum verlässlichen Hit-Lieferanten, sondern präsentiert ihn endlich auch als ganzheitlichen Künstler.
Nach dem ganzen Anspruch darf es auch wieder ein Hit sein. „Mini Trance” zeigt Marott in Bestform: der feel-good-Track der Extraklasse, schillernd und mit voluminösen Kicks ausgestattet, basst sorgenlos den Lockdown-Blues in weite Ferne.
Ähnlich stark und wieder klar an den 90ern geschult auch die Vorabsingle „Sol”, die via Modeselektors Seilscheibenpfeiler erschienen ist. Auf halsbrecherischen 144 bpm vereint der Produzent fokussierten Drive, sonnige Synths und viele Sound-Schichten, ohne den Mix zu überladen. Dieser unauffällige Skill gehört vielleicht zu Marotts größten Stärken: kostete ihn der Hit „Keflavik” doch bloß zehn Stunden Aufenthalt am gleichnamigen isländischen Flughafen, dafür aber angeblich über 50 verschiedene Mixdowns, bis endlich alles miteinander ausbalanciert war.
Neben kleineren perkussiven Spielereien wie dem verträumten „Hvad Er Det” und dem gelungen Sample-Trip „Pling” gibt’s als Rausschmeißer doch noch eine kräftige Trance-Bombe. So viel Diversität auf Albumlänge macht Kasper Marott nicht nur zum verlässlichen Hit-Lieferanten, sondern präsentiert ihn endlich auch als ganzheitlichen Künstler.