Róisín Murphy (Foto: Adrian Samson).
Róisín Murphy als Urgestein britischer elektronischer Musik zu bezeichnen, wäre falsch – denn Gestein bewegt sich nicht, ist zudem eintönig und trist. Genau gegensätzlich lässt sich die Karriere der gebürtigen Irin beschreiben. Nachdem ihre Familie in ihrer Jugend nach Manchester umzog, ging es für Murphy mit 19 nach Sheffield. Ohne die Stadt gäbe es die Künstlerin Róisín Murphy vielleicht gar nicht. Dort lernte sie Disco und House kennen und verwurzelte sich in der ansässigen Szene. In der ehemaligen Industriemetropole traf sie auch auf Mark Brydon, mit dem sie von 1994 bis 2004 musikalisch als Dance-Pop-Duo Moloko als auch romantisch involviert war. Exzentrisch, schillernd und im ständigen Wandel bestreitet Murphy ihre nun schon 27 Jahre anhaltende Karriere. Für ihr im Oktober erschienenes Album, Róisín Machine, kehrte sie jedoch zu ihren Anfängen zurück, zu Lagerhallen-Raves, schmierigen Böden und der Essenz Sheffields – einem, wie sie beschreibt, Pulsieren, das die Stadt seit ihrem industriellen Höhepunkt nicht mehr verlassen hat.
Murphys Verbündeter für Róisín Machine ist DJ Parrot, auch bekannt als Crooked Man und bürgerlich als Richard Barratt. Die 47-Jährige lernte ihn während ihrer musikalischen Anfänge kennen. Durch die gemeinsame Verwurzelung in Sheffields House- und Disco-Szene verbindet die beiden eine langjährige musikalische Freundschaft. Nur logisch, dass Barratt die Platte produzierte, die das musikalische Erbe der nordenglischen Stadt aus den 80er Jahren auffängt. Im Interview mit unserer Autorin Louisa Neitz spricht Murphy außerdem über ihren extravaganten Sinn für Mode, Komfortzonen – und warum sie es liebt, Frau zu sein.
GROOVE: Du hast 2015 und 2016 jeweils ein Album veröffentlicht. Dein aktuelles Album erscheint nun vier Jahre später. Hast du eine Pause gebraucht? Wie hast du deine Zeit gefüllt?
Róisín Murphy:Ich hatte noch ein Projekt dazwischen, die Songs mit Maurice Fulton. Die wurden als vier 12-Inches veröffentlicht, jeweils mit einem dazugehörigen Video. Das hat viel Zeit gekostet, das war eher wie eine Album-Kampagne. Es waren viele Tracks und noch mehr Videos als normalerweise. Also nehme ich mir keine Pausen. (lacht)
Aber hast du länger als bei deinen vorherigen Alben an Róisín Machine gearbeitet?
Nein, nicht wirklich. Die Arbeit hat sich über viele Jahre erstreckt. Ich habe mit dem Album vor zehn Jahren angefangen. Simulation wurde als erster Track auf dem deutschen Label Permanent Vacation veröffentlicht. Und dann haben wir einen anderen Track ein paar Jahre später veröffentlicht, der Jealousy heißt. Die Idee für das Album ist vor einiger Zeit entstanden, aber sobald wir Incapable veröffentlichten, sind alle durchgedreht. Und dann hatten wir schnell einen Deal für das Album. Danach haben wir nur noch drei oder vier Monate gebraucht, um das Album fertigzustellen. Also ging es eigentlich ziemlich schnell.
„Es ist unsere Geschichte, unsere Folk-Erzählung, unser Glaube – keine traditionelle Folkmusik.”
An anderer Stelle hast du schon von „Incapable” gesprochen und gesagt, dass sich viele Menschen von dem Text angesprochen fühlten. Auch, dass du nicht unbedingt von dir selbst redest, wenn du singst, niemals ein gebrochenes Herz gehabt zu haben. Wie gehst du ans Texten heran?
Auf dem Album findet sich ziemlich klassisches Songwriting und auch kein avantgardistischer Ansatz in Bezug auf die Texte, auch wenn es Ausnahmen gibt. Die sind eher wie ein Puzzle. Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten, wie ich Songs schreibe: sehr emotional und aus dem Herzen oder der Seele heraus, dann Storytelling wie bei Murphy’s Law und Incapable oder Puzzles, die sehr freudianisch sind. Dann erlaube ich es mir, mit Worten zu spielen und mit ihnen zu puzzeln.
Wie hast du diese Ansätze auf dem Album umgesetzt?
Auf dem Album ist ein bisschen von allem, aber deutlich mehr Storytelling als normalerweise. Vielleicht hat es damit zu tun, zurück in die Vergangenheit zu gehen und mich wie 19 zu fühlen, als ich viel Zeit mit einer bestimmten Person verbracht habe. Und DJ Parrot, der Produzent, war seit dieser Zeit Teil meines Lebens, besonders meines musikalischen Lebens. Vielleicht hat uns das inspiriert, Geschichten zu erzählen und eine Art Folk zu machen. Aber es ist unsere Geschichte, unsere Folk-Erzählung, unser Glaube, keine traditionelle Folkmusik.
Ist es dann manchmal so, dass du mit Charakteren spielst, wenn du Songs schreibst?
Ein bisschen, ja. Das ist schwer zu erklären, aber manchmal drängen sich bestimmte Charaktere in meine Songs. Ich bin offen für viele Arten von Songs, zum Beispiel mich sehr ehrlich und emotional zu zeigen. Aber ich freue mich auch, ans andere Ende der Extreme zu gehen und wirklich mit Worten, Geschichten und Charakteren zu spielen, weil ich das offensichtlich auch muss. Ich schreibe seit 27 Jahren Songs. Es wäre langweilig, das jedes Mal auf die gleiche Weise zu tun. Aber unabhängig von der Form, die Tracks dann annehmen, gibt es immer wieder auftauchende Themen, die sich von Anfang an durch meine Karriere ziehen. Viel darüber, auf der Suche nach einer bestimmten Lust oder nach einem inneren Verlangen zu sein, und auch, zum Ende eines Verlangens zu kommen. Auch darüber, mit den eigenen Gefühlen, der eigenen Energie und seiner eigenen Komplexität umzugehen.
„Als ich nach Sheffield kam, waren überall diese leeren Fabriken mit Maschinen, die nicht mehr arbeiteten. Aber du konntest das immer noch in der Musik hören, weil es irgendwie in der Psyche hängengeblieben ist.”
Ich hatte das Gefühl, dass dieses Album musikalisch ausladender klingt als deine bisherigen Alben. Gibt es da einen Bezug zu bestimmter Musik, die dich inspiriert hat?
Wie ich schon sagte, mit dem Konzept haben wir vor zehn Jahren begonnen. Tatsächlich stützt es sich auf unsere gemeinsame Geschichte, auf die Szene, in der wir beide in Sheffield involviert waren. Als ich in den frühen Neunzigern dort ankam, war DJ Parrot bereits eine etablierte Figur der Szene. Er war bei Top of the Pops und ein großer DJ. Es gibt da einen großen Club, Jive Turkey, der als einer der ersten im Lande House spielte. Da wurde begonnen, die Szene aufzubauen, die ich dann kennengelernt habe. Ich habe dann viele Jahre damit verbracht, zwei- oder dreimal die Woche zu den gleichen drei oder vier DJs in Sheffield auszugehen. Das war in allen möglichen Räumen, Höhlen, Kellern und Lofts, wo auch immer man eine Party veranstalten konnte. Und es wurde nie langweilig. Wir haben uns alle als Familie gefühlt. Ich meine damit all die Musiker*innen, DJs und die Leute, die in den dazugehörigen Aspekten gearbeitet haben, etwa ein Label wie Warp oder ein Grafikdesign-Studio wie The Designers Republic zu führen, und die Infrastruktur unterstützt haben. Sie waren alle sehr futuristisch und avantgardistisch, haben sich auf komplett neue Musik und Technologien eingelassen, Studios gebaut, tolle Partys geschmissen und unglaubliche Platten aufgenommen.
Wie verarbeitest du auf dem Album diese Erfahrungen?
Das Album dreht sich um diese unglaublich dynamische Szene in Sheffield und die Einflüsse, die Musik aus aller Welt, die diese Szene aufnahm. Und was diese Szene damals artikulierte, drückt sie bis heute aus, und das kommt bei „Murphy’s Law” raus. Das ist so ein Sheffield Funk, tatsächlich. Es ist egal, wie viel Disco da drin steckt, unten drunter schlägt etwas weiter wie Sheffield selbst. Weißt du, Sheffield war selbst eine Maschine, die Stahl für die ganze Welt produzierte. Und das hat dieses Land und die Welt für viele Jahre angetrieben. Sheffield war dafür erschaffen worden. Von diesen industriellen Jahren ist ein enormer Stolz und Fleiß übrig geblieben, auch in den kreativen Bereichen. Als ich nach Sheffield kam, waren überall diese leeren Fabriken mit Maschinen, die nicht mehr arbeiteten. Aber du konntest das immer noch in der Musik hören, weil es irgendwie in der Psyche hängengeblieben ist. Es ist Disco, es ist House, es ist Voguing, es kann alles sein. Aber es hat im Inneren diesen Sheffield-Puls, so einen rigorosen Minimalismus.
Gab es einen bestimmten Grund, warum du wieder mit DJ Parrot arbeiten wolltest? Was macht er mit deiner Musik, was ihn besonders macht?
Ich vertraue ihm sehr. Schon vor zehn oder elf Jahren wusste ich: Wenn ich etwas in die Richtung von House-Musik machen würde, dann muss es etwas Wahrhaftiges sein. Ich will nicht, dass das Album dann in einem riesigen Konferenzraum eines Labels mit 17 anwesenden Personen geplant wird. Da kommt die Musik nicht her. Sie kommt von einem authentischen Ort mit Verbindungen, die sich von Sheffield und von dieser Ära aus spannen. Darauf beziehen wir uns mit dem Album, auf die Mitte und das Ende der 80er. Man hörte damals ein Cabaret-Voltaire-Album neben einer Proto-House-Platte neben Larry Levan neben The Cure, vermischt mit allen möglichen Dingen. Bei Róisín Machine ging es um das Mischpult. Wir wollten die Tracks so manipulieren und mischen, dass sie in verschiedenen Räumen funktionieren, im Kopf wie in der Realität. Dabei haben wir luftige Dubbing-Techniken benutzt und wollten diese Ära beim Abmischen, angelehnt an Larry Levan, einfangen. Das kommt von frühen Dub- und Remix-Techniken. Vor elf Jahren, als wir mit dem Projekt angefangen haben, hörten wir Larry Levans Mixe von „Padlock” [von Gwen Guthrie, d. Aut.], und haben uns gedacht: „Das funktioniert für mich, funktioniert für dich, funktioniert für jeden, komm schon!” (lacht)
Ich habe deine @Home-Performances auf Youtube angeschaut. Was war deine Inspiration dahinter? Man kann sehen, dass du dir viel Mühe mit deinen Kostümen und den Visuals gemacht hast.
Danke. Die Visuals waren eigentlich für eine One-Woman-Show gedacht, die ich letztes Jahr angefangen habe aufzuführen. Das Konzept ist für große Fabrik- und Lagerhallen gemacht. Dazu würde ich keine Band mitbringen, sondern alleine an Orten auftreten, an denen die Tracks sich rau und toll anhören. In dem Konzept steckt auch der Gedanke, dass die Shows sich zwischen DJ-Auftritten einreihen. Im Grunde geht es darum, dass ich Raves mag. Und die Visuals sollten auf einer riesigen Leinwand mit einer Leiter abgespielt werden, sodass ich diese hochklettern kann in die Leinwand. Die Visuals zeigen sehr persönliche Dinge von meinem Handy oder sie sind Teile meiner Videos. Diese große Show und meine Vocals wurden für ein Clubumfeld konzipiert. Eigentlich war schon alles fertig. Dann kam es aber so, dass das Publikum vor dem Computer sitzt und mich in meinem Wohnzimmer erlebt.
Du trägst gerne extravagante Kostüme und hast einen sehr individuellen Sinn für Mode. Siehst du dich selbst vorrangig als Musikerin und alle anderen kreativen Arbeiten stehen dahinter?
Das bin alles ich, aber die Musik kommt immer zuerst. Und die Musik muss so gut wie möglich sein. Seit dem Anfang meiner Karriere war das mein Ziel. Wenn ich musikalisch etwas Besonderes habe, dann wird meine Aufgabe als visuelle Künstlerin sehr viel leichter. Rede mit irgendeiner*irgendeinem visuellen Künstler*in und man wird dir sagen, dass man nur ein tolles Musikstück braucht, damit man irgendwelche Visuals daran schmeißen kann und es funktioniert. Selbst wenn ich mich als visuelle Künstlerin in die Hände von Musikproduzenten begebe, müssen sie gut sein. Und dann spinnt sich alles andere auf natürliche Weise daraus.
Wie gehst du an die Auswahl deiner Kostüme für Live-Auftritte heran. Beziehst du dich dabei auf dieselbe Kreativität, mit der du auch Musik machst?
So etwa, ja. Wie ich schon sagte, alles kommt aus der Musik heraus. Ich plane keine ganzen Alben mit Musik und Visuals im Voraus. Alles hat seine Zeit und seinen Ort, um damit zu beginnen. Meistens denke ich erst an die Visuals, nachdem die Musik fertig ist, obwohl ich bei Róisín Machine das Albumcover schon während dessen Fertigstellung gemacht habe. Dieses Album war ohnehin schon in unseren Köpfen fertig geformt. Manchmal arbeitet man mit anderen Menschen in komplett umgekehrter Reihenfolge und man weiß überhaupt nicht, welche Musik am Ende entsteht. Dann ist vieles experimenteller.
„Wo sind die Frauen, denen alles egal ist? Die Frauen, die mutig sind, wo sind sie?”
Beziehst du dich bei dem Albumcover von Róisín Machine auch auf deine Zeit in Sheffield?
Ich wusste genau, welche Visuals ich wollte, als ich vor zwei Jahren eine Cosey-Fanni-Tutti-Ausstellung hier in London gesehen habe. Sie war bei Throbbing Gristle dabei und ist jetzt ein Teil von Chris & Cosey. Eine Pionierin elektronischer Musik und gleichzeitig eine visuelle Künstlerin. Ich habe also diese Ausstellung mit Fotografien von ihr in Bondage gesehen, die sie von sich selbst vor vielen Jahren gemacht hat. Das Ergebnis war brillant, sehr sexy, aber wirklich subversiv und kraftvoll. Dieser Gedanke, wo das alles hin ist, ist in meinem Kopf hängen geblieben. Wo sind die Frauen, denen alles egal ist? Die Frauen, die mutig sind, wo sind sie? Dann habe ich angefangen, mir Fotos von Frauen aus der Punk- und Post-Punk-Ära als Mode-Inspiration anzugucken.
Dieses Punk-Moment ist in der Musik nicht hörbar.
Es wäre nicht richtig von mir, mich rein aus der Perspektive eines Disco Darlings zu präsentieren. Die Musik kommt aus dem Keller, im gleichen Maße wie sie aus dem Studio 54 kommt. Wenn man das Album als Gebäude denkt, dann hat es letztendlich einen schmierigen Kellerboden. Ich habe wie immer mit meiner Fantasie gespielt, aber ich beziehe mich bei Róisín Machine auf mich selbst zu dem Zeitpunkt, als ich anfing, mich wirklich für Musik zu interessieren. Ich meine nicht die Zeit, als ich anfing, selbst Musik zu machen, sondern als ich mich massiv für Musik interessierte und zu Gigs gegangen bin. Im Grunde genommen war ich ein kleiner Punk.
Durchzieht ein gewisser Mut oder ein Schritt aus deiner Komfortzone deine Mode und deine Musik?
Ich fühle mich in Komfortzonen nicht wohl, wenn ich kreativ bin. Wenn ich mich zu wohl fühle, dann denke ich, dass ich vielleicht falsch liege. Wenn ich nicht auf die eine oder andere Weise etwas den Hang hochschiebe und über mich hinauswachse, dann muss es falsch sein. Ich brauche das Gefühl, möglicherweise zu versagen, damit mir Gutes gelingt.
An anderer Stelle hast du erzählt, wie du bei einem Auftritt in Paris, damals noch mit Moloko, realisiert hast, dass viele schwule Männer im Publikum waren und du dich dadurch angekommen gefühlt hast. Hat dich die queere Community und im Speziellen die französische queere Community beeinflusst?
Ich beziehe mich so oft auf diese Nacht in Frankreich, weil das Publikum davor stets sehr nüchtern war. Also, es war vorher so, dass ich in Paris meist vor rund 50 Leuten aufgetreten bin, die alle Musikjournalist*innen und Skateboarder waren. Also tatsächlich etwas langweilig. Und an einem Abend bin ich auf die Bühne getreten, und der Saal war voll mit oberkörperfreien Männern, die meinen Namen gesungen, geschrien, geschwitzt und sich aneinander gerieben haben. (lacht) Und dann habe ich zu mir gesagt: „Das ist es, ich bin angekommen.”
„Wenn ein schwuler Mann deine Disco- und Clubmusik mag, dann muss sie wohl in Ordnung sein.”
Wie sieht das jenseits von Frankreich aus?
Manche Länder sind durchmischter und andere sind sehr, sehr queer. Zum Beispiel sind in Amerika meine Auftritte sehr von der schwulen Community geprägt, da trägt niemand mehr als seine Unterwäsche. (lacht) Das spornt mich dann noch mehr an. Mir wurde von Leuten wie DJ Parrot immer beigebracht, dass die Musik, die ich liebe und selbst mache, von dort kommt. Sei es nun Take Her Up to Monto oder Róisín Machine. Die Musik, die Kultur und die Szene, aus der ich komme, wurde verdammt nochmal von Schwulen erfunden. Als ich auch in dieser Szene akzeptiert wurde, hat mir das sehr geschmeichelt. So hat sich dann der Kreis geschlossen. Wenn ein schwuler Mann deine Disco- und Clubmusik mag, dann muss sie wohl in Ordnung sein. (lacht) Vielleicht ist sie sogar mehr als nur in Ordnung. Und dadurch kommen sexy und dynamische Auftritte zustande, bei denen natürlich die Hälfte oder mehr das Publikum ausmacht.
Mir ist aufgefallen, dass du meistens mit männlichen Produzenten an deiner Musik arbeitest. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Das weiß ich nicht, vielleicht gibt es dafür einen Grund. Da müsstest du mich psychoanalysieren. In der Musik gibt es in anderen Bereichen einfach viel mehr Frauen, mit denen man arbeiten könnte. Es gibt immer noch einen Mangel an guten weiblichen DJs, Produzentinnen und so weiter. In den letzten Jahren hat sich etwas getan, aber der Prozentsatz an Frauen, die Musik produzieren, die ich mag, ist sehr gering.
Hast du als Frau, die schon lange in der Musikindustrie arbeitet, das Gefühl, dass die Wahrnehmung deiner Musik und deiner Kreativität sich über die Jahre verändert hat?
Ich weiß nicht, wie ich Veränderungen rationalisieren soll, die sich über 20 Jahre spannen. Ich werde mich nicht darauf festlegen, dass es politische Veränderungen sind oder etwas in der Art. Veränderungen in der Wahrnehmung von mir haben mehr damit zu tun, dass ich immer noch als Musikerin aktiv bin. In meiner Karriere sind Dissonanzen entstanden. Manchmal passte mein Sound nicht zu meinem Look, oder es gab Emotionen auf einer Platte, die Leute nicht verstehen konnten. Oder es war die Bildsymbolik, mit der ich gespielt habe. Von meiner Arbeit gehen viele, viele Signale aus. Das hat über die Jahre Missverständnisse erzeugt. Aber je länger meine Karriere dauert, desto nebensächlicher ist es für mich, wie ich wahrgenommen werde. Meine Werke als großes Ganzes kristallisieren sich zu einem Leitmotiv. Idealerweise geht alles von dem ersten Album – Do You Like My Tight Sweater? – aus und zieht sich bis zu meinem aktuellen Album. Ich glaube, die Leute fangen an, diese Dissonanzen zu vernachlässigen und zu verstehen, was ich eigentlich ausdrücken möchte. (lacht) Vielleicht braucht es einfach 27 Jahre bis zu diesem Punkt.
Und wenn du das auf dich als weibliche Künstlerin beziehst?
Ehrlich gesagt, würde ich mir nie wünschen, ein Kerl zu sein und Musik zu machen. Auf Festivals sehe ich männliche DJs, die in Hosen und weißem Hemd auf die Bühne gehen. Die sehen aus wie Immobilienmakler, aber was kann man da machen? Sie haben nicht diesen immensen Zugang zu all den unglaublichen Archetypen, der Symbolik und Verspieltheit weiblicher Künstlerinnen. Ich denke, dass Männer das durchaus können, doch es ist schwieriger für Kerle, sich selbst auszudrücken. (lacht) In dem Sinne soll sich auch nicht alles um mich drehen. Ich liebe es, Solokünstlerin zu sein und den Produzenten ab und zu auszutauschen. Ich kann meine Outfits, meine Attitüde und alles andere drum herum ändern. Dadurch bleibe ich interessant. Deswegen liebe ich es, Frau zu sein. Es ist toll.