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Die Platten der Woche mit Anunaku & DJ Plead, Lone X KETTAMA & SW.

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Anunaku & DJ Plead – WHYT032 (AD 93)

Ursprünglich noch als 32. Katalognummer für das Label Whities geplant, entschloss sich Nic Tasker im Zuge der BLM-Debatte kurz vor Release dazu, sein Londoner Label für Leftfield Techno in AD 93 umzubenennen, um jegliche Missverständnisse bezüglich des Namens von vornherein auszuschließen. Dadurch erscheint die EP des Italieners Anunaku gemeinsam mit seinem Melbourner Kollegen DJ Plead nun als erste Veröffentlichung auf AD 93 und setzt den dortigen Trend von zeitgenössischen Techno-Mutationen abseits des Mainstreams gekonnt fort. Alle drei Tracks der EP spielen mit Jungle-Einflüssen, in Szene gesetzter Sample-Percussion und den typischen MC-Einspielern. Dass der Vibe trotz eindeutigem Soundsystem-Flair und den entsprechend mächtigen Sub-Bässen aber nicht geradewegs ins Karibische abrutscht, sondern gleichzeitig die mystische Romantik eines Marktplatzes im mittleren Osten versprüht, ist den orientalischen Melodien zu verdanken, die sich prominent durch alle drei Titel schlängeln. Eine gelungene Melange, die besonders von ihren lebhaften Drums lebt und trotz allerlei Samples ihren reduzierten Track-Charakter behält. Leopold Hutter 

Aroent – Eleese EP (Awkwardly Social) 

Aroents Eleese EP wird etliche Plattenladen-Mitarbeiter vor ein Problem stellen – in welches Fach sollen sie die Maxi des in Berlin lebenden Griechen einordnen? Denn nicht nur die EP als Ganzes, auch die einzelnen Stücke verweigern sich einer eindeutigen Etikettierung. Der Titeltrack benutzt zwar einen Electro-typischen Breakbeat, weicht aber vor allem im Arrangement von der reinen Lehre ab. Genau wie Stück zwei, das nach dem ekstatischen Opener fast schon meditativ mit 4-To-The-Floor-Kick daher kommt, aber keineswegs Minimal- oder House-Klischees erfüllt. „Twin Bang” hat dann etwas mit Tribal-Techno zu tun, aber auch dieses Label hinkt, dafür ist hier die Soundgestaltung zu abstrakt-elektronisch. Und aufgepasst, DJs: Die Steigerung nach etwa fünfeinhalb Minuten klingt zwar nach Breakdown, führt aber ins Nichts – nach dem Trommelwirbel endet der Song! Danach kann aber problemlos das finale „Smomber” gestartet werden, das mit Tempo und Energielevel sehr gut zu „Twin Bang” passt, allerdings neben Techno-Genen auch DNA von Fidget House und heruntergepitchtem Jungle in sich trägt. Alle Tracks wirken übrigens, als seien sie kaum länger als drei Minuten – was nicht stimmt und nur an der Ideendichte und den gut strukturierten Arrangements liegt. Mathias Schaffhäuser

Lone X KETTAMA – Lone X KETTAMA EP (R&S Records)

Ausgangspunkt dieser ersten gemeinsamen EP der beiden Briten Lone und KETTAMA war das letztjährige Glastonbury-Festival. Sie waren sich zuvor nie persönlich begegnet, trotzdem wurden sie für ein B2B-DJ-Set gebucht, und es hat wohl tatsächlich funktioniert. Gerade mal eine Viertelstunde vor dem Gig sprachen sie erstmals miteinander, doch beide schätzen sich schon eine ganze Weile lang. Tatsächlich sind Lone und KETTAMA wohl so etwas wie Brüder im Geiste, es ist nicht nur die schwärmerische Rave-Nostalgie, die sie miteinander verbindet. Das zeigt sich beim Hören dieser EP. Zusammen haben die beiden den Track „The Way You Feel“ aufgenommen, außerdem ist noch je ein Solostück enthalten. Die Kollabo-Nummer poltert mit frischen 130 bpm los und man kann wirklich nicht sagen, dass hier weniger mehr sein sollte. Eine Synth-Melodie wird auf die andere geschichtet, die Endorphine schlagen Purzelbäume. „Anniversary“ von KETTAMA fiept sich daraufhin mit leicht melancholischer Euphorie durch einen Frühneunziger-Techno-Referenzrahmen. Daran knüpft der Lone-Track „Dragonrush“ an, setzt letztlich aber mit seinem Semi-Breakbeat und diesem entschlossenem Rave-Vibe etwas andere Akzente. Holger Klein

Peter Elflein / Schneider & Radecki – S V1 / Chic
(A Colourful Storm)

Peter Elflein veröffentlichte in den 1990er Jahren auf Falk Meinungers Frankfurter 7” Elektro/Electronica/IDM-Label Hal9000. Ein schönes, kleines, rotziges Indie-Label, das ab und an wegen der selbstkopierten, Punkfanzine-artigen Coverart und den witzigen Gedichten in deutschen Plattenläden auffiel. Der bekannteste Act auf dem Label war der Offenbacher „Grüne-Soße”-House-Produzent C-Rock alias Christian Rindermann. Elfleins Track „S V1“ aus dem Jahr 1995 wird nun auf Moopies australischem Label A Colourful Storm wieder veröffentlicht. Der Track beginnt; die Schaltkreise rauschen soft und mystisch. Die echte Roland TR-808 macht alles richtig. Die Open-Hi-Hat öffnet und schließt sich. Die 16tel-Closed-Hi-Hat kommt und geht. Die Accents kommen auch gut. Das Glockenspiel verstrahlt den Hörer psychedelisch, der Bass brummt dumpf und wahrscheinlich wurden beide Synthesizer über die Trigger Outs der Bassqueen kontrolliert. Drei analoge Maschinen, die qua Menschmaschinen-Livejam diesen großartig einfach arrangierten, extrem sound-affinen Track an und ausschalten: Mehr braucht man nicht. An diesem druckvollen und deepen Detroiter/Frankfurter-Elektro-Minimalismus können sich alle DAW-Kids immer noch einiges abschauen. Auf der B-Seite kommt – aus dem Jahr 1999 – „Chic” von Guido & Radecki. Guido Schneider veröffentlichte auf legendären Labels wie Steve Bugs Poker Flat, Cadenza und Cocoon. Der ursprünglich auf Schneiders eigenem Label Neue Welten erschienene Electro-Track funkt machinell-funktionell mit klassisch dubbig, wabernd ploppenden Sequencer-Arrangements und gefilterten Hi-Hat-Clicks dahin. Vielen Dank für die schöne Erinnerung, wie elektronische Tanzmusik in dieser unsäglichen Flut von digital produziertem Müll klingen könnte. Mirko Hecktor 

SW. – Night (Night Defined) 

Der Realkeeper aus Berlin, Stefan Wust, bringt eine neue Platte auf dem Salzburger Label Night Defined raus. Ohne großes Tralala, is’ klar. Auf Pressefotos verzichtet Wust aus Prinzip und einer Liebe zum Underground-Spirit, den er zusammen mit Sven Rieger auf deren eigenem Baby SUED seit über zehn Jahren bounct. Als SW. knallt er dafür mit Mukke, die sich auf den sechs Stücken von Night genauso wenig einordnen lässt wie Leute, die ihren Kaffee schwarz trinken und dreimal betonen, dass sie ihren Kaffee schwarz tränken. Apropos Schwarz. Die Nacht ist – trotz aller Freude an LED-Vermüllung und Lichterketten-Smog – eine ziemlich finstere Angelegenheit, weshalb Night ein guter Name für ein Album ist, das den Dimmer aus den Schaltkreisen reißt, um ihn durch ein menschengemachtes Strobo zu ersetzen, also mit dem Zeigefinger am Lichtschalter rauf- und runterzuhobeln, bis man selber nicht mehr so genau weiß, ob jetzt Tag oder Nacht oder irgendwas dazwischen ist. Night passt aber auch aus Gründen der gedanklichen Verruchtheit. Bevor man sich versieht, streift man einsam durch die Nacht, zündet sich in der Kellerabsteige noch einen letzten Zigarillo an und lässt neben der eingeschlafenen Dark-Jazz-Band erstmal Dampf ab. Mit Dark Jazz hat Night übrigens nichts zu tun außer der Tatsache, dass die Platte an manchen Stellen so klingt, als hätten sich Jan Jelinek und Bohren und der Club of Gore auf Speed ins Detroit der frühen 90er geschossen, um kurz mal auf ein Käffchen bei Mike Banks vorbeizuschneien. Christoph Benkeser

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