Jeden Tag werden DJ-Mixe ins Netz geladen. Manche sind besser, manche sind schlechter und nur wenige werden uns jahrelang begleiten. Jeden Monat sucht die GROOVE-Redaktion die fünf besten Mixe des vorangegangenen Monats aus, präsentiert in alphabetischer Reihenfolge. Diesen Monat mit Conducta, Emika Elena, Paula Tape, soso tharpa und ssaliva & Otis. Und wer danach noch nicht genug hat, schaut einfach mal beim GROOVE-Podcast vorbei.
Conducta – 20. Juli (Rinse FM Radio Show)
Jeden zweiten Montag im Monat tritt Conducta hinter die Rinse-FM-Decks und liefert zwei Stunden funky UK Garage ab. Der hier vorgestellte Mix stammt vom 20. Juli, ist also noch relativ frisch. Erneut hat sich der aus Bristol stammende DJ damit als einer der führenden UKG-DJs erwiesen. Der Mix folgt mehreren Veröffentlichungen seines eigenen Labels Kiwi Rekords sowie den gefeierten Kiwi-Sound-Compilations. Conducta liefert eine präzise Mischung unveröffentlichter Tracks und Remixe – etwa von Klassikern wie „Wannabe” von den Spice Girls. Vollgepackt mit melodischen Tracks animiert Conducta hier sofort zum Mittanzen. Im Laufe der Jahre hat sich Garage zu einer der wichtigsten Bewegungen des jüngsten britischen Musikerbes entwickelt, einschließlich Genres wie Dubstep, Grime und Bassline. All diese Genres finden auch in Conductas Mix ein Zuhause – dringende Hörempfehlung, passend zum sonnigen Wetter. Johanna Urbancik
Emika Elena – Human Lessons #037 (Human Lessons)
Wenn über Emika Elena gesprochen wird, fallen schnell die Worte „hypnotische Dunkelheit”. Die DJ und Produzentin konnte sich bereits in ihrer Heimat Tokio einen Namen machen. Letztes Jahr folgte der Umzug nach Berlin, wo sie bereits in Clubs wie dem Tresor auflegen konnte. Einen Hang zur Musik hatte Emika Elena seit Kindheitstagen. Mit vier Jahren lernte sie das Klavierspielen, bevor sie sich als Jugendliche immer mehr der elektronischen Musik zuwandte. Dann entfachte ein Berlinbesuch vor sieben Jahren ihren Wunsch, Techno-DJ und Produzentin zu werden. Inspiration bezieht Elena jedoch auch außerhalb des Clubmusik-Radius. Besonders Filmmusik, etwa von Hans Zimmer, inspiriert ihren düsteren Sound.
„I am sitting in a room different from the one you are in now. I am recording the sound of my speaking voice and I’m going to play it back into the room again and again until the resonant frequencies of the room reinforce themselves so that any semblance of my speech with perhaps the exception of rhythm is destroyed.” Emika Elena beginnt ihren Mix für ihr eigenes Label Human Lessons mit einem Zitat von Alvin Lucier, einem US-amerikanischen Komponisten und Klangkünstler. Ihre Stimme findet Elena in elektronischen Klängen. Zu Beginn noch geprägt durch wabernden Ambient, schaukelt sich der Mix schnell zu düsterem Techno hoch. Es rauscht, zirpt, blubbert und klappert, während sich der Beat hypnotisch ausbreitet. Gen Ende wird die dunkle Grundstimmung durch Gezwitscher und Wasserrauschen wie aus einer Tropfsteinhöhle abgerundet. Louisa Neitz
Paula Tape – Streaming From Isolation with Night Dreamer & Worldwide FM (Boiler Room)
Von einer Terrasse mit pittoreskem Panorama der Mailänder Innenstadt begrüßt uns Paula Tape. Die chilenische DJ und Produzentin hatte für ihre Edition der Boiler-Room-Reihe Streaming From Isolation drei weitere Künstler*innen eingeladen, die DJ-Sets aus den eigenen vier Wänden streamten. Einmonatlich hostet sie die Serie Astral Jam auf Worldwide FM, in der sie ihre lateinamerikanischen Wurzeln mit den obskureren Stücken ihrer Plattensammlung verbindet und mit einem eklektischen Mix aus Italo-Disco und experimentellen Klangausflügen abrundet. An diesem bewölkten Spätnachmittag hat Paula Tape weniger außergewöhnliches, aber ebenso originelles Material für uns parat. Während im Hintergrund verschiedene Aufnahmen ihrer italienischen Wahlheimat projiziert werden, mischt sie jede Menge Italo-Leckerbissen mit rhythmischen Basslines und unternimmt hier und da auch Ausflüge in undefinierbare Synth-House-Gefilde. Für den zusätzlichen Kick sorgen diverse Vocal-Abstecher von Arabisch bis Spanisch, die sie gekonnt zu den optimalen Zeitpunkten einstreut. Die gewohnte Abwechslung aus ihrem ersten Boiler Room vom Lighthouse-Festival lässt sie auch in ihrem zweiten Outing nicht vermissen. Auch wenn der Überfluss an DJ-Streams das Medium trivialisieren mag, ist Paula Tapes einstündiger Mix definitiv eine Einladung zum Schwingen des unterbeanspruchten Tanzbeins, die man nicht so einfach ausschlagen kann. Jonas Hellberg
soso tharpa – Truancy Volume 265 (Truants)
„My approach was to get you reminiscing about the club as well as ‘Dancing your Pain Away’ like Rod Lee says”, fasst soso tharpa seinen Mix für TRUANTS zusammen – das gelingt ihm auch mit den Tracks abseits der Baltimore-Granate höchst einnehmend. Der Sohn nigerianischer Einwander*innen gehört zur vibrierenden Szene Washington, D.C.s, die sich musikalisch nur schwer fassen lässt. Ende letzten Jahres veröffentlichte er mit Future Times auf dem wohl einflussreichsten Label der amerikanischen Hauptstadt. Für sein 65-minütiges Set setzt soso tharpa auf bassige Stücke, die Spaß einem konzeptionellen Überbau gegenüber klar Vorrang geben. Immer wieder paart sich organisches Drumming mit Vocals, stellenweise atonalem Sing-Sang, der in poppige Vocoder-Stücke übergeht. Schillernde Melodien, ein wohltuender Abstecher in Richtung sommerlicher Dub und die abschließende Grenzüberschreitung auf den Dancefloor füllen nicht nur soso tharpas eingangs geäußerte Prämisse mit Leben, sondern stehen obendrein noch für einen ziemlich perfekten Sommer-Mix. Der beinhaltet übrigens nicht nur hedonistische elektronische Tanzmusik, sondern schließt mit einem wütenden Statement LL Cool Js zum Tod George Floyds. Maximilian Fritz
ssaliva & Otis – SPA #09 (NTS Radio )
Otis gründete das Label sowie die gleichnamige Eventserie Slagwerk, auf dem ssaliva 2019 bereits eine EP veröffentlichte. In diesem einstündigen Ambient-Mix stehen die beiden zusammen hinter den Decks. Die in Belgien ansässigen DJs und Produzenten fingen für NTS Radio einige schöne, melancholische Stimmungen ein – oft sind analoge Instrumente zu hören wie eine Gitarre oder eine Harfe, zärtliche Stimmen säuseln verhallt durch den Hintergrund. Ohrwürmer sind nicht wirklich mit dabei, die Tracks wirken wenig geloopt, sondern eher solistisch. Sie zeichnen eine stimmungsvoll-märchenhafte Mischung aus glitchigen Computersounds, elektronischen Synthesizer-Melodien und ehrlich analoger Klangkunst, die überzeugt. Während „Gud – just hear me out now” läuft, wird einem richtig warm ums Herz. Bei Club Syncs – „don’t look at me that much” schlendert man gedanklich vielleicht an einem regnerischen Tag über einen orientalischen Markt. Die Übergänge sind nahtlos und laufen den beiden geschmeidig von den Händen. Julian Eichelberger