Bluematter – Blankness (E-Beamz)
Jozef K und Thomas Ragsdale, die beiden Produzenten, die zusammen das Duo Bluematter bilden, sind sonst eher in Deep- und Tech-House (K) beziehungsweise Electronica-Gefilden (Ragsdale) unterwegs. Für ihr gemeinsames Projekt auf E-Beamz haben sie aber Drum’n’Bass zum Thema erkoren, und zwar die so düster-dystopische wie weitläufig-wunderschöne Mittneunziger-Version, die seinerzeit auch gerne unter dem etwas idiotischen Namen „Intelligent Drum’n’Bass” lief. Diese Vorgabe, gepaart mit moderner Produktions-Ästhetik, erfüllen die beiden auf den vier weiträumig verhallten, futuristischen Sci-Fi-Tracks ihres Debüts auf jeden Fall perfekt. Tim Lorenz
Derek Carr – The Matter at Hand (Just Jack)
Derek Carrs Sound ist leichte Kost. Aber nicht im negativen Sinne. Der Ire beherrscht die Komplexitätsreduktion und schafft es immer wieder, seinen Produktionen eine unbekümmerte Leichtigkeit zu verleihen. Glasklar und piekfein kommen auch die drei Tracks auf seiner neuesten EP The Matter at Hand daher. Carr lässt darauf einmal mehr gefühlvolle Melodien mühelos um bouncy Basslines tanzen. „The Matter at Hand” ist verträumt, luftig und würde ebenso im Club funktionieren. „A Hundred Dreams” verfolgt denselben Ansatz und bedient sich gekonnt der archetypischen Detroit-Sounds, die für Carrs Sound so prägend sind. Der B-Side Track „Vandalised” grenzt sich etwas von den anderen beiden Tracks ab, ist mit seinen robotischen Bleeps forscher und kratziger. Das Gefüge macht Sinn: Allesamt nehmen sie den Hörer mit auf eine unverkennbare, emotionale, zeitlose Exkursion – stets mit einem Fuß auf dem Dancefloor. Aline Fürer
gayphextwin/Pépe – NAIVE009/JKTN070 (Naïve/Jacktone)
Derbe Split-EP zwischen gayphextwin (auf den Namen muss man erstmal kommen) und Pépe – letzterer bereits bekannt durch diverse hervorragende Veröffentlichungen auf Lobster Theremin, Let’s Play House, Deep Sea Frequency und anderen Labels. Gemeinsam bieten sie hier über neun Tracks (zwei davon exklusiv digital) mit Original-Stücken und gegenseitigen Remixen House, Techno und Electro der abseitigeren Sorte, von rough bis noisy, dabei aber immer groovend funky und tanzbar. Super Platte für die Leftfield-Crowd. Tim Lorenz
TNGHT – TNGHT II (Warp)
Lange ist es her, dass Hudson Mohawke und Lunice im Jahr 2012 eine EP aufgenommen hatten, auf der, angetrieben von einem irren Spieltrieb, diverse Elemente aus der Welt der elektronischen Musik und US-Südstaaten-Hip Hop zusammen Spaß hatten. Schon bald stürmte dieser dropreiche Trap-Sound die EDM-Festivalbühnen und ging den Weg des späten Stumpf-Dubsteps. Nach einer gemeinsamen Tour verloren die beiden daher die Lust an dem Monster, das sie mit erschaffen hatten. Inzwischen hat sich der Spuk gelegt, außerdem lebt Hudson Mohawke nun in Los Angeles und damit näher an Montreal, der Heimat von Lunice. So kam es doch noch zu einer zweiten TNGHT-EP. Wieder geht es um maximalen Spaß, wieder haben Hudson Mohawke und Lunice Hip Hop im Blick, dieses Mal variiert das Tempo der Tracks aber doch deutlich. An Einflüssen sind Kuduro-Beats („Serpent”), Trance-Strings („I’m in a Hole”), Gabber-Bassdrums („Club Finger”), orientalische Preset-Sounds („First Body”) oder Hardcore-Samples („Gimme Summn”) zu hören. Der Clubbanger der Platte ist aber „Dollaz”, ein Rap-Sample trifft auf metallische Drumsounds und ein debiles, als Zweifinger-Melodie gespieltes Frauen-Vocal-Sample. Holger Klein
Vladimir Dubyshkin – Budni Nashego Kolhoza (трип)
Russlands Techno-Szene explodiert vor unser aller Augen, doch kaum jemand hat’s wirklich aufm Schirm. Es sind mutige Betreiber von Clubs wie dem 2014 geschlossenen Arma17, dem Blank, Rabitza, Squat ¾ oder Клуб, aber auch Promoter und Namen vom Kaliber AL-90, Buttechno, Nastia Reigel, SCSI-9, Vtgnike oder natürlich Nina Kraviz, die seit ein paar Jahren trotz einer korrupten Exekutive unerhörte Raves in Kellerclubs und alten Industrieanlagen aus der Sowjet-Ära zu einer noch jungen Subkultur formen. Von St. Petersburg bis Chelyabinsk, weiter nach Tomsk und Irkutsk gedeiht hier etwas, das lange Zeit aus vielfältigen Gründen nur langsam wachsen konnte. Vladimir Dubyshkin stammt aus Tambov, einer hochgradig industrialisierten Stadt ungefähr 500 Kilometer südlich von Moskau, die zwischen grau verhangenen Plattenbauten, bunt bemalten Kirchen und kolossalen Fabrikhallen alles bietet, was sich der einfältige Westeuropäer so unter einer russischen Großstadt vorstellt. Bislang vor allem in den Sets von Nina Kraviz zu uns durchgedrungen, tat sich Dubyshkin spätestens nach der letztjährigen Cheerful Pessimist-EP – natürlich auf Kraviz’ Label трип (Trip) erschienen – als einer jener Produzenten hervor, die das Club-Geschehen im größten Land des Planeten während der kommenden Jahre zweifellos mitformen werden. Durchsetzt von minimalistischer Beat-Repetition, kindlichen Voice-Samples und kreischenden Sojus-Synths, folgen nun mit Budni Nashego Kolhoza überschwängliche Eindrücke dessen, wie in den dicht vernetzten Cyber-Kolchosen des Jahres 2035 östlich des Urals zu Pelmenis und Fliegenpilzwodka hoffentlich zelebriert wird. In der Zwischenzeit zeugen hypnotisierende Iterationen („Rural Woman”) beim schweißvernebelten Kaputttanzen („Customs & Traditions”) während ekstatischer Kühlturm-Rituale („Elvis Has Left The Building”) davon, dass dieser Russe mit einem kühnen Händchen für Acid-Arps auch jetzt bereits das bedient, was viele Heads in jüngster Zeit immer öfter schmerzlich vermisst haben: Puristisch präfixfreier Techno ohne Exit. Nils Schlechtriemen