FaltyDL – Flechazo (Studio Barnhus)
Flechazo sagt man im Spanischen, wenn einen Amors Pfeil mitten ins Herz getroffen hat. So lautet auch der Titel der neuen Single des New Yorker Produzenten FaltyDL, es ist seine erste fürs Stockholmer Label Studio Barnhus. Und ja, Liebe auf den ersten Blick ist auch diese Platte, dem entrückten und doch mit einer stabilen Bassdrum ausgestatteten Titeltrack sei Dank. Das Vocal-Sample triggert zwar Rave-Nostalgie, am Ende spielt „Flechazo” jedoch in einer erfrischend eigenen Liga. Auf „New Lover” schwelgt FaltyDL dann noch in etwas breakbeatiger Piano House-Seligkeit, das ist nicht unsympathisch, weiß aber kein bisschen zu überraschen. Holger Klein
Filter Dread – Ice Rave (Sneaker Social Club)
Der rege Londoner Produzent Leo Johnson-Davies alias Filter Dread hat seinem Gesamtwerk eine weitere Sammlung von historisch informierten Fortschreibungen des Hardcore Continuums hinzugefügt. Digitale Wuchtbässe, quietischig quadratige Synthesizerwellen zuhauf, auf Rumpfformat zurechtgestutzte Jungle-Breaks, ein ganzes Arsenal an Genre-Zutaten aus dem Bestand der Bassmusik kommt bei ihm zusammen. Klingt dabei nie wie eine reine historische Exkursion, stattdessen kombinieren seine Tracks elegant die wechselnden Anteile von UK Garage, Grime oder Dubstep, machen daraus nostalgische, zugleich völlig gegenwartstaugliche Grundlagen für eine massive Erschütterung von Clubfundamenten. Gelegentliche Verneigungen vor der frühen Warp-Phase der Bleeps und Clonks runden die Sache ab, Ecken und Kanten bleiben trotzdem genug. Tim Caspar Boehme
Jon Hester – Momentum EP (Rekids Special Projects)
H-h-h-h-h-House Nation! Die neue EP des in Berlin lebenden Producers und DJs aus Minneapolis erspart Hörer*innen und Clubs gleichermaßen das lästige Entstauben der Speaker, denn die vier hard-hitting Clubwaffen blasen jeden noch so kleinen Staubpartikel weg. Mal overdriven („Accelerator”), mal distorted („Beatwave”) schütteln die Kickdrums einen ganz ungeniert durch und tragen einen großen Teil dazu bei, dass die Tracks der A-Seite so energiegeladen wirken. Bei „Accelerator” kommen dann noch einem jeden Clubgänger angenehm vertraute (House-)Chords hinzu, während das wesentlich reduziertere „Beatwave” durch messerscharfe Hi-Hats, vor allem aber aufgrund eines hippen Vocal-Loops funktioniert. „Funktioniert” ist das Stichwort, denn die B-Seite wirkt dann doch stark eintönig und funktional und vermag es nicht, die Energie der ersten beiden Stücke erfolgreich aufzugreifen. Sicherlich, auch „Zoned” und „Part 4” werden den Weg in das ein oder andere Safety First-Set finden, aber mehr als beiläufiges Nicken kann man dann von keiner Crowd erwarten. Andreas Cevatli
TCB – Primal Astrology (ESP Institute)
2002 erschien die erste EP des Frankfurter Producers Chris Beißwenger, seinerzeit im Duo mit Lukas Bacsoka unter dem Namen High Tide. Spätere Projekte hießen Arto Mwambe (mit Phillip Lauer), The Exile Missile (mit Philipp Lange) und B.H.F.V (mit Oliver Hafenbauer). Solo firmierte er zunächst als CB Funk, seit 2011 führt Beißwenger das Pseudonym The Citizen’s Band, immer wieder auch zu TCB verkürzt. Dennoch handelt es sich hier um eine Art Debüt: Primal Astrology ist Beißwengers erstes Album, zumindest so gut wie. Dafür spricht nicht nur, dass sich die sechs Tracks zu einer Laufzeit von knapp 30 Minuten summieren (okay, einigen wir uns auf Mini-Album), sondern vor allem der Wechsel des musikalischen Felds, den sie markieren. Anstelle von House und Techno bildet Dub-Reggae den Fokus dieser Musik. Statt Snarerolls und handgespielten Bassläufen schickt Beißwenger im Unterschied zu jamaikanischen Produzenten allerdings elektronische Sounds in seine (digitalen) Echokammern. Nicht so sozialromantisch Roots-orientiert wie Rhythm & Sound, weniger funktional als Basic Channel, beschreitet TCB mit Primal Astrology einen zeitgemäßen dritten Weg, der die Verbindungslinien zwischen jamaikanischen und westlich-urbanen Musikkulturen zu würdigen versteht, ohne Dub Techno-Klischees aufzurufen. Introspektive Soundlandschaften im Ambient-Kaleidoskop der Gegenwart. Harry Schmidt
тпсб – Laika’s Revenge (Climate of Fear)
тпсб kehrt zurück auf die Erde. Nach seiner ersten, vielbeachteten LP Sekundenschlaf (2018) folgt jetzt EP Laika’s Revenge. Man könnte Laikas Wut gut nachvollziehen: Als erstes Tier vom Menschen in den Orbit geschickt, starb sie wohl noch während des Hinflugs. Doch ihr ist es wesentlich zu verdanken, dass der Mensch im Folgenden seine Erkundungen des Weltraums exponentiell verstärken konnte. Doch ihre Rache kommt hier in Form von zwei sehr schönen, bildgewaltigen Songs, die Träume der Hündin auf dem Flug von der Erde weg illustrierend. Mit „Escape Pod” zieht es sie in sehnsuchtsvolle, melancholische Tiefen des Alls, ein technoides Ambiente erinnert angenehm an die Future Sounds of London. Der Titeltrack hat ein wenig mehr Wumms, die Synth-Melodien klingen wie der Sternenstaub, den Laika auf die Erde schießt. Schimmernd schön. Lutz Vössing