Alle Fotos: Marina Hoppmann
Das Robert Johnson ist der maßgebliche Technoclub in Offenbach am Main. Im Juni 2019 feiert der Laden seinen 20. Geburtstag. Für unseren Geburtstags-Roundtable haben wir Booker Oliver Hafenbauer, Veranstalter und Booker Pascal Mungioli und Selektorin Killa Schütze eingeladen, um mit ihnen über die Vergangenheit, die Gegenwart und Zukunft des Robert Johnsons und die Frankfurter Szene zu sprechen. Moderiert wurde von Luzie Seidel und Alexis Waltz.
Das Robert Johnson, das am Offenbacher Mainufer liegt, wurde 1999 von Ata Macias und Sebastian Kahrs mit Unterstützung von Heiner Blum ins Leben gerufen. An diesem Wochenende werden mit einem 60-stündigen Party-Marathon zwanzig Jahre voller ausschweifender Nächte gefeiert. Mit dabei sind langjährige Freunde des Hauses wie Massimiliano Pagliara, Roman Flügel, Vera, Lauer oder Gerd Janson und jüngere, internationale Künstler*innen wie Avalon Emerson, Donna Leake oder Job Jobse und auch lokale Newcomer wie DJ Slyngshot und Orson Wells dürfen nicht fehlen.
Oliver Hafenbauer ist seit 2009 Booker des Robert Johnson, er ist auch als DJ und Labelbetreiber von Die Orakel aktiv. Pascal Mungioli ist Veranstalter der Partyreihen „Stay” und „Fries Before Guys”, die regelmässig im Robert Johnson stattfinden und für die Kommunikation zuständig. Killa Schütze arbeitet seit 2008 als Selektorin an der Tür des Robert Johnsons.
Die legendären Frankfurter Clubs wie das Omen oder das U60312 haben selten länger als ein Jahrzehnt existiert. Wie habt ihr es denn geschafft, solange durchzuhalten?
Pascal Mungioli: Ich denke, es ist immer wichtig, sich neu zu erfinden, sich der Nachfrage anzupassen, aber trotzdem authentisch zu bleiben. Man kann sich auch programmatisch neu erfinden. Der Club erfindet sich auch im Design neu, ob das jetzt die visuelle Kommunikation ist oder das Interieur.
Oliver Hafenbauer: Genau, ich habe das schonmal in einem anderen Interview erwähnt: Es ist ein bisschen wie in einer Fußballmannschaft, wenn man die Artists anschaut. Manche hören auf zu spielen, andere kommen neu ins Team. Dann gibt es noch lokale Leute, die gefördert werden müssen.
Am Alter des Robert Johnsons gemessen seid ihr relativ jung. Wie habt ihr denn den Club zum ersten Mal persönlich erlebt?
Pascal: Ich komme ja aus Mannheim. Wir sind damals immer ins Loft und haben dann auch immer mal wieder eine Reise nach Offenbach ins Robert Johnson unternommen. In meiner ersten Nacht dort hat, glaube ich, Andrew Weatherall gespielt.
Wann war das?
Pascal: Ich war ziemlich jung, ich glaube 16 oder 17 (lacht).
Oliver: In den 90ern hatte ich eine Phase, in der ich ziemlich viel ausgegangen bin, ins Dorian Gray, ins Omen, ins XS. Danach hatte ich eine Phase, in der ich gar nicht ausgegangen bin, da habe ich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach studiert. Das Robert Johnson ist ja auch aus einem HfG-Kontext heraus entstanden. Sebastian Kahrs war auch an der HfG. Als das Robert Johnson aufgemacht hatte, fühlte es sich auch erst an wie ein Kunstprojekt. Erstmal fand ich das nicht so interessant, weil ich zu der Zeit House und Techno etwas schnöde fand. Irgendwann bin ich dann hin und fand es ganz schlimm (lacht). Für mich hat sich das ganz komisch angefühlt. Da war dann plötzlich Szene: Es wurde geschaut, was andere Leute anhatten und so.
Killa Schütze: Ich erinnere mich, mir ging es tatsächlich gegenteilig. Ich hatte auch damals eine Ausgeh-Phase. Ich habe damals ehrlich gesagt auch nicht so auf die Musik geachtet. Mir ging es nur darum, mit einer coolen Crowd zu feiern, und das war im Robert Johnson möglich. Ich habe mich da wohl gefühlt, egal wie man sich anzog, das Gefühl hatte ich immer.
“Ich wollte einen Raum erschaffen, in dem man musikalisch experimentieren kann”
In Berlin ist das elektronische Nachtleben in den späten Neunzigern abgeebbt, es ging dann erst in den 2000ern wieder los. Hatte das bei Euch mit diesem Zyklus zu tun?
Killa: Bei mir war das ein sehr persönliches Ding, ich denke bei euch auch, oder?
Oliver: Ja! Ich würde sagen, das ist die ganz normale Dynamik im Leben. Die Leute fangen an mit 18 auszugehen, so bis um die 30, und danach gehen sie ihren Jobs nach und bekommen Kinder. Ich weiß nicht, wie die Altersstruktur damals war. Zumindest ist es jetzt so, dass man auch Enddreißiger im Club sieht.
Killa: Gerade das ist das Schöne bei uns im Club. Ich sehe an der Tür, dass auch ältere Gäste, teilweise deutlich über 40- oder 50-jährige kommen. Der gemeinsame Nenner für dieses Publikum ist die Musik. Die meisten sind einfach an Musik interessiert, sie haben Lust zu tanzen und haben Interesse an den Künstlern. Laufkundschaft gibt’s bei uns nicht wirklich.
Oliver: Stimmt, so richtige Laufkundschaft gibt’s bei uns eigentlich nicht. Das Gute am Robert Johnson ist, dass man extra hinfahren muss. Das fördert auch, dass Gäste auch mal länger bleiben und nicht direkt gehen, wenn ihnen das erste Lied nicht gefällt und nach einer Stunde, wenn sie schon einen im Tee haben, anfangen zu tanzen.
Pascal: Es ist ja bestimmt auch für die Crowd schön, weil sich die Leute explizit dafür entschieden haben, ins Robert Johnson zu kommen.
Wie hat sich das Robert Johnson in der Zeit, in der ihr dort aktiv seid, verändert? Gibt es Brüche?
Oliver: Es verändert sich eigentlich die ganze Zeit, dadurch, dass circa alle zwei Jahre eine Umwälzung stattfindet.
Killa: Das kann man so sagen. Es gibt circa alle zwei Jahre einen Shift der Generationen, weil neue Leute dazukommen. Generell könnte man sagen, dass die Crowd früher vielleicht etwas gemischter war. Da hattest du den krassen Raver, den Minimalisten oder den Musiknerd zusammen auf einer Party. Das kommt heute eher selten vor. Heute haben sich die Genres aufgesplittet. Das Publikum ist spezialisierter geworden. Trotzdem gibt es auch Abende, zu denen alle kommen. Dann gibt es welche, die sehr familiär ausfallen. An denen Leute kommen, die an speziellen Künstlern interessiert sind.
Pascal: Was ich in den letzten zehn Jahren bemerkt habe, ist, dass sich viele verschiedene Musik-Crews und Labels gebildet haben. Da haben alle ihre spezielle Musikrichtung oder ihren Stil, auf den sie abfahren, und machen eigene Veranstaltungen bei uns. Die ziehen dann auch ihr eigenes Publikum und bringen jeweils ein anderes Umfeld mit.
Oliver: Was sich auch verändert hat, ist, dass die Leute, gerade durch Social Media und das Internet, mehr informiert sind und differenzierter Ausgehen. Früher konnte man große Parties nur mit großen Künstlern schmeißen. Mittlerweile kann man tolle, große Parties mit Underground-Acts veranstalten.
Was ist eine große Party in eurem vergleichsweise kleinem Club?
Oliver: Wir sind angeschlossen an einen anderen Club [dem MTW, d. Red.] und nutzen zusammen einen Raum. Wir haben den immer Lounge genannt. Der befindet sich direkt unter dem Robert Johnson, und ist genauso groß. Wir haben den jetzt konzeptionell an uns angedockt und bauen gerade um. Das ganze ist aus Pascals Motivation heraus entstanden.
Pascal: Der Raum heisst „Neu”, dort bin ich für das Booking zuständig. Ich wollte einen Raum erschaffen, indem man musikalisch experimentieren kann. Der Raum soll sich musikalisch vom regulären Programm oben unterscheiden. Im Design soll aber trotzdem ein Äquivalent zum Robert Johnson geschaffen werden.
Ab wann soll es Neu geben?
Oliver: Wir sind gerade bei den Renovierungsarbeiten, in den nächsten Monaten soll der Raum fertig sein. Dann können wir mehr auf zwei Floors arbeiten und auch „größere” Partys veranstalten.
Pascal: Ich denke eher, es geht um das Programm, das man anbietet, das in dem Kontext breitgefächert und damit „groß” ist. Eine große Party bedeutet nicht, dass das ein riesiges Event wird, da beide Räume im Prinzip eher klein sind.
Killa: Das ist auch keine neue Location an sich – nicht dass hier ein Missverständnis aufkommt. Der Floor befindet sich direkt unterm Robert Johnson-Dancefloor. Das Ganze ist aus dem Wunsch entstanden, noch ein bisschen mehr Spielraum zu haben.
Nochmal zum Aspekt, dass jetzt eine ganze Reihe von Labels bei euch Partys veranstalten: War das schon immer so? Anfangs war das Booking doch eher zentral?
Oliver: Nein, das war schon immer so. Als ich angefangen habe, das Booking zu machen, habe ich versucht, gewisse Strukturen aus den zehn Jahren davor zu übernehmen. Es gab schon immer Label-Abende. Beispielsweise Perlon, Playhouse oder Smallville. Es gab aber auch immer eigene Abende, zu denen Ata jemanden eingeladen hat. Das ist immer schon eine bestimmte Mischung gewesen. Jetzt gerade ist es der Fall, dass in Frankfurt super viele Labels und ganz viele junge Künstler arbeiten, die man nicht alle unterstützen kann. Wir versuchen unser Bestes, denen einen Platz zu geben.
Pascal: Generell ist Frankfurt kein Ort, an dem es viel Platz für Clubkultur gibt.
Oliver: Nicht mehr.
Pascal: Ja, leider nicht mehr.
Oliver: Neben dem Robert Johnson gibt es jetzt nicht mehr viele weitere relevante Clubs in Frankfurt
Killa: Es poppt immer mal wieder was auf, verschwindet dann aber auch wieder recht schnell.
Oliver: Das macht es nicht einfach. Ein Problem von Frankfurt ist, dass die Stadt nicht interessant ist für junge Leute, die hier mal ein Wochenende verbringen würden. Wenn man durch die Welt fährt und mit Leuten spricht, dann war sicher jeder schonmal in den Clubs von Berlin. In Frankfurt kennen die Leute eigentlich immer nur den Flughafen. (Alle lachen)
Wie sieht das Umfeld in der Stadt aus?
Oliver: Frankfurt ist eine teure und kleine Stadt, alles ist schon austariert. Es gibt wenig Platz für eine alternative Szene. Für uns ist das natürlich auch schwierig, weil wir ja in diesem Gefüge leben. Wir sind Teil der Subkultur, und wenn es dieser nicht gut geht, leiden wir auch. Wenn wir schließen müssten, dann sähe es hier echt bitter aus.
“Im Endeffekt ist es unser Job, für Harmonie zu sorgen.”
Ihr hattet ja vorhin schon kurz über eure Türpolitik geredet. Wir würden gerne erfahren, welche Ansätze ihr da verfolgt. Killa, nach welchen Prinzipien entscheidest du, wer reinkommt und wer nicht?
Killa: Also ich werde jetzt bestimmt nicht verraten, was du anziehen sollst, um ins Robert Johnson zu kommen.
Oliver und Pascal: Schwarz. (Lachen)
Killa: Unsere Türpolitik ist offen: Je interessanter die Crowd ist, desto besser. Diverse Altersgruppen und, wenn man das so sagen kann, diverse Menschengruppen.
Oliver: Wen lässt du denn nicht rein?
Killa: Nicht reinlassen würde ich jemand, der sich in einem Zustand befindet, dass ich mir Sorgen machen müsste. Da geht’s eher um Sicherheitsaspekte und dessen Gesundheit. Wenn jemand nicht mehr gerade stehen kann, dann ist es für alle Beteiligten besser, wenn diese Person nach Hause geht. Oder wenn mir jemand mit Aggressionen entgegen tritt, sage ich natürlich auch nein. Im Endeffekt ist mein Hauptziel, dass die Künstler und Gäste, die bereits drin sind, sich wohlfühlen.
Was zeichnet eine gute Türsteher*in aus?
Killa: Das Hauptmerkmal einer Türsteherin sollte Empathie sein. Du musst die Menschen und die Situationen verstehen, in denen sie zu dir kommen und was sie wollen. Im Endeffekt ist es unser Job, für Harmonie zu sorgen. (lacht)
Im ersten Jahrzehnt eurer Geschichte legten fast nur Männer auf, der Club wurde von Männern gemacht, Frauen waren eher Selekteurinnen, Barpersonal und Crowd. Wie habt ihr darauf reagiert?
Pascal: Uns ist die Abbildung von Diversität im Line-Up sehr wichtig. Gleichzeitig wollen wir das auch nicht offensiv promoten. Es geht in erster Linie um Musik und um das, was uns musikalisch interessiert.
Killa: Also wir kleben uns nicht jetzt das Schild „Diversität” an die Tür, weil es cool ist. Das ist selbstverständlich in einem Club wie unserem, denke ich.
Stichwort Diversität: Pascal, du veranstaltest mit der „Fries Before Guys” eine queere Partyreihe. Das ist in Frankfurt beinahe schon ein Alleinstellungsmerkmal. Warum war das damals nicht so ein Thema und heute schon?
Pascal: Mir war und ist es schlicht wichtig, mehr queeren Künstlern eine Plattform zu bieten.
Oliver: Es gab in Frankfurt kaum andere queere Partys, wo man hingehen konnte. Ich weiß von vielen, dass sie weggezogen sind aus genau diesem Grund. Es geht ja auch nicht nur um queere Künstler, sondern auch darum, seinen Platz zu finden.
Killa: Es geht auch darum, einen Raum zu schaffen, in dem man sich sicher fühlen kann.
Pascal: Obwohl man natürlich auch sagen muss, dass ein Safe Space eine Utopie ist. Das kann man natürlich nie gänzlich bieten. Aber na klar, mir ging es dabei um Diversität bei der Veranstaltung, sowohl im Booking wie auch im Publikum.
“Wir versuchen alles, damit sich die Künstler*innen bei uns wohl fühlen.”
Wie sieht die Verbindung von queerem Nachtleben und elektronischer Musik in Frankfurt aus?
Pascal: Mir war der Plattformgedanke wichtig. Auch war mir wichtig, aufzuklären. Fries Before Guys hat ja einen Kondom-Flyer. Und es war für mich persönlich wichtig, in meinem schwulen Freundeskreis etwas zu starten. Nicht aus Werbezwecken, sondern aus Notwendigkeit.
Killa: Es ist ja auch natürlich gewachsen. Das war ja kein Label oder Konzept, sondern ist aus einem Bedürfnis heraus entstanden.
Pascal: Es passiert gerade viel in Frankfurt in diese Richtung, was wirklich toll ist. Es gibt hier aktuell einige queere Parties.
Das Robert Johnson zeichnet sich auch durch seinen interdisziplinären Ansatz aus, der neben Design, Bildender Kunst und Mode auch Theorie umfasst. Warum sind euch theoretische Gedanken wichtig?
Oliver: Es gibt Dinge aus der Subkultur, die sonst nicht belichtet werden. Heiner Blum (Leiter der Robert Johnson Theorie, d. Red.) ist es wichtig aufzuzeigen: Was passiert eigentlich alles in der Clubkultur? Deshalb hat er die Robert Johnson Theorie gegründet. Da lädt er sich Gäste ein, die an der Szene partizipieren: von Mastering Engineers über Autoren bis hin zu Soundtrack-Komponisten.
Früher haben Sebastian und Ata oft für die Künstler*innen gekocht – wie kümmert ihr euch heute um sie?
Oliver: Ja, die Zeit ist aber vorbei. (lacht) Aus dem Robert Johnson ist auch der Club Michel (Kochclub) entstanden. Da wurde oft für die DJs gekocht. Da war man eine Runde von etwa zehn Leuten und dann haben Sebastian und Ata gekocht. Das war schon toll. Aber klar, die beiden haben auch sehr viel zu tun. Ata hat seinen Hof in Italien und seine Bar AMP, in der er auch sehr viel zu tun hat. Deshalb ist er dann nicht mehr so im operativen Geschäft integriert. Das sind dann eher wir, Pascal und ich. Natürlich soll sich jeder wohlfühlen. Die Künstler*innen werden immer abgeholt von einem Host. Das sind eigentlich immer Freunde, die von uns engagiert werden. Die sind im Prinzip ein bisschen wie unser verlängerter Arm. Die Hosts gehen mit den Leuten essen, bringen sie zum Club und so weiter. Wir versuchen alles, damit sich die Künstler*innen bei uns wohl fühlen.
Eure 20 Jahre Robert Johnson Jubiläumsparty am Wochenende dauert 60 Stunden. Wie kann man sich dafür wappnen?
Pascal: Wir haben Wasser, das man umsonst aus unserem Brunnen bekommt. Und du solltest das richtige Schuhwerk anziehen.
Killa: Je nachdem, was man noch vor hat, sollte man sich vielleicht auch noch eine Banane mitbringen.
Oliver: Nein, Bananen sind da nicht so gut, hab ich gehört. (lacht) Ab 12:00 Uhr gibt’s bei uns auf der Terrasse etwas zu Essen. Die wird gut beschattet und mit Ventilatoren ausgestattet sein. Duschen können wir nicht aufstellen, wir sind ja kein Festival. Wir versuchen aber, genug Platz zum Zurückziehen zu bieten. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir ein sehr kleiner Club sind. Da wird’s keiner schaffen, 60 Stunden durchzutanzen. Bei unserer Kapazität können wir leider auch keinen Wiedereinlass gewährleisten. Wir haben versucht, das anzubieten, aber das geht einfach nicht.