Doc Sleep – Crème Fraîche EP (Dark Entries)
In dem Stephen King-Roman „Doctor Sleep“ wird die Geschichte von Danny, dem kleinen Jungen aus „The Shining“, weitererzählt. Wie das Leben als Erwachsener weiterging nach den Vorfällen im Overlook Hotel. Nicht ohne Grund gilt der erst sechs Jahre alte Roman als einer der besten Kings. Er ist tiefer als viele andere seiner Bücher im amerikanischen Schauerroman verwurzelt.Die Produzentin Doc Sleep aus San Francisco hat sich nicht nur nach diesem Buch benannt, sondern ist zugleich ebenso unverkennbar amerikanisch in ihrem Feld, dem Techno, unterwegs. Obwohl sie seit zwei Jahren in Berlin wohnt und dort Resident der Polit-Techno-Party-Reihe Room 4 Resistance ist, bleibt ihren Tracks weniger ein Sound, denn mehr ein Gefühl inhärent, das wenig an Europa erinnert.Das kann man sich mittlerweile nicht nur auf dem eigenen Jacktone-Label anhören, sondern nun auch auf Dark Entries. Während die Platte zwei Originale (A-Seite) und zwei Remixe (auf der B) bietet, wartet die Kassette gleich mit zwei weiteren Zusatztracks auf, die sich auch beide lohnen. Immer dabei sind der Titeltrack und „Never Again“. Letzterer hätte vor Jahren mit seinen Spuren von Trance (Steve Summers grüßt) und dem saftigen Bassbett auch auf L.I.E.S. gepasst. Der Titeltrack bietet hingegen deep-housey-Techno, für den sich auch ein Levon Vincent nicht schämen würde. R4R-Kollegin rRoxymore treibt „Crème Fraîche” dann in den Wahnsinn, während Violet geschickt Break-Drum-Rolls einarbeitet, die einen vergessen lassen, dass der Break-Hype immer noch nicht vorbei ist. Lars Fleischmann
ItaloJohnson – ITJ12 (ItaloJohnson)
ItaloJohnson machen das Dutzend voll. Auch die drei neuen Tracks betonen wieder ihren Tool-Charakter, wirken angenehmerweise aber nicht überproduziert. Geblieben ist auch der bei aller Repetition doch spontane Gestus, der wie immer lediglich alphanumerisch bezeichneten Stücke. In den vor dem inneren Auge aufgerufenen Bildern werden eher Knöpfe gedreht als Mäuse geklickt. Allerdings haben sich die Koordinaten leicht verschoben, von House in Richtung Electro. In „A1“ trifft Acid auf Jungle, ein ziemlich entschlossen zupackender Tune für den Set-Aufbau. Minimaler angelegt der coole Chicago-Bleep-Track „B1“, tatsächlich fast Minimal-Wave. Dann „B2“, dazu Lyrics einer Frauenstimme, auf nostalgische Art leicht verfremdet, weil elektronisch übertragen. Ob aus einigen Lichtjahren Entfernung oder aus dem Nebenzimmer, lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen. Für Dancefloor-Verhältnisse hat sie vergleichsweise viel zu sagen. Erstaunlich: ITJ12 klingt genauso fresh wie klassisch-zeitlos. Harry Schmidt
John Daly – Safe EP (Craigie Knowes)
John Daly nimmt in seinen Produktionen keine Umwege, konstruiert keine fancy Ambient-Intros als Täuschungsmanöver – seine Tracks kommen sympathisch schnell auf den Punkt. Und in letzter Zeit wird dieser Punkt, das jeweilige Kernelement des Tracks eben, auch nicht umschmeichelt von spacig-trancigen Flächensounds wie noch vor einigen Jahren, sondern steht meist nackt und kantig im Groove. Einem Groove, der auf allen Stücken dieser EP zwar housig und deep ist, aber von der rauen Sorte. Ungeschminkt, nicht sonderlich verspielt, nicht nach anerkennenden Blicken der Produzentenpolizei heischend. Auf smoothe House-Compilations, die dann in den H&M-Filialen dieser Welt laufen, kommt man damit nicht, aber das dürfte dem Iren gerade recht sein. Kurz gesagt: Cool shit. Mathias Schaffhäuser
Kasper Marott – Forever Mix EP (Kulør)
Die neue 12“ von Kasper Marott kommt extrem atmosphärisch und einwickelnd daher. Auf zwei überlangen Exkursionen wird erstmal wieder das terrestrische abgearbeitet, bevor es in Runde zwei gen Weltall geht. So schwingt sich der Däne eingangs locker-flockig durchs housige Gehölz, hinweg über tönendes Getier, während warme Klänge den nahenden Sonnenaufgang verheißen. Bald blubbert die Bassline motiviert dazu, und langsam aber sicher verwächst sich das Geäst von Synths und Sounds zu einem dichten Flickenteppich und man schwingt beseelt dem Ende der fast 15-minütigen Laufzeit entgegen. Die Flip legt einen Gang zu, aber auch hier formt sich allmählich ein mitreißender Strudel aus Fiepsern, Arpeggios, schnellen Stabs. Der sanft die Magengegend massierende Bass entschärft das ganze zwar kurzzeitig, es geht jedoch immer wieder bergauf und -ab; gekonnt wird die Intensität dabei jeweils nur teilweise zurückgebaut. Formschön, doch gleichzeitig überwältigend. Eine exzellente Maxi. Leopold Hutter
Maelstrom – Backseat EP (Zone)
Autos sind immer gute Referenzen, wenn es elektronisch zugeht. Weiß selbstverständlich auch der verdiente französische Produzent Joan-Mael Péneau alias Maelstrom. Peitschend zischende Filter sind für ihn die Kolben, die seine Maschinen vorantreiben. Die dann mit Staccato-303er-Bässen, metallisch kloppendem Grundbeat oder bedrohlich brodelndem Synthie-Gefräse so richtig Fahrt aufnehmen. Einmal losgestottert, kommt es zu nachhaltigen Erschütterungen, bei denen jeder Stromschlag die tanzrelevanten Körperzonen aktiviert. Hat man bei ihm womöglich schon filigraner und versponnener gehört, doch hier läuft dafür alles so gut geölt rund, dass kaum Wünsche offen bleiben. Tim Caspar Boehme