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Als ich im Vorfeld des Interviews in meinem privaten Umfeld davon erzähle, dass ich demnächst Smiley Baldwin treffen werde, sind die Reaktionen durchweg positiv. „Ach, toll. Smiley!”, „Richte ihm schöne Grüße aus!”, „Geiler Typ, arbeitet der immer noch an der Tür?”

Mit dem Deutschlandstart des Films „Berlin Bouncer” am 11. April hat nun eine größere Öffentlichkeit jenseits des Berliner Nachtlebens die Möglichkeit, ihn ein Stück weit kennenzulernen. Im Dokumentarfilm von David Dietl wird er neben Sven Marquardt (Berghain) und Frank Künster (King Size und andere Clubs) porträtiert. Drei verschiedene Charaktere mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Interessen, die aber eins eint: Wer in den letzten 25 Jahren regelmäßig in Berlin ausgegangen ist, stand mit sehr großer Wahrscheinlichkeit schon mal vor ihnen.

Wir treffen uns in einem etwas betagteren Café in Berlin-Mitte. Dort, wo kurz nach dem Mauerfall erst alles im- und dann explodiert ist. Smiley Baldwin begleitete diesen Prozess an den Türen verschiedenster Clubs und machte sich als wahrhaftige Institution im Nachtleben der Hauptstadt einen Namen. Ein Gespräch über die Tücken, aber auch Freiheiten als Bouncer, Berlin im Wandel und die Grenzen des Erklärbaren.

 


 

Smiley, lass mich raten. Du hast gerade sehr viel zu tun?

Ich habe auch ohne den Film sehr, sehr viel zu tun. Und es geht ja noch weiter… Aber es ist gut, ich meckere nicht. So soll es ja eigentlich auch sein. (lacht)

Wann ist David Dietl an dich herangetreten, wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?

So vor circa fünf Jahren. Kurz nachdem das Cookies zugemacht hat, ist er auf mich zugekommen und hat mir seine Idee vorgestellt. Ich habe ihm gesagt, dass ich mir nicht wirklich vorstellen kann, dass sich jemand für unsere Geschichte interessiert, aber ok: Dann machen wir das halt. (lacht)

„Es gibt nicht die eine Art und Weise, EINE TÜR ZU MACHEN. Wir sind alle anders.“

Warum glaubst du, dass man sich nicht für eure Geschichte interessiert?

Für die meisten Menschen ist ein Türsteher kein so interessanter Typ. Außer, dass sie gehört haben, dass er böse ist, dass er ein Asi ist und dass er einem auf die Fresse hauen kann. Türsteher sein ist in Deutschland immer noch eine unwürdige Aufgabe. Das sind Menschen, die „es im Leben zu nichts gebracht haben.” Oder das als Zweitjob machen und neben dem Studium noch ein bisschen was dazu verdienen wollen. Den Job fängt man nicht an, um daraus eine Karriere zu machen. (lacht)

Glaubst du, dass der Film dazu beiträgt, ein anderes Bild von Türstehern zu bekommen?

Vielleicht um ein Verständnis zu bekommen, was der Job mit sich bringt. Die, die uns kennen, die dabei waren und die die Partyorte kennen, werden den Film komplett verstehen. Leute aus dem Nachtleben, die unsere Sprache sprechen und einige Dinge, über die wir im Film nicht wirklich reden können, sondern nur umschreiben: Die verstehen das. Wie auch die Leute, die in den letzten 25 Jahren in Berlin ausgegangen sind und sehr wahrscheinlich einen von uns drei Türstehern kennengelernt oder getroffen haben.

Dann gibt es aber andere, die gar nichts mit Nightlife und der Szene zu tun haben. Die werden sich fragen: „Was soll der Rummel um Türsteher, warum macht man darüber einen Film? Das sind doch nur Typen, die so rumstehen und gemein sind.” Und warum fokussiert man sich auf diese drei Türsteher? Es gibt überall in der Republik Türsteher, die werden sich vielleicht fragen: „Was soll das? Diese Luschen, die nennt ihr Türsteher?” (lacht) „Und das sollen auch noch Legenden sein? Wo denn bitte? Nicht bei mir um die Ecke!” Ich hoffe, dass jene, die nichts mit Nightlife zu tun haben, einen Einblick bekommen und sehen, dass da tolle Leute dabei sind. Sowohl die, die rein wollen, als auch die, die vor der Tür stehen. Und dass wir gut mit diesen Leuten umgegangen sind. Meistens nett, manchmal nicht so nett. Es gibt nicht die eine Art und Weise, wie man eine Tür macht. Wir sind alle anders. Vielleicht inspiriert das andere Clubbesitzer oder Türsteher, vielleicht überlegen sie sich: „Auch wir können das anders machen. Dann hat der Club gleich einen anderen Vibe.”

Tatsächlich würde man bei Türsteherportraits zunächst wohl eher ein RTL2-Beitrag mit Schlägereien und ausgiebigen Problemen vor der Tür denken. David hatte wohl kaum einen solchen Film vor Augen, als er dich angesprochen hat…

Mir war klar, dass ich nicht nur von Sex, Drugs & Rock ‘n’ Roll reden oder irgendwelche Namen nennen kann. Viele Sachen, die interessant sein könnten, kommen immer ganz spontan zustande. David kann mich nicht permanent beobachten und mir mit der Kamera hinterherlaufen. Die meisten Clubs in Berlin wollen sowieso keine Kameras in ihren Räumen. Also, wie macht man so einen Film? Ich finde, er hat es super gut umgesetzt mit den Mitteln, die er hatte.

Diskretion ist auch ein wichtiger Teil des Jobs…

Ganz genau. Eine Kritik an dem Film ist ja, dass man nicht wirklich sieht, was im Club passiert… Nee, genau! Das sieht man eben nicht. (lacht)

Wie war denn bis dato das Feedback auf den Film? Er wurde ja bereits ein paar Mal auf der Berlinale gezeigt.

Ohne meinen persönlichen Freundeskreis und meine persönliche Meinung: Das große Interesse hat sich daran gezeigt, dass auf der Berlinale alle drei Vorstellungen ausverkauft waren. Und das innerhalb kürzester Zeit, in ein paar Minuten. Die eigentliche Premiere in Berlin ist auch schon ausverkauft. Es finden sich auch Interessenten in anderen Bundesländern. Scheinbar hat sich der Film sehr gut bemerkbar gemacht.

“Berlin Bouncer”-Regisseur David Dietl

Für die, die dich nicht kennen: Wie lange machst du den Job schon?

Als Doorman und Bouncer seit 1994, vielleicht 93. Davor war ich als Soldat in Berlin stationiert, ich war Militärpolizist. Das war von meiner späteren Tätigkeit für Berliner Clubs gar nicht so weit entfernt und acht Jahre lang mein Beruf.

Ging das direkt ineinander über in deine Arbeit als Türsteher?

Als mein Vertrag ausgelaufen ist, habe ich mehrere Dinge ausprobiert. Ich habe auch in Cafés gearbeitet und sowas. Ich bin dann bei Security gelandet. Nicht unbedingt mit Blick auf den Job an der Tür, sondern auf Security als Ganzes. Ich konnte mir Security mit allem, was dazugehört, gut visualisieren und räumlich vorstellen. Ich hatte zwar keine Ausbildung oder war darin geschult, aber ich dachte mir: “Ich hab Ideen. Ich hab Power. Ich will Sachen machen.”

Später habe ich eine Securityfirma gegründet, die sich auf eine Nische spezialisiert hat; etwas, was große Securityfirmen nicht wirklich abdecken: Clubs und Events im Bereich Mode, Musik, Lifestyle, Kunst. Das sind die Bereiche, in denen ich nach wie vor arbeite. Jedes Objekt bringt eine gewisse Form und Anforderungen mit, dafür müssen wir uns Konzepte überlegen und visualisieren. Wie kriegen wir die Leute rein, wie sehen die Räumlichkeiten aus, wie hoch ist die Kapazität? Wie ist die Situation am Ausgang, wie können Leute problemlos raus, auch wenn da noch 500 Leute vor der Tür stehen, die rein wollen? Was passiert an der Garderobe in der Zwischenzeit? Solche Dinge muss man alle mitbedenken. Wie gestaltet man diese Wartesituation am Eingang, so dass – insbesondere bei Kunstevents – die Leute nicht das Gefühl haben, sie würden da wie Asis im Pulk warten, sondern dass es dezent wirkt…

„Es gibt Situationen, wo Leute vor mir stehen, die ich sympathisch finde, aber die einfach nicht in den Club passen. Als Türsteher kann ich es nicht mit mir vereinbaren, sie reinzulassen. Der Club oder der Abend ist nicht deren Ding.“

In Würde warten…

Haha, ja genau. (lacht) So kann man es auch nennen.

Im Film gibt es einen Moment, wo du von deinem Kodex als Militärpolizist sprichst: „To protect and serve.” In einer anderen Einstellung beschreibst du deine Aufgabe als Selector mit: „Ich zeichne jeden Abend ein anderes Bild.” Nehmen wir einen DJ. Dessen Selbstverständnis kann – je nach Typ – zwischen einem Dienstleister, der Menschen zum Tanzen bringen soll und auf der anderen Seite einem Künstler, der sich kreativ ausdrücken will, pendeln. Wieviel „protect and serve” steckt in deinem Job und wieviel Kreativität? Kann man von letzterem überhaupt sprechen?

(überlegt) Ok, also: Berlin ist anders als andere Städte, dadurch, dass es sehr viele kleine Clubs gibt. Das ist mein erstes großes Hindernis. Ich habe nur eine gewisse Raumgröße zur Verfügung. Wenn ich dann da vorne stehe, dann gibt es Stammgäste, die eingeladenen Gäste, die Leute ohne Gästeliste… Ich muss das Bestmögliche aus der Situation machen, damit drin im Club eine gute Party zustande kommt. Ich muss auf mein Bauchgefühl hören, es ist ein bisschen wie in diesem alten Sesamstraßen-Spiel “One of these things is not like the others” (lacht)…

Ich weiß nicht, warum ich das kann, aber manche Leute können das: Wir basteln eine passende Crowd zusammen, damit die Leute am Ende einen geilen Abend haben. Natürlich hatte ich auch schon mal schwache Abende und einen Flop, aber ich gebe mir immer wieder Mühe, aus den Möglichkeiten, die ich zur Verfügung habe, den bestmöglichen Abend zu machen.

Was bedeutet Flop für dich? Dass du Leute abgewiesen hast, die eigentlich zum Abend gepasst hätten oder die du persönlich magst?

Das passiert immer wieder. Es gibt Situationen, wo Leute vor mir stehen, die ich sympathisch finde, aber die einfach nicht in den Club passen. Als Türsteher kann ich es nicht mit mir vereinbaren, sie reinzulassen. Der Club oder der Abend ist nicht deren Ding. Die haben gehört, dass es hier cool ist und sie selbst sind supernett. Aber sie haben hier nichts zu suchen. Wenn die da reingehen, wissen die nicht, womit sie es zu tun haben und wie sie damit umgehen sollen.

„Das Abweisen eines Gastes sollte immer sehr respektvoll und höflich sein. Denn auch dann tut es ja für den Abgewiesenen weh. Egal, wie du es machst: Abgewiesen zu werden tut weh.“

Das heißt, du schützt die Party, aber auch die Leute vor sich selbst?

Auch vor sich selbst. Es geht dabei nicht darum, dass ich glaube, dass sie da drin gewalttätig werden könnten oder so. Ich schaue auch niemandem auf die Turnschuhe und sage: „Mit weißen Turnschuhen nicht.” Das geht gar nicht. Ich habe etwas hier (macht eine kreisende Bewegung um den Bauch), wenn ich die Menschen anschaue. Ich weiß dann, ob sie ins Puzzle reinpassen oder nicht.

Weißt du das sofort?

Nein, nicht immer. Es gibt Situationen, wo Leute vor mir stehen und auf den ersten Blick erstmal nichts mit dem Ort zu tun haben. Die dann aber erklären, dass der DJ an dem Abend ihr absoluter favourite DJ ist, dass sie den letzte Woche in München, in Köln oder wo auch immer gesehen haben und dass sie extra von weit angereist sind. Die wissen genau, wer da spielt und was der für Musik spielt. Diese Leute gehören vor das DJ-Pult, mit der Faust in der Luft! Und ich werde sie nicht davon abhalten. Eigentlich nicht passend zum Ort, wirken gar nicht cool, aber sind einfach große Fans. Diesen Bonus haben solche Gäste bei mir. Dann sag ich: „Kommt bitte rein, habt Spaß.” Daran glaube ich.

Es lohnt sich als Gast also doch, an der Tür doch Überzeugungsarbeit zu leisten?

Manchmal ja. Ich kommuniziere viel an der Tür, ich mach das immer. Ich bin sehr hands-on, sehr touchy-touchy, ich rede viel mit den Leuten. Auch das Abweisen eines Gastes sollte immer sehr respektvoll und höflich sein. Denn auch dann tut es ja für den Abgewiesenen weh. Es ist egal, wie du es machst: Abgewiesen zu werden tut weh. Und deshalb sollte es zumindest respektvoll sein.

Deinen Namen hast du nicht von ungefähr. Im Film wird beschrieben, dass du an der Tür den Leuten eher zulächelst, statt sie barsch und grimmig abzuweisen. Ab welchem Moment wird aus “Smiley” vielleicht auch mal “Grimey”?

(lacht laut)

Wann ist es zuviel?

Ich nehme mir die Zeit und gebe mir Mühe, nett zu sein. Auch wenn die meisten, die abgewiesen werden, erstmal sauer auf mich sind. Ich will natürlich, wie jeder andere auch, nicht körperlich angegangen werden. Es gibt ja auch immer mal wieder Leute, die, nachdem sie abgewiesen und gebeten wurden zu gehen, gerne weiter an der Seite stehen, rumglotzen und uns an der Tür beleidigen. Aber ich habe seit meiner Zeit bei der Militärpolizei eine sehr, sehr dicke Haut. Es dauert sehr lang, bis ich dann an dem Punkt bin, wo es zuviel ist.

Es ist ja so: Ich muss sowieso da sein. (lacht) Ich kann ja nirgendwo hin, mein Platz ist an der Tür. Und wenn jemand meint, er müsse mich beleidigen, nun… (zuckt mit den Schultern). Wenn ich körperlich angegangen werde, dann setze ich mich natürlich zur Wehr. Ich meine, der Job ist real. Man kann verletzt werden. Ich trage mittlerweile in 90% der Fälle eine Weste. Manchmal kommt es vor, dass jemand, der abgewiesen worden ist – über einen Runner oder einen DJ oder so – dann doch irgendwie drin landet. Dann habe ich gewissermaßen den Feind hinter mir. Das ist scheiße.

Wer kann so richtig an der Tür stressen? Gibt es da Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Männer können das natürlich sehr gut, Frauen aber auch. Einige Frauen sind der Meinung, dass sie unbedingt in einen Club gehören. Irgendjemand hat ihnen verklickert, dass sie nie weggeschickt werden können. Wenn sie abgewiesen werden, weil sie nicht reinpassen oder was auch immer, dann sitzt das manchmal tiefer als bei Männern. Sie sind der Meinung, dass der Schlüssel zu einem schönen Abend ihre Schönheit und ihr Wesen ist. Mit dieser Attitüde, mit dieser Gewissheit stehen sie vor mir. “Ich komm sowieso rein.” Aber das ist nicht so.

Was denkst du darüber, dass keine Türsteherin in dem Film vorkommt?

Es war wohl eine eingeplant. So wie ich es verstanden habe, hat es aus irgendwelchen Gründen, vielleicht terminlich, nicht geklappt. Ich weiß es nicht. Es gibt viele tolle Türsteherinnen da draußen, einige kenne ich persönlich und ich schätze sie sehr. Die sind der Wahnsinn und haben ein paar der wichtigsten Clubs an der Tür geprägt. Ich hoffe nur, dass keiner denkt, dass wir anderen was wegnehmen. Es geht nur um ein Portrait von Türstehern und die Wahl fiel nunmal auf uns. Es geht nicht um “Wir drei sind hier die Kings” oder sowas.

Smiley Baldwin Berlin Bouncer Press 2

Du stehst da ja meist nicht alleine an der Tür. Da arbeitet ein Team.

Ich habe nie alleine an Türen gestanden, da ist immer ein Team. Die Leute, die ich meine, sind deswegen auch im Abspann genannt. Mitte Bar, 103, WMF, Cookies, King’s Club, Escobar, ich war nie allein. Wir sind teilweise bis heute gut miteinander befreundet. Wir haben ja viele Jahre lang nur uns gehabt. Wir Türsteher sind ein ganz komisches, eigenes Volk. Wenn man bedenkt, wie viel Zeit wir miteinander verbracht haben, über Jahre hinweg. Da weiß man eine Menge persönliche Dinge voneinander.

Sven Marquardt verbindet man direkt mit dem Berghain, bei Frank Künster würde man zunächst das King Size assoziieren, die älteren Partygänger vielleicht noch das Cookies oder sogar das Delicious Doughnuts. Welche ist deine Signature-Tür?

Bei mir ganz klar das Cookies. Dort habe ich sehr viele Jahre mit Frank [Künster] zusammengearbeitet. Dann auch jahrelang für das 103 oder das WMF. Ich hab aber zum Beispiel auch im Shark Club gearbeitet. Das war so ein Schicki-Micki-Club; es waren nicht immer Underground Clubs. Etliche Events kommen dazu, für die Yellow Lounge arbeite ich seit vielen Jahren. Und ich arbeite bei vielen Corporate Events.

„Es ist der geilste Job der Welt. Es wirkt auf meine Psyche und mein Wesen. Es ist einfach toll. Das ist meine Arbeit.“

Wie unterscheiden sich diese Corporate Events von denen an einer Clubtür?

Ich bin in einer glücklichen Position. Wenn ich zum Briefing für ein Corporate Event gehe, heißt es: „Smiley, mach einfach das, was du immer machst.” (lacht)

Das nenne ich mal ein präzises Briefing.

Man gibt mir einen großen Spielraum. Ich kann auch, wenn jemand spontan vorbeikommt, entscheiden, ob er zur Veranstaltung passt oder nicht. Auch wenn es eigentlich nur mit Gästeliste geht. Wobei: es gibt auch Veranstaltungen, wo man ausschließlich mit Gästeliste reinkommt. Bei solchen Veranstaltungen geht es dann eher darum, die Gäste höflich zu begrüßen. Vielen kennen mich auch. Man umarmt sich, spricht kurz miteinander.

Deine Funktion ist dann eher repräsentativ und weniger auf Sicherheit und Selektion angelegt…

Es ist das Gesamtpaket. Natürlich geht es auch um Sicherheit. Aber ich bin nicht der Klischee-Sicherheitsmann mit einem schlecht sitzenden Anzug, der da nur rumsteht und mit keinem spricht. Manchmal kommen nach Events Leute zu mir und fragen: “Wie kann es sein, dass du alle Leute kennst? Du begrüßt ja jeden mit Namen, du kennst die ganze Gästeliste!” Das ist halt etwas, das ich ins Gesamtbild mitbringe.

Hast du eine Vorstellung, wieviele Leute du mit Namen kennst?

Nee, nee. Ich sage immer, ich habe sicherlich ein oder zwei Rekorde gebrochen. Ich bin auf jeden Fall ziemlich oft umarmt worden und ich habe ein paar Millionen Bussis bekommen. (lacht)

Klingt nach einem guten Job.

Es ist der geilste Job der Welt. Es wirkt auf meine Psyche und mein Wesen. Es ist einfach toll. Das ist meine Arbeit.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aktuell so aus?

Das Trust war mein letzter regelmäßiger Termin an einer Tür. Danach habe ich mich stärker auf meine Firma fokussiert. Wir machen sehr viele Sachen, ich kann dir mal meinen letzten Freitag zeigen… (öffnet seinen Terminkalender auf dem Smartphone, er ist voller Veranstaltungen, die sich zeitlich überlappen).

Restaurant, Fashion Store, Spa…

…MCM, eine Boutique. Murkudis, auch eine Boutique.

Und das sind dann Events?

Nein, wir sind da regelmäßig. Und dann kommen Corporate Events dazu. Das sind 50 bis 60 Leute, die da für meine Firma unterwegs sind.

Gibt es Anfragen an deine Firma, die du ablehnst?

Also, einer der tollsten Aufträge, die man bekommen kann, ist die Security für ein Bauvorhaben zu übernehmen. So ein Ding kann von acht Monaten bis zu zwei Jahre oder länger laufen…

Stichwort BER…

Ja, oder? Jeden Tag Security, 24 Stunden lang. Das läuft. Meistens ist es eher unkompliziert, man bucht seine Leute dahin und fertig. Das sind tolle Aufträge. Komischerweise bucht uns aber kaum jemand dafür. Die Leute sagen: “Smiley, ihr seid was Besseres.” Nein! (macht eine einladende Geste und winkt mit den Händen zu sich, lacht). Unsere Firma ist dazu da, um Sicherheitsaufgaben zu erledigen. Wir sind uns für nichts zu fein und wir sind keine Dilletanten. Wir nehmen alles an. Natürlich muss der Preis stimmen. Es gibt Leute, die denken, ich würde mich für 12,50 Euro die Stunde da hinstellen. Das tue ich aber nicht. (grinst)

Dein Job reicht, wie du im Film erwähnst, auch ins Private. Dadurch entstehen stressige Situationen…

Ist schon zwei, drei Mal vorgekommen, aber es ist nichts passiert. Eher passiert es, dass ich, wenn ich auf der Straße erkannt werde, darauf angesprochen werde, dass ich jemanden abgewiesen habe. Aber die meisten Leute sagen: „Es ist ok. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es persönlich war.” Ich habe auch mal auf einer Hochzeitsparty von jemandem an der Tür gearbeitet, den ich mal abgewiesen hatte. Oder ein Personenschützer, mit dem ich gearbeitet habe, meinte neulich: „Ich erinnere mich an dich, du hast mich mal nicht reingelassen. Und ich danke dir dafür, denn ich hätte mich selbst auch nicht reingelassen.” (lacht) Solche Sachen passieren.

„Wenn ich zu einem Schultreffen gehen würde: no chance. Ich wäre der Typ am Tisch, wo alle verschämt ihren Kopf wegdrehen und denken würden: ,Was erzählt er da für einen Scheiß?‘“

Wie hat sich das Publikum in Berlin, wie hat sich Berlin in den letzten 25 Jahren verändert?

Die größte Veränderung sind Social Media und Handy. Heute weiß jeder, wann und wo was los ist. Die Leute verabreden sich anders. Jede Generation ist anders. Aber ich bin offen und lerne immer neu dazu. Damals war Mode ganz anders. Wenn ein Punk vor mir stand, dann hatte der sich die Klamotten so selbst ausgesucht oder genau so selbst geschneidert. Oder die typischen Mitte-Mädels mit ihren Second-Hand-Klamotten. Jetzt habe ich das Gefühl, dass es eher Copy & Paste ist. Wie ein Kostüm, eine Verkleidung. Es fehlt eine gewisse Authentizität, das ist nicht mehr wie früher.

Ein Hassobjekt waren früher ja die Münchener. Der Münchener, der vor mir steht und „Servus” sagt. Servus! Du kannst nicht an eine Berliner Tür kommen und „Servus” sagen! (lacht) Das Klischee von dem Typen mit dem Pulli über der Schulter. Die hatten keine Chance. Heute vielleicht. Oder Touristen. Früher hatten Touristen zu Undergroundclubs kaum Zugang. Das war etwas für Berliner. Heute könnte kein Club ohne Touristen überleben. Die wären alle tot. Egal welcher. Diese Attitüde gibt es nicht mehr.

Kreuzberg war lange Zeit tot, da hatte Mitte seinen Höhepunkt. Jetzt ist Kreuzberg wieder sowas von lebendig. Aber Berlin hat kein Zentrum. Berlin ist verwöhnt. Du kannst fast überall alles haben. Das ist gut so, aber es ist dann auch schwer, zu überleben. Die Konkurrenz ist sehr groß. Ich kriege mittlerweile auch nur einen kleinen Prozentsatz davon mit. Kürzlich habe ich mit einem Veranstalter zusammen gearbeitet, der plötzlich eine Party mit 2000 Gästen aufstellt und ich denke mir: „Wow, wo kommen die alle her? Wer ist dieser Typ und wer sind diese Leute?” Ich fand das gut. Es war ein Teil von Berlin, den ich nicht kannte. Ich lerne in der Hinsicht immer neue Leute kennen und neu dazu.

Wie ist deine Affinität zur Clubszene im Allgemeinen? Was ist deine Musik?

Ich bin in der Karibik geboren und Jahrgang 65. Reggae, Calypso, das ist tief in meiner Seele. Wir sind dann in die USA gezogen. Das heißt: Old-School-Funk und -Disco liebe ich. In den G.I. Discos haben wir dazu gefeiert und gerockt. Die G.I.s haben ja diese Clubkultur auch nach Deutschland gebracht, ich war da oft als Gast. Ich liebe Musik, ganz allgemein. Ich war immer der Meinung: Da wo Musik gespielt wird, sollte jeder hingehen können. (überlegt) Ich bin eigentlich der falsche Mensch, um zu selektieren. (lacht laut) Dass ich in diese Position gerutscht bin, dass ich das Publikum gestalten soll oder muss, ist strange, weil eigentlich, eigentlich glaube ich nicht daran.

Gehst du noch tanzen?

Öfter. Wenn ich nicht in Berlin bin, oder bei den G.I. Disco-Veranstaltungen. Wenn ich eine gewisse Nähe zur Musik, die gespielt wird, habe, dann tanze ich. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn wir vorne an der Tür tanzen. Aber tatsächlich arbeite ich viel mehr, als dass ich tanzen gehe.

Du bist Jahrgang 1965. Bis wann glaubst du, kann man diesen Job an der Tür machen? Bei DJs hat sich zum Beispiel das Alter ja auch sehr nach oben verschoben.

Das Ding ist: Sowohl DJs als auch Doorman waren Jobs, die man nebenbei gemacht hat. Das sind heutzutage richtige Berufe. Wie zum Beispiel auch Gamer. (lacht) Damit kannst du heutzutage sogar Millionen verdienen.

Ich bin länger dabei, ich hab das zu meinem Beruf gemacht. Ich hab nicht mehr die Power, die ich früher hatte, das hat natürlich nachgelassen. Aber ich muss glücklicherweise nicht mehr jeden Abend an der Tür stehen. Früher hab ich das von Sonntag bis Sonntag gemacht. Ich bin noch fit, ich hab noch ein gutes Auge, ich kenne noch das Umfeld, in dem ich mich bewege. Ich arbeite aber jetzt viel mehr an Security-Konzepten, ich gestalte mehr. Trotzdem gibt es viele Kunden, die möchten, dass ich da vorne stehe und das mache ich dann. (überlegt) Ich kann es dir nicht sagen, bis wann ich das machen kann.

Im Film fliegst du auf die Virgin Islands, besuchst deine Familie. Würdest du manchmal das graue Berlin gegen die Karibikinsel tauschen wollen?

Ich habe schon oft überlegt: Was kann man da machen? (lacht) Es ist ja auch nicht gleich um die Ecke. Die Idee ist noch aktuell, Reisen ist nicht mehr so kompliziert. Also auch für mich persönlich, ich bin lange in Deutschland, ich habe mein Visum. Berlin ist mein Zuhause, wir haben eine Liebesbeziehung. Aber die Virgin Islands sind immer noch ein Ziel. Ich hoffe, den Punkt zu erreichen, wo ich mir das leisten und sagen kann: „Ok, Leute. Zwei Wochen noch und dann bin ich weg.” (lacht)

Du hast noch Familie dort…

Ich habe einen Riesenclan. (lacht)

… wie sehen sie deinen Job?

Meine Familie unterstützt mich sehr. Sie finden, dass ich viel Mut und Courage habe. Weil ich in einem fremden Land geblieben bin. Sie finden es toll, wie ich das gemeistert habe. Meine Mutter hat mich, bevor sie gestorben ist, mal besucht. Und das war gut und wichtig, weil sie danach keine Angst mehr um mich gehabt hat. Natürlich haben sie nicht das ganze Bild vor Augen. Ich kann nicht alles erzählen, weil sie es nicht verstehen würden. Auch Leuten in Berlin nicht. Wenn ich zu einem Schultreffen gehen würde: no chance. Ich wäre der Typ am Tisch, wo alle verschämt ihren Kopf wegdrehen und denken würden: „Was erzählt er da für einen Scheiß?” (lacht)

Weil sie deine Welt nicht kennen?

Das wäre zuviel für sie. Nicht nur die Clubwelt, auch meine Zeit in der Armee. Deswegen halte in solchen Situationen lieber meine Klappe und erzähle keine komischen Geschichten. Sie würden sie mir sowieso nicht glauben. Ich bin dann ganz entspannt, lehne mich zurück und höre anderen einfach zu. Hier in Berlin quatsche ich ja den ganzen Abend. (lacht)

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