Foto: Rik Moran (Robert Hood), Grafik: Unbekannt (Electrifying Mojo)

 

Ich war schon als Kind immer auf der Suche nach guter Musik und Sounds, die mich faszinieren. So wie alle anderen klapperte ich damals die verschiedenen Radiosender ab. Während meiner Suche hörte ich meine Freunde schon ab und zu über Electrifying Mojo und seine Radiosendung reden. Es gab viele schwarze Sender in Detroit, WGPR stach von ihnen jedoch am meisten heraus. Tagsüber lief da ein anderes Programm, aber jeden Abend um 10, von Montag bis Freitag, fing Mojo an. Und jeden Abend haben wir eingeschaltet. Dabei war es echt egal, ob du gerade mit deinen Freunden abgehangen hast oder auf Arbeit warst – um 10 lief Mojo.

Ich muss ungefähr 12 gewesen sein, als ich seine Show zum ersten Mal gehört habe. Aber genau kann ich das gar nicht mehr sagen. Es ist fast so, als ob er schon immer da gewesen ist – wie ein mysteriöser, alter, weiser Mann auf einem verlassenen Hügel. Niemand weiß, wer genau er war oder wie er aussah. Aber seine tiefe Stimme und diese Art, mit den Hörer*innen in Dialog zu treten – das hat dich sofort in seinen Bann gezogen.

Dabei hat er nicht einfach nur das Wetter runtergerattert oder einen Track nach dem anderen gespielt, sondern er hat zwischendurch mit uns geredet, uns Dinge gelehrt. Er hat dich echt inspiriert, dich des Öfteren auch mal aufgebaut, wenn du einen schlechten Tag hattest oder gerade das Handtuch werfen wolltest. Manchmal hat er auch erst eine halbe Stunde am Stück geredet, bevor er zur Musik überging. Er wusste irgendwie immer, was du als Hörer gerade brauchst. Sagen wir, es gab eine Schießerei in der Gegend oder irgendeinen schlimmen Vorfall – er hat es immer geschafft, die richtigen Worte zu finden. Und meistens musste er dafür nicht mal explizit über die Sache selbst reden. Aber er war auf jeden Fall immer am Puls des Geschehens in unserer Nachbarschaft.

Musikalisch hat er sich nie auf ein Genre versteift. Er war sowas wie unser Orson Welles, man hat sich wie in einer intergalaktischen Zeitmaschine gefühlt. Und er nahm uns mit – von Planet zu Planet. Rock, Reggae, New Wave. Eddy Grant, Phil Collins, Softcell, Funkadelic – es war echt alles mit dabei, über das gesamte Musikspektrum verteilt. Manchmal war er extrem willkürlich in den Sachen, die er gespielt hat. An anderen Abenden hat er den Fokus gezielt auf einzelne Künstler*innen oder Stimmungen gesetzt, spielte dann etwa das neue Prince- oder Kraftwerk-Album von Anfang bis Ende. Wenn er „Taschenrechner“ gebracht hat, dann lief erst die A-Seite und direkt danach die japanische Version auf der B-Seite. Sachen wie „Planet Rock“ [von Afrika Bambaataa] hat er auch mal drei- oder viermal hintereinander gespielt. Rückblickend hat er definitiv unseren Hörsinn für elektronische Musik geschärft. Manchmal brachte er auch Showdowns zwischen größeren Artists – „Rick James vs. Prince tonight“ etwa. Dann schalteten alle ein und riefen später an, um abzustimmen, wer gewonnen hat.
Du wusstest im Grunde genommen nie, was dich erwartet – nur, dass es großartig wird. Wie diese Spannung bei einem Film. Für seine Intros benutzte er sogar manchmal das Star Wars-Theme.

Wir aus Detroit wären nie dieser kreative, progressive Mob an Leuten geworden, hätte es Electrifying Mojo nicht gegeben. Er war definitiv ein wichtiger, einflussreicher Faktor für die Musikszene, die um uns herum entstanden ist. Sogar noch heute fühle ich mich zutiefst von ihm inspiriert. Alle Künstler*innen, die in seiner Show liefen, waren ihre ganz eigenen Charaktere, keiner oder keine hat versucht, denjenigen vor oder nach ihr zu kopieren. Jedes Mal, wenn ich im Studio bin und etwas mixe oder an einem neuen Track arbeite, ist es diese Bereitschaft außerhalb von Schubladen zu denken und zu kreieren, die ich von Mojo gelernt hab und die mich noch immer begleitet.

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