Foto: Tina Linster (Jonas Palzer)

Für Jonas Palzer ging es von Hardcore mit X auf der Hand über Umwege ins Hardcore Continuum. Durch die mal verrauschten, mal wattig ummantelten House-Produktionen des mittlerweile in Berlin lebenden Portray-Mitbetreiber sind die UK-Einflüsse deutlich herauszuhören. Palzer liefert nun einen Beitrag zu unserem Groove-Podcast ab, der den Verlauf einer ganzen Clubnacht auf eine knappe Stunde herunterkocht – darunter auch ein paar eigene Nummern, die auf seinem Stammlabel LackRec. erscheinen werden.

 


 

Deine Produktionen bewegen sich weitestgehend im House-Bereich, weisen aber wie auf deiner letzten EP It Is It starke Einflüsse aus dem britischen Hardcore Continuum auf. Wie sah deine Sozialisation mit elektronischer Musik aus?
Meine ersten wirklichen Berührungspunkte mit elektronischer Musik liegen etwa zwölf Jahre zurück. Mein damaliger, musikalisch universal gelehrter Mitbewohner in Köln hörte neben Sonic Youth und den Gorilla Biscuits vor allem auch Minimal und House aus dem Kompakt-Umfeld. Seine Plattenspieler waren an ein zusätzliches Paar Lautsprecher in der Küche angeschlossen. Ich hörte oft und gerne mit. War ich damals der Überzeugung, nicht Menschen sondern Maschinen machten diese Musik, schlug die anfängliche Skepsis langsam aber stetig in Faszination um. Clubs wie das Gewölbe und später das Odonien trugen ebenfalls ihren Teil zu dieser Entwicklung bei. Lange Zeit befasste ich mich hauptsächlich mit House, wenngleich ich mehr und mehr versuche weniger kategorisch zu denken. Am spannendsten sind für mich die Tracks an den Grenzen verschiedener Genres. Ob es sich dabei um House, Techno, Breakbeat, etwas dazwischen oder etwas völlig anderes handelt spielt zunächst einmal eine untergeordnete Rolle. Und ja, mein Faible für UK-Clubmusik möchte ich nicht leugnen.

Als DJ bist du regelmäßig im Anita Berber in Berlin-Wedding, aber auch der Trierer villaWuller zu finden. Was verbindet dich mit beiden Clubs?
Im Anita Berber, einem Club/Bar-Hybrid im Wedding, veranstalteten Julian Terzyk und ich 2014 unsere ersten Parties. Wir wohnen beide nicht weit von der Location entfernt und wollten vor allem Räume für alte und natürlich auch neue Freunde schaffen. Das Anita Berber bot uns die Möglichkeit, unter verhältnismäßig sehr geringem kommerziellem Druck Nächte nach unseren musikalischen Vorstellungen zu gestalten. Im Februar diesen Jahres fand unsere vorerst letzte Party dort statt. Viele positive Erinnerungen und Begegnungen habe ich aus unseren Parties mitgenommen, jedoch packte mich nach über vier Jahren das Bedürfnis nach Neuem. Der Club villaWuller wurde 2011 von Bernhard Robert gegründet. Mit Berni bin ich schon eine gefühlte Ewigkeit befreundet, schon als Jugendliche machten wir zusammen Musik – damals Hardcore mit X auf der Hand. Es versteht sich also von selbst, dass die villaWuller für mich kein Club unter vielen ist. Außerdem machte ich in der villaWuller meine ersten Erfahrungen als DJ und spielte unzählige Nächte gemeinsam mit Berni. Diese bis zu achtstündigen b2b-Sets und die damit einhergehende Möglichkeit des Sich-Ausprobierens haben maßgeblich zu meiner Faszination fürs Auflegen beigetragen.

2014 hast du gemeinsam mit Julian Terzyk das Label Portray aus der Taufe gehoben, seit 2016 erschien dort aber kein Release mehr. Habt ihr das Projekt aufgegeben und wenn ja, warum?
Portray wurde aus dem Bedürfnis heraus gegründet, eine Plattform für eigene Musik und die von Freunden zu schaffen. 2014 war ich mit meinen Produktionen erstmals an einem Punkt angelangt, an dem ich es für sinnvoll empfand, Demos zu verschicken. Julian schlug daraufhin vor, lieber ein eigenes Label zu gründen und 2015 veröffentlichten wir dann meine Debüt-EP. Um das Label nach unseren Vorstellungen weiterzuführen, bedürfte es eines Zeitaufwands, den wir beide momentan leider nicht aufbringen können. Deshalb planen wir für die Zukunft keine weiteren Platten auf Portray. Ich selbst möchte dem Produzieren und Auflegen möglichst viel Aufmerksamkeit widmen. Darüber hinaus helfe ich bei LackRec. ab und an mit Mixdowns aus und wir besprechen Entscheidungen zu Mixdowns, Tracklists, Arrangements, etc. oft gemeinsam – ein klein wenig Labelarbeit bleibt also noch.

Neben deiner Arbeit als Produzent, DJ und Labelbetreiber befasst du dich auch auf akademischer Ebene mit Musik und Tontechnik. Was genau machst du – und gibt es Wechselwirkungen zwischen den beiden Bereichen?
Studiert habe ich am Fachgebiet “Audiokommunikation” der TU und mich währenddessen mit Raumakustik und Audiotechnik sowie der Wahrnehmung und Prozessierung von Klängen befasst. Inzwischen habe ich jedoch nicht mehr viele Berührungspunkte mit dem akademischen Bereich sondern arbeite freiberuflich als Sound Designer. Dabei mache ich so ziemlich alles, was in den Bereich Audio-Postproduktion fällt. Dazu zählen beispielsweise die Nachvertonung von animierten Bildern, die Bearbeitung von Sprachaufnahmen, hin und wieder auch Musikproduktionen und natürlich die Bereiche Mixdown und Mastering. Sowohl zum Musik produzieren als auch für meine freiberufliche Arbeit benutze ich also mehr oder weniger die selben Werkzeuge und Instrumente. Beide Bereiche beeinflussen sich also gegenseitig, wobei meine Freiheiten bei Auftragsarbeiten natürlich wesentlich eingeschränkter sind.

Was war die Idee hinter deinem Beitrag für unseren Groove-Podcast?
Zunächst habe ich Stücke gesammelt, die ich in letzter Zeit in meinen DJ-Sets gespielt habe oder zukünftig spielen werde. Anschließend sortierte ich die Tracks so wie ich sie mir mir im Verlauf einer gesamten Clubnacht vorstellen könnte. Aufgenommen habe ich mehrere Takes und mich schlussendlich für die Version entschieden, bei der ich am meisten Spaß beim Auflegen hatte.

Last but not least: Wann können wir dich in nächster Zeit hinter den Decks erleben und wie sehen deine Pläne als Produzent aus?
In Berlin spiele ich das nächste Mal am 07.12. in der +4Bar. Und am 28.12. findet ein LackRec.-Showcase im City Club Augsburg statt. Außerdem freue ich mich sehr darüber, ein Teil der neu gegründeten Booking-Agentur Frameworks zu sein. Meine nächste EP wird Anfang 2019 erscheinen – standesgemäß auf LackRec. Zudem betreibe ich seit wenigen Monaten ein Studio in Berlin-Kreuzberg gemeinsam mit einem Freund. Neben meinen eigenen Produktionen möchte ich dort in Zukunft auch vermehrt Kollaborationen mit anderen ProduzentInnen ins Leben rufen.



Stream: Jonas Palzer – Groove Podcast 186

01. Field recording of city street noises (Unreleased)
02. Preset – Atmos4 (Molten Moods)
03. Neinzer – Horus (Timedance)
04. upsammy – Another Place (Nous’klaer Audio)
05. Unknown – Untitled (Unreleased)
06. David Goldberg – EMO Serialism (Molten Moods)
07. Djrum – Sex (R&S Records)
08. Aleksi Perälä – GBLFT1740072 (Trip Records)
09. Andrea – Layer (Ilian Tape)
10. Jonas Palzer – Connecting Bits (Forthcoming LACKRec.)
11. Konrad Wehrmeister – Kitchenblade (Forthcoming hundert)
12. Barker – Look How Hard I’ve Tried (Ostgut Ton)
13. Fadi Mohem – RS-290 (Seilscheibenpfeiler)
14. Jonas Palzer – Hidden Mass (Forthcoming LACKRec.)
15. J. Manuel – Tennis (LACKRec. vs. Magic Power)
16. Answer Code Request – Transit (MDR)
17. Bjarki – This 5321 (Trip Records)
18. Adlas – Tidal Lock (Forthcoming Answer Code Request)
19. Skee Mask – Flyby VFR (Ilian Tape)

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.