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Zeitgeschichten: Dance Mania

Zeitgeschichten: Dance Mania

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Foto: Presse (DJ Funk)

Zuerst erschienen in Groove 137 (Juli/August 2012).

Kaum ein Label hat in Chicago so lange Zeit Akzente setzen können wie Dance Mania. Angetreten ist die kleine Plattenfirma in den allerersten Jahren des Chicago-House-Booms, doch ihre große Stunde schlug erst ein Jahrzehnt später mit einer ungestümeren Adaption des Sounds der Windy City, genannt Ghetto House. Wir sprachen 2012 mit DJ Funk, der diese Spielart miterfunden hat und heute das Erbe des längst eingestellten Labels bewahren will. Dazu gehören auch drei Reissues von Strong Souls’ Hums, Dee Jay Nehpets’ The Funk Child sowie Playground Productionz’ Orgy (XXX), die im Mai 2017 angekündigt wurden.

Mit Juke und der dazugehörigen dance craze Footwork sorgte vor einigen Jahren ein neues Ding aus Chicago für Furore. Die hyperschnellen Beats, die immer wieder auf halbe Geschwindigkeit gedrosselt werden, sind Teil eines Kontinuums, das auf das Chicago der mittleren achtziger Jahre zurückgeht. Damals ging neben Labels wie Trax oder DJ International auch Dance Mania an den Start. Mitte der neunziger Jahre erst begann die große Zeit des Labels. Eine neue Generation von Produzenten wie DJ Funk, DJ Deeon, DJ Slugo, DJ Milton oder Jammin’ Gerald brachte House auf die Straßen von Chicago und zu den schwarzen Kids zurück – mit beschleunigten, zuweilen synkopierten Beats und schlüpfrigen Party-Lyrics, wie man sie von der 2 Live Crew kannte. Ghetto House wurde zum Markenzeichen des Labels. „Whose Pussy Is This“, „Suck It Deep“, „Whip That Pussa“, „Hoes In This House“ oder schlicht „Pump That Shit“ hießen die Tracks. House-Musik, wie man sie bisher aus Chicago kannte, war längst saturiert und ein Ding für Europäer oder besser gestellte Kids. Doch mit dem neuen Ghetto-Sound erreichte man wieder die Kids in den verarmten Gegenden der Millionenmetropole in Illinois.


Stream: Strong Souls – Hums

Angefangen hat bei Dance Mania jedoch alles mit dem Chicagoer House-Sound der achtziger Jahre. Trax Records mag heute das Label sein, das rückblickend diese Ära am meisten geprägt hat. Doch auch Dance Mania konnte mit Platten wie „Video Clash“ von Lil’ Louis, „7 Ways“ von Hercules oder „House Nation“ von den House Master Boyz eine ganze Reihe von Klassikern aus den Jack-Tracks-Tagen für sich beanspruchen. In den frühen neunziger Jahren nahm der Output des Labels immer technoidere Züge an. Auf der BPM-Skala strebte man zielstrebig nach oben. Dank der hungrigen neuen Leute, denen der Label-Inhaber Ray Barney eine Chance gab, wurde Mitte der neunziger Jahre der sich auf die Party-Basics konzentrierende Dance Mania-Sound schließlich zu Ghetto House. Einer von ihnen war DJ Funk, der mit seiner ersten Platte bei allen anderen Labels der Stadt abgeblitzt war. Charles Chambers, wie DJ Funk mit bürgerlichem Namen heißt, war es dann auch, der dem neuen Sound, den er und einige andere um das Jahr 1994 aus Tableau brachten, den griffigen Namen Ghetto House gab. Daft Punk setzten dieser Generation von Produzenten aus Chicago auf ihrem Debütalbum Homework ein Denkmal, als sie sich im Track „Teachers“ vor DJ Funk, DJ Deeon und DJ Slugo verneigten. Über Frankreich startete DJ Funk vor einiger Zeit auch sein Comeback. Das Pariser Label Ed Banger wusste den Mann zu reaktivieren.

Im Jahr 2001 war mit Dance Mania Schluss und Ray Barney verabschiedete sich vom Musikgeschäft. Zurück blieb ein riesiger Katalog, den Barney zwar rechtlich weiter besaß, den er aber letztlich den Produzenten überließ, indem er sagte: Macht damit, was ihr wollt. Das Erbe von Dance Mania will nun DJ Funk bewahren, der gemeinsam mit DJ Deeon und DJ Slugo eine Wiederveröffentlichung des kompletten Dance Mania-Katalogs plant.

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