Fotos: Presse (Tale Of Us)
Zuerst erschienen in Groove 165 (März/April 2017).
Der neueste Streich von Tale of Us hätte auch gut als Wunderground-Meldung funktioniert: Sie veröffentlichen ein Album bei der Deutschen Grammophon, und zwar ein Ambientalbum. In ihrem Berliner Afterlife-Office erfahren wir die ganze Geschichte.
Tale Of Us sind eine Marke, auf die Verlass ist. Man weiß relativ genau, was man bekommt. Mit ihren DJ-Sets, Produktionen und Remixen haben sie zu einem eigenen Stil gefunden, der über die Jahre im Kern gleich geblieben ist. Am Anfang nannten manche das Dark Disco, später New Romantic House, dann kam auch Techno ins Spiel. Die Zutaten blieben dieselben: Drama, Melodien, Vocals und ein immer ideales Verhältnis von Minimalismus und poppigem Schwulst. Eine Coolness, über die manche die Nase rümpften, die viele andere aber total anmachte. Wer so angenehm polarisiert wie Matteo Milleri und Carmine Conte, muss zwangsläufig zum Star werden.
In einer Hinsicht waren Tale Of Us seit ihrem kometenhaften Aufstieg immer für große Überraschungen gut: bei der Labelwahl. Nach zwei Platten für Visionquest und Life And Death landeten sie 2013 mit der Another Earth-EP drei erstaunlich passende Techno-Volltreffer auf M_nus. Ungewöhnlich war auch, dass 2015 „North Star/Silent Space“ bei R&S erschien, dessen zweiter Track sogar von Boddika und Joy Orbison koproduziert wurde. Der neueste Streich von Tale Of Us hätte auch gut als Wunderground-Meldung funktioniert: Sie veröffentlichen ein Album bei der Deutschen Grammophon, und zwar ein Ambientalbum. Beim altehrwürdigen deutschen Klassiklabel stehen die beiden somit quasi in einer Reihe mit Moritz von Oswald und Carl Craig, Francesco Tristano, Max Richter, Matthew Herbert oder Jóhann Jóhannsson. Und natürlich Beethoven, Mahler oder Mozart.
Stream: Tale Of Us – Notte senza fine
Wenn man die Songs auf Endless hört – zehn Eigenkompositionen im Bermudadreieck Neoklassik-Soundtrack-Ambient –, erscheint diese Konstellation nicht mehr ganz so durchgeknallt. „Man hört, dass das Musik von Tale Of Us ist, auch wenn sie eigentlich nichts mit unserer DJ-Karriere zu tun hat“, findet Matteo. „Es gibt Anknüpfungspunkte: Alles klingt sehr emotional, wie ein Soundtrack. Als ‚Soundtrack-Techno‘ wurden auch unsere Dancetracks bezeichnet. Diese Ambientmusik war schon lange auf unseren Laptops vorhanden und immer ein verborgener Teil von uns.“
Image voll im Griff
Zum Interview haben die beiden ins Büro ihrer 2016 gegründeten Firma Afterlife in Berlin-Mitte eingeladen, vis-à-vis dem Axel-Springer-Hochhaus. Die Büroräume sind riesig, minimalistisch mit Designermöbeln bestückt, düster und nackt gestaltet. Ästhetisch haben Tale Of Us ihr Image voll im Griff, von den Klamotten über die Instagram-Fotos bis zu den Basslines. „Ehrlich“ beziehungsweise „aufrichtig“ sind Wörter, die sie besonders gern benutzen, wenn es um ihren Stil geht. Sie haben auch die Gabe, alles unglaublich bescheiden und wichtig zugleich klingen zu lassen. Aufgesetzt wirken jedenfalls weder ihre Musik noch ihre Persönlichkeiten. Alles folgt ihrem persönlichen Geschmack.