In Egyptrixx-Tracks gibt es häufig Klänge, die wie eine Reaktion von Materialien klingen, wie der helle, scharfe Klang von Stahl. Wie soll deine Musik klingen?
Ich bin nicht wahnsinnig versteift darauf, aber ich denke, dass es in meiner ganzen Musik eine gewisse Art von Absage an High Fidelity gibt. Ich nutze nicht viel Hochleistungs-Equipment oder bin besonders darauf aus, Instrumente so zu benutzen, wie es vorgesehen ist – was ohnehin passé ist, wenn ich Modular-Synthesizer benutze. Mich interessiert Kunst, in der gewöhnliche oder einfache Materialien verwendet werden wie von Donald Judd oder Richard Sierra – von Leuten, die Stahl, Beton oder Gummi benutzen.
Du sagst, dass du nicht sehr an Hi-Fi interessiert bist. Auf einer anderen Ebene klingt deine Musik – zum Beispiel auf A/B Til Infinity – poliert, nach HD. Es hat etwas ‚Hyperdigitales‘. Im Vergleich dazu klingt dein neues Album fast analog.
Es ist eine Mischung. Auf diesem Album habe ich die Musik ein bisschen anders abgemischt. Es gibt etwas mehr Textur und bekommt einen Teil der Energie und der Wucht von der Live-Perfomance, die sehr intensiv und überwältigend ist. Die greifbare, materielle Idee hinter dem Album kommt von den riesigen Ausmaßen von Müll. Hauptinspiration ist der Nordpazifikwirbel, in dem Massen an Mikroplastik von Abfall schwimmen. Ich wollte, dass sich das Album wie diese zähen Müllberge anfühlt, dass es sehr dicht, aufeinander geschichtet wirkt, spontan und durcheinander. Deshalb wirkt das Sounddesign teilweise sehr voll, gestapelt und manchmal übertrieben. Man soll die Plastizität von Abfall spüren können.
Video: Egyptrixx – Boiler Room NYC DJ Set
Körperlichkeit scheint ohnehin sehr wichtig für deine Projekte zu sein. Auf frühen Egyptrixx-Veröffentlichungen gibt es Referenzen zu Ghetto House, was sehr körperliche Clubmusik ist. Du produzierst auch immer noch Club Tracks, unter anderem zusammen mit L-Vis 1990 unter dem Namen Limit. Auf deinem neuen Album scheint Clubmusik aber eine geringere Rolle zu spielen.
Offensichtlich stammen die meisten Sounds in Egyptrixx-Stücken von den gleichen Tools, mit denen Clubmusik gemacht wird: Drum Machines, Synthesizer oder Vocoder. Es gab nur ein paar Basiselemente – wie sich Clubmusik anfühlt, wie sie aufgebaut ist, wie sie vermittelt, gehört und erfahren wird – die als Bausteine für das Projekt dienten. Es gibt diese Dualität, eine dichotomische Parallele in Clubmusik, die mich immer wieder wirklich packt. Dieser Moment, wenn in einem Club alle grellen, bunten, neon-farbenen und intensiven Klänge verschwinden und es aus einem großen Soundsystem auf dich einhämmert – das ist ein wirklich heftiges Gefühl, das in allen Subgenres von Clubmusik existiert und ich finde das großartig! Das scheint auf einer beinahe explizit intuitiven Ebene zu existieren. Es ist schwer, das mit Worten auch nur zu beschreiben – man muss es empfinden. Meine Absicht ist, dass das Projekt um diese essentiellen Ideen von Clubmusik herum besteht. Das versuche ich auf verschiedene Weise zu erreichen, ohne einfach Tracks mit Drops zu machen. Von verschiedenen Seiten, auf verschiedenen Wegen versuche ich, zu der gleichen Art von ‚Mikro-Erfahrung‘ zu kommen.
Es gibt im Moment viel elektronische Clubmusik, die auf solchen spannungsgeladenen Mikro-Arragements basiert – ich denke zum Beispiel an Tracks von Lotic oder anderen Künstler*innen aus dem Janus-Umfeld. Es wirkt wie sehr reflexive Musik in dem quasi dekonstruktivistischen Ansatz, der konstant Kopf und Körper gleichermaßen herausfordert.
Ich mag die Releases von Janus sehr gerne und habe das Gefühl, dass es gerade ein paar Künstler*innen gibt, die ähnlichen Fragen auf den Grund gehen und das ist sehr interessant, weil Clubmusik so zweckmäßige und funktionale Musik ist. Sie dient als Kulisse für bestimmte Verhaltensweisen wie Tanzen oder andere Arten, sich zu bewegen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wo die Musik von Egyptrixx zu Hause ist. Auf mich wirkt es in gewisser Weise anmaßend, diese Musik in Clubs zu spielen und das Publikum dazu zu zwingen, eine oder zwei Stunden lang darüber nachzudenken (lacht). Es scheint so, als ob meine Sets gerade für etwas andere Orte gemacht sind, an denen etwas andere Erwartungen an Musik gestellt werden. Aber wie ich schon gesagt habe – das gesamte Quellenmaterial kommt aus Clubmusik und den Interaktionen zwischen Publikum, Künstler*in und Raum. Ich finde es wichtig, Künstler*innen nicht zu überhöhen oder zu entfremden. Im Ganzen geht es bei Clubs nicht nur um die Musik, sondern um alle. Um alle Leute, die da sind, die Energie, die unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen, die in diesem Umfeld aufkeimen.