Ich finde übrigens, dass einige kleinere Clubs in anderen deutschen Städten wesentlich besser klingen als alles, was das Nachtleben in der Hauptstadt zu bieten hat. Da gibt es natürlich den Klassiker Robert Johnson in Frankfurt, Homebase von Playhouse, mit seinen Holzböden und Schaumplatten an niedrigen Decken. Aber es gibt auch eine überraschende Entdeckung: das Hotel Shanghai in Essen. Ich hatte dort einen Gig mit nur etwa dreißig Leuten auf dem sehr schmalen Dancefloor mit seinen zwei Hauptlautsprechern. Aber es schien, als hätten die Besitzer ein Tontechnikerhandbuch gelesen und dann beschlossen, ihre akustischen Verbesserungsmaßnahmen als „kunstvolle Dekoration“ zu tarnen: Es gab riesige Wandflächen, die mit unregelmäßigen Würfeln und Klecksen aus Styropor bedeckt waren, genau wie in einem professionellen Aufnahmestudio – aber golden angemalt. Normale Gäste würden nie darauf kommen, dass das etwas mit dem Klang zu tun hat. Aber für Besucher, die sich auskennen, war es offensichtlich. Ein Werk, hinter dem viel Liebe steht.

Ein Tempel des Klangs

Schließlich noch ein paar Bemerkungen zu Clubs in Japan. Ich weiß, dass in Europa Mythen und Gerüchte über die Klangwunder in japanischen Clubs kursieren. Aber auch die Japaner haben all die großen Clubs der westlichen Welt mythologisiert, also sollten wir nicht glauben, dass das Gras im Fernen Osten grüner ist. Ich habe dort schon einige Male mit alles anderem als idealem Sound aufgelegt. Aber es stimmt: Im Großen und Ganzen legen die Japaner schon sehr großen Wert auf klangliche Details. Ob in den großen Clubs Tokios wie dem Ageha, dem Liquid Room oder dem Velfarre, oder in kleinen Juwelen wie dem Loop im Tokioter Stadtteil Shibuya, vielerorts habe ich großartigen Klang erlebt. Selbst in einem kleinen Club wie dem Mago in Nagoya gibt es Holzböden, eine ordentliche Isolierung und hochwertige Lautsprecher, die dann einen Andreas-Vollenweider-Elektroharfen-Discogroove zum Highlight des Abends machen.

Eine echte Legende in Bezug auf die Akustik ist die Precious Hall in Sapporo auf der Insel Hokkaido. Dieser Club ist wahrhaftig ein Tempel des Klangs, kreiert von Satoru-san, dem Besitzer, seiner Belegschaft und seiner Stammklientel. Der Anfang der Neunziger eröffnete Veranstaltungsort ist eine umgebaute Tiefgarage in einem alten Bürogebäude, der Club hat also viel Platz, ist flach und gut von der Außenwelt abgeschirmt. Und – das ist das Besondere – alles, wirklich alles im Precious Hall ist mit Holz verkleidet. Nicht nur die Tanzfläche, sondern auch die Wände und die sieben riesigen Klipsch-Lautsprecher sind holzvertäfelt. Viele Elemente sind handgeschnitzt, um in eine spezifische Nische zu passen. Es war kühl an jenem Abend, als ich dort auflegte, mein Auftritt wurde nicht besonders beworben, und es tauchten nur rund fünfzig Leute auf. Als Gig war dieser Abend darum nicht sehr aufregend. Aber als eine Erfahrung von guter Akustik war es eine unglaubliche Lektion. Der Klang in der DJ-Kanzel war so warm und klar wie in fast jeder Ecke der Tanzfläche. Er war sogar so klar, dass es fast ein wenig unheimlich war. Die Equalizer wollte ich nicht mal anfassen, und ich hatte Schwierigkeiten, zu entscheiden, was ich auflegen sollte, denn praktisch alles klang gleichermaßen gut, selbst langweilige, allzu offensichtliche Disco-Klassiker wie etwa First Choices „Doctor Love“.

Die Precious Hall ist natürlich ein Sonderfall. Es ist schon klar, dass jeder DJ mit dem Raum und der Ausstattung, die zur Verfügung stehen, improvisieren muss. Man braucht kein Gummizimmer und keine perfekte Anlage, um eine gute Party zu feiern. Und sicher hatten wir alle schon mehr Spaß in einem verschwitzten, winzigen Club mit beschissener Anlage als in irgendeinem sauberen, sterilen Discopalast mit perfektem Soundsystem. Tatsächlich können schlechte Lautsprecher manchmal sogar begeisternd klingen, und das ist keine Illusion: Eine gewisse Menge an Verzerrung und Überheizung kann die Ohren stimulieren. Aber letztendlich ist es der akustische Raum, der entscheidet, was das Publikum hört. Und mit dem richtigen Knowhow, einigen Materialien und ein paar Handgriffen lässt sich der Klang in jedem Raum verbessern. Egal, ob man darin dann nun eine Anlage für ein paar zehntausend Euro betreibt – oder nur ein altes Mischpult und ein paar handelsübliche Lautsprecher.

Unseren Bericht über das Unternehmen Funktion aus derselben Groove-Ausgabe könnt ihr hier lesen. Wie ein perfekt ausstaffierter Club heute zu klingen hat, beweist das Elysia in Basel.

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