An diesen einfachen Regeln lässt sich schon ablesen, dass die Qualität der Anlage in einem Club nur einer von vielen Faktoren für einen guten Klang ist. Und es nervt immer ein wenig, Leute darüber sprechen zu hören, wie viel dieses oder jenes Soundsystem gekostet hat, weil sie jemanden beeindrucken wollen. Eine teure Anlage, die ohne Rücksicht auf die Raumakustik aufgestellt wurde, ist ein bisschen wie Menschen, die tausende Euro für Designerklamotten ausgeben und dann in der Öffentlichkeit jeglichen Benimm vermissen lassen. Wenn Clubbesitzer nur einen kleinen Teil ihres Budgets in Styropor, Holzblöcke, Bassfallen und allgemein ein akustisch gutes Interieur investierten, würden sich ihre Ausgaben schnell mehrfach rentieren. Kurz: Eine durchschnittliche Anlage in einer guten Umgebung kann schon richtig gut klingen – aber selbst die beste Anlage der Welt wird in einer schlechten Umgebung schrecklich klingen.

„Berlin ist für Clubgänger, denen etwas an gutem Klang liegt, oft ein Albtraum.“

Wie die Aufzählung von Styropor, Holzblöcken und Bassfallen schon zeigt, ist das Absorbieren von ungewollten Klangwellen enorm wichtig für einen guten Clubsound. Und eins der bestmöglichen Klang-Absorptionsmittel in Clubs sind die tanzenden Besucher selbst. Wenn ein Absorptionskoeffizient von 1,00 für perfekte Absorption steht, beträgt dieser Wert bei Menschen immerhin 0,55, im Gegensatz zu 0,03 bei unglasierten Ziegeln. Nur wenige Stoffe übertreffen den menschlichen Körper in dieser Hinsicht – Ausnahmen sind vielleicht die großen Holzbänke in Kirchen oder andere große, unregelmäßig geformte Möbelstücke, die man aber wohl kaum auf einem Dancefloor finden würde. Nun können menschliche Körper zwar den Tanzboden bedecken, allerdings nicht die Wände. Es ist also inakzeptabel, wenn Clubbesitzer sagen: „Im Moment ist der Klang nicht so gut, aber er ist in Ordnung, wenn sich die Tanzfläche füllt.“ Die Tanzfläche, von der hier die Rede ist, würde sich früher füllen und voller bleiben, wenn der Klang von Anfang an gut wäre. Und jeder hat wohl schon mal erlebt, wie sich manche Dancefloors an einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich leeren, und niemand bleibt mehr für die letzte Stunde (die oft der beste Teil eines DJ-Sets ist). Schuld daran ist die Akustik. Wenn die Tanzfläche in solchen Clubs auch nur anfängt, sich zu leeren, ist der Sound sofort für alle Scheiße. Kein Wunder, dass die restlichen Leute dann einfach nur nach Hause wollen.

Zu den wichtigsten klanglichen Vorraussetzungen in Clubs gehört übrigens ein guter Bass. Einige tiefe Bassfrequenzen können eine Wellenlänge von zwei bis drei Metern erreichen. Man muss sich das wie eine sehr lange, unsichtbare Schlange vorstellen, die durch die Luft fliegt. Das bedeutet, dass man solche Töne in einem kleinen Raum gar nicht erst hört, sondern lediglich die Oberwelle. Tiefe Basstöne aber werden tatsächlich vom gesamten Körper „gehört“, und zwar wahrscheinlich auf eine andere, ursprünglichere Art und Weise als mit den Ohren. Das ist – in Bezug auf die Akustik – auch ein gutes Argument dafür, lieber in Clubs mit großen Räumen zu gehen, anstatt zu Hause in einem winzigen, aber akustisch perfekten Wohnzimmer zu sitzen.

Ein Traum für jeden DJ

Als DJ konnte ich in unterschiedlichen Städten sehr unterschiedliche Erfahrungen machen, was die akustische Qualität der Clubs betrifft. London ist eine wichtige Homebase der europäischen
DJ-Szene, und die meisten meiner dortigen Freunde sind sich darüber einig, dass inmitten all der Auftrittsorte der Stadt das Plastic People (der Club schloss im Jahr 2015, Anm. d. Red.) ein wahres Juwel ist. Der Holzboden, die niedrige, abgedämmte Decke, das Fehlen harter, paralleler Wände – hier wurde hörbar alles richtig gemacht. Ade, der Besitzer und Klangtechniker des Plastic People, ist außerdem bekannt für sein Augenmerk auf angemessene Lautstärke und ordentliches EQing – ein Traum für jeden DJ und Besucher. Manche Leute loben den Raum 1 im Fabric, der einen weichen Fußboden hat, obwohl die Akustik vielleicht nicht so gut ist, wie manche Leute es sich einbilden. Doch wenn ich dort in Raum 3 auflege, habe ich manchmal das Verlangen, mit einem Teil meiner Gage Gummischaum für die Decken zu kaufen. Denn die besteht nicht nur aus unglasierten Ziegeln, sondern sie ist auch noch gewölbt.

Berlin ist für Clubgänger, denen etwas an gutem Klang liegt, oft ein Alptraum. Die große Mehrzahl der Clubs (das Weekend zum Beispiel, das Maria oder das Bohannon) sind zwar laut genug. Aber die Betreiber scheinen wenig in die Akustik investiert zu haben. Das Watergate, dieses beeindruckende Zement-und-Glas-Gebäude an der Spree, war lange Zeit das perfekte Beispiel für die Faustregel: „aalglatte, moderne Architektur = schlechter akustischer Raum“. Zwar hat der Club mittlerweile eine neue Anlage installiert, aber man fragt sich doch, ob der Klang tatsächlich besser wird, wenn man die Wände nicht behandelt. Das Tape, einen relativ neuen Berliner Club sollte man erwähnen, weil der Besitzer so gewissenhaft Geld und Zeit investiert hat in Teppichwände, Top-Lautsprecher und eine vorbildliche Holz-Tanzfläche. Besonders gelobt wird darüber hinaus oft auch der kleine Raum im Cookies, der wirklich toll klingt. Der Techno-Gigant in Berlin ist natürlich das Berghain. Die Anlage auf dem Main Floor hat ein kleines Vermögen gekostet, aber die riesigen unbehandelten Zementwände tun dem Klang keinen Gefallen. Meiner Meinung nach klingt die Panorama Bar etwas besser – der lange Bartresen, die unregelmäßigen Sitzblöcke an der Wand und auf einer Seite die dünnen Glasfenster, welche die Bässe absorbieren, sorgen für ausgewogenere Akustik, als sie ein Stockwerk tiefer im Berghain herrscht.

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