Foto: marcusf / Reddit
Erstmals erschienen in Groove 158 (Januar/Februar 2016)
Auch in diesem Jahr meinten es die Hersteller mal wieder gut mit den DJs und versorgten uns mit einer ganzen Reihe toller Neuerungen: Allen voran Native Instruments mit ihrem Multitrack-Format Stems, Algoriddim statteten ihre DJ-Software Djay Pro mit einer direkten Spotify-Integration aus, Pioneer bohrten die Playlisten-Management-Software Rekordbox endlich zur vollwertigen DJ-Software auf und, und, und. Aber geht es dabei wirklich immer darum, einem die Arbeit noch komfortabler zu machen und die Performance-Möglichkeiten zu erweitern? Vielleicht. Vor allen Dingen geht es aber darum, die eigene App nach vorne zu treten und Kunden zu gewinnen. Genauer: uns dazu zu bringen, unsere Playlisten mit Software XYZ zu verwalten. Denn hat man den DJ einmal von der eigenen App überzeugt und ihn dazu gebracht, seine Titelsammlung darin zu ordnen, mit Cue-Punkten, Loop-Bereichen und Anmerkungen zu versehen, wird ein erneuter Softwarewechsel unwahrscheinlicher. Das Prinzip ist von Energieversorgern bis zu Mobilfunkanbietern hinlänglich bekannt. Denn trotz aller Features können die DJ-Programme durch die Bank eines nicht: ihre Playlisten und Metadaten untereinander austauschen. Mehr noch: Ist man erst mit einer Software vertraut (Workflow, Samples, Effekte, Mapping) und hat die Musiksammlung darin organisiert, steigt die Wahrscheinlichkeit rapide, dass man auch Controller-Hardware des betreffenden Herstellers kaufen wird. Spätestens an diesem Punkt geht es nicht mehr nur ums Auflegen, sondern auch um Bilanzen. Wie überhaupt die kontinuierliche Monetarisierung unmerklich, aber stetig alle Bereiche des digitalen DJings durchzieht: sei es der Zukauf eines Extra-Effekt-Packs in Serato, das Abo für Rekordbox-Pro oder der Kauf von Premium-Stem-Content für Traktor. Umso härter werden die Hersteller in den kommenden Jahren versuchen, uns als Kunden zu gewinnen und zu halten – ob durch technische Alleinstellungsmerkmal-Features, einen niedrigen Einstiegspreis (fast alle DJ-Programme am Markt rangieren – anders als noch vor Jahren – aktuell im Bereich von hundert Euro) oder durch die Integration von Streaming-Diensten. Die Firmen sind hier allerdings gut beraten, die Innovationsfreude ihrer Kundschaft nicht zu überschätzen, denn Sätze wie „Hey, da hol ich mir doch lieber Schallplatten – die laufen auch noch in hundert Jahren, ohne Updates oder Abo“, hört man mittlerweile nicht mehr nur von Vinyl-Fetischisten.