Das Debütalbum von Nicolas Godin, bisher vor allem als eine Hälfte von Air bekannt, ist nach St Germains Real Blues nun schon das zweite überraschende Lebenszeichen eines französischen Helden der Neunziger innerhalb weniger Wochen. Und ähnlich wie auch bei Ludovic Navarre scheint Godins Antwort auf kontemporären Funktionalismus noch mehr Eklektizismus und Crossover zu sein. Waren Airs Songs schon immer reich an Referenzen, die von 70er Pop, über obskure Film-Scores bis zu Synthie-Barock reichten, erweitert Godin dieses ohnehin schon äußerst farbenfrohe Universum nun noch um eine klassische Komponente: Bach, vor allem in der Interpretation von Glenn Gould, hat es Godin angetan. Jeder Song ist mal mehr mal weniger offensichtlich von einer Bach-Komposition inspiriert, was dem ein oder andern vielleicht schon bei dem Video zu „Widerstehe doch der Sünde“ aufgefallen ist. Problem ist nur: noch mehr Referenzpunkte ist das Letzte, was Godins Musik noch gebraucht hat. Bach-Fans wird der überladene und oft an Rock Opern erinnernde Fusion-Sound von Contrepoint wenig sagen, zumal Bachs ursprüngliche Kantaten, Fugen und Goldberg-Variationen mehr oder weniger im Soundbrei aufgehen. Und selbst dem ein oder anderen geneigten Air-Fan wird es passieren, dass er sich etwas Entschlackung wünscht. Wenn dann wie bei „Club Nine“ geschehen, nicht nur Bach, sondern auch noch Dave Brubecks „Take Five“ innerhalb eines Songs durch den Wolf gedreht werden, ist es für meinen Geschmack auf jeden Fall zuviel des Guten. Da hilft auch der Zufall wenig, dass Brubeck selbst tatsächlich auch schon mal Bach interpretiert hat.
Stream: Nicolas Godin – Contrepoint