„So blöd das klingt, die Liebe ist das große Thema dieser Platte. Nicht die Liebe aus Trash-Romanen oder von Hallmark-Grußkarten, sondern die Liebe zwischen Menschen, die sich seit Ewigkeiten schon kennen, und deren Liebe es sich zwischen ihnen bereits bequem gemacht hat“, sagt Dan Snaith über das neue Album seiner Ein-Mann-Band Caribou. Vier Jahre sind seit Swim vergangen. Als dieses Album erschien, war Caribou noch weithin unbekannt. Doch Swim sollte eines der wenigen Alben werden, das erst von Kritikern gefeiert wurde, um sich dann wie ein Lauffeuer weiterzuverbreiten. Dan Snaith spielte mit seiner Live-Band erst ausverkaufte Tourneen, dann Festivals. Alles wurde größer und größer. Swim prägte mit seiner Mixtur aus Indie-Gestus, 60s-Psychedelia und elektronischen Klängen zwischen Club und Ohrensessel eine Zeit, in der Techno- und Sonstwas-Derivate auch im Albumformat gefragt waren. Ganz neue Hörerschaften konnten erschlossen werden, immer mehr Acts fanden sich auf den Bühnen der großen Festivals wieder. Und Caribou wurden wieder und wieder kopiert.
Vier Jahre später will es der aus Toronto stammende Kanadier Dan Snaith allen Copycats zeigen. Our Love ist nicht nur eine Liebeserklärung an die Liebe, gebrochen wird auch mit Altem. Die neue Caribou-Platte wird es vielen Hörern aus der Indie-Welt wohl etwas schwerer machen. Caribou ist zwar nicht vom Kopf auf die Füße gestellt worden, aber Rockelemente treten in den Hintergrund, stattdessen findet sich hier gleichermaßen Clubmusik zwischen Techno, House, Bass Music und dergleichen wie urbane Straßenmusik im Sinne von R&B und den 808-Beats des modernen HipHop. Trotzdem: Man hört dieses Album wie eine perfekte Pop-Platte wieder und wieder. Und es ist eine Pop-Platte – die beste, die man derzeit finden kann. Dazwischen immer wieder dieser elegische, von Effekten verfremdete Falsett-Gesang. Die recht clubbige erste Single „Can’t Do Without You“ deutete es an: Dieses vierte Caribou-Album ist eine schwelgerische Angelegenheit. Tendenziell melancholisch zwar, doch ist es fast unfassbar, wie sehr diese Stücke die Welt umarmen wollen. Shoegaze-Haltung und die Endorphine im Überschwang – hier schließt sich das nicht aus. Für einen Aha-Moment sorgt vor allem der Titeltrack „Our Love“, der plötzlich in eine Bassline mündet, die an die frühen LFO erinnert, dann scheint es so, als entfache Kevin Saunderson mit seinem Inner City-Synthesizer pure Ekstase, bis einem gewahr wird: Hier spielt Owen Pallett, der auch auf einigen anderen Tracks mitwirkt, sein Cello. Der wunderbarste stille Moment ist der beatlose R&B-Song „Second Chance“, gesungen von Jessy Lanza, die sich in Aaliyah-Manier von Synthesizer-Arpeggios begleitet eine zweite Chance herbeiwünscht. Ganz, ganz groß. Oh ja, Our Love ist mehr als nur ein würdiger Nachfolger von Swim.
Stream: Caribou – Our Love