Text: Jan Rödger, Fotos: Liat Cohen (Yaron Amor), Wouter Van Vaerenbergh (Aril Brikha)
Erstmals erschienen in Groove 148 (Mai/Juni 2014)
Iran – Detroit – Israel. Über den Umweg der Motor City und Techno sind zwei, die laut Nachrichtensendungen eigentlich Todfeinde sein müssten, gute Freunde geworden. Der Israeli Yaron Amor (Deep’a vom Duo Deep’a & Biri) und der gebürtige Iraner Aril Brikha haben beide auf Derrick Mays Label Transmat veröffentlicht. Ihre erste gemeinsame Platte beim israelischen Label Black Crow heißt schlicht „Hope“. Beide haben je einen Track beigesteuert und sich gegenseitig geremixt, die Erlöse der Veröffentlichung gehen an ein ausgewähltes israelisch-palästinensisches Friedensprojekt. Nur selten erreicht Tanzmusik eine so politische Dimension. Chords for peace? Ein Gespräch.
Aril, du wolltest lange Zeit keine Gigs in Israel spielen. Du sagtest, das wäre dein stummer Protest. Kannst du das kurz erklären?
Aril Brikha: Da gab es mehrere Gründe. Ich habe von vielen Freunden und Bekannten, die nach Israel gereist sind, von den aufwendigen Sicherheitschecks bei der Ein- und Ausreise gehört. Nur für einen Gig wollte ich das nicht über mich ergehen lassen – ich bin ja iranischer Herkunft, das hätte die Prozedur bestimmt nicht leichter gemacht. Daneben war es natürlich auch die angespannte Lage zwischen Israel und Palästina. Ich wollte nicht in einem Club für feierwütige Menschen spielen, während nur ein paar Kilometer weiter die Realität ganz anders ist. Also habe ich für etwa sieben Jahre alle Anfragen abgewiesen.
Yaron, letztendlich hat Aril doch zugesagt. Und sein erster Gig barg einige Überraschungen.
Yaron Amor: Fast vier Jahre lang habe ich Überzeugungsarbeit geleistet. Letztendlich konnte ich ihn für den November 2012 buchen. Das Timing hätte nicht schlechter sein können: Am Tag, an dem Aril landete, war die Hamas im Gaza-Streifen so aktiv wie schon seit Jahren nicht mehr. Raketen schlugen am Strand von Tel Aviv und an der Stadtgrenze ein.
AB: Das war heftig. Viele Israelis schrieben mir, Tel Aviv sei weltoffen und sicher. Als aber die Sirenen losheulten und man das dumpfe Krachen der Einschläge hörte, kam fast niemand zur Party. Klar, man muss einerseits in einer Art Blase leben, um mit der ständig vorhandenen Gefahr klarzukommen. Aber es war interessant zu sehen, wie es im Ernstfall aussieht.
YA: Es waren nur die hartgesottenen Musikliebhaber auf der Party und die haben Aril umso mehr gefeiert. Außerdem haben wir ihn 2013 erneut gebucht – das war auch eine Art Wiedergutmachung.
Waren die gemeinsamen Gigs der Grundstein für „Hope“?
YA: Bei seinen Besuchen war Aril jeweils nur wenige Tage da und wir sprachen nicht über eine mögliche Kooperation. Wir trafen uns 2013 erneut in Berlin und da haben wir uns für ein gemeinsames Projekt entschieden.
AB: Normalerweise bin ich auch niemand, der viele Features mit anderen Musikern macht oder viele Remixe in Auftrag gibt oder annimmt. Bei „Hope“ sah ich jedoch einen tieferen Sinn. Ich schlug Deep’a & Biri vor, unserer Kooperation eine politische Dimension zu geben.
Ihr spendet die Einnahmen an ein israelisch-palästinensisches Friedensprojekt . Wollt ihr das Projekt ausbauen?
YA: Wir finden es zwar gut, dass wir viel Aufmerksamkeit bekommen haben. Vor allem die israelischen Mainstream-Medien haben sehr viel und sehr positiv über „Hope“ berichtet. Allerdings ist erstmal nichts weiter geplant. Als notorische Weltverbesserer würden wir uns auch nicht sehen.
AB: Wir sind nicht Bono und wollen es auch gar nicht sein! Die politische Bedeutung steht bei unserer Zusammenarbeit auch nicht an erster Stelle. Unsere Verbindung geht viel tiefer, da wir mit den gleichen musikalischen Einflüssen aufgewachsen sind und uns gegenseitig für unsere eigene Musik schätzen.
Für viele ist Tanzmusik unpolitisch. Argument Nummer eins ist, dass es meist keinen Text und somit auch keine Aussage gibt. Was denkt ihr?
AB: Ich denke, dass Techno gerade deswegen Grenzen überwinden kann. Ohne Text können viel mehr Menschen einen Zugang finden, nur über die Musik. Chords sind unsere Sprache, dafür braucht es keinen Übersetzer. Deswegen war ich in erster Linie in Israel: Um meine Musik zu spielen. Als Mensch habe ich jedoch auch eine politische Meinung, da kann man nicht einfach „Halt die Klappe und spiel!“ von mir verlangen. Wer mich bucht, bucht auch meine Meinung. Vor allem in der Technoszene hält man seine Meinung ja gerne zurück: Sei es Kritik an der Musik der Kollegen oder eben die politische Meinung. Da lehnt sich kaum jemand weit aus dem Fenster. Diese Mutlosigkeit ist beschissen.
YA: Dem ist nichts hinzuzufügen.
Stream: Aril Brikha / Deep’a & Biri – Hope (Preview)